Geschlechterkonkurrenzen: Männer-Männer, Männer-Frauen, Frauen-Frauen

Geschlechterkonkurrenzen: Männer-Männer, Männer-Frauen, Frauen-Frauen

Organisatoren
Arbeitskreis für interdisziplinäre Männer- und Geschlechterforschung: Kultur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften (AIM GENDER)
Ort
Stuttgart-Hohenheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.02.2006 - 04.02.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Susanne Hoffmann, Stuttgart

"Konkurrenz, Karriere, Kollaps" - dem Wettstreit unter Männern samt seiner Konsequenzen gilt, wie ein einschlägiger Buchtitel veranschaulicht, seit geraumer Zeit die Aufmerksamkeit der Männerforschung. Konkurrenzbeziehungen innerhalb und zwischen den Geschlechtern - offene wie auch verdeckte Wettbewerbe, Spiele, Konflikte, Rivalitäten oder Komplementaritäten - waren im Anschluss daran der Gegenstand der vierten Tagung des Arbeitskreises für interdisziplinäre Männer- und Geschlechterforschung: Kultur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften (AIM GENDER), die vom 2. bis 4. Februar 2006 unter dem Motto "GESCHLECHTERKONKURRENZEN: MÄNNER-MÄNNER, MÄNNER-FRAUEN, FRAUEN-FRAUEN" in Stuttgart-Hohenheim stattfand. Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterschiedlicher Fachdisziplinen (aus den Geschichts-, Wirtschafts-, Erziehungs-, Kunst-, Literatur- und Musikwissenschaften, sowie aus Soziologie, Politologie, Psychologie und Theologie) trafen zusammen, darunter erfreulich viele Doktorandinnen und Doktoranden. Neben dem AIM GENDER, repräsentiert durch MARTIN DINGES (Stuttgart/Mannheim) und ERIK RÜNDAL (Tübingen), traten als weitere Veranstalter auf das Referat Geschichte der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, mit seinem Leiter DIETER BAUER (Stuttgart), sowie erstmals der Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung in Deutschland (AKHFG), vertreten durch BEA LUNDT (Flensburg). Diese institutionelle Zusammenarbeit von Männer- und Frauenforschung hat ihre inhaltliche Entsprechung in einer zweifachen programmatischen Erweiterung des Fokusses gegenüber den Vorgängertagungen: von Männern und Männlichkeiten hin zu Frauen und Weiblichkeiten sowie hin zu gender als einem relationalen Beziehungssystem.

Einleitend zeigte MARTIN DINGES (Stuttgart/Mannheim) Genese und Stand möglicher Zugangsweisen zum Thema Geschlechterkonkurrenzen auf. So legte Dinges dar, dass und weshalb Konkurrenzverhältnisse in der jüngsten Forschung oftmals exklusiv im Hinblick auf Männer diskutiert wurden. Ein entscheidender Impuls hierzu ging von Robert Connells auf Strukturen zugespitztes Konzept "hegemonialer Männlichkeiten" aus, das vor allem für Hierarchien unter Männern sensibilisiert habe, worüber forschungspraktisch jedoch Konkurrenzbeziehungen zwischen Männern und Frauen (obschon gerade bei Connell zentral), bzw. Rivalitäten unter Frauen, tendenziell in das Hintertreffen geraten seien. Dagegen wurden in der Frauenforschung schon frühzeitig Ungleichheitsrelationen zwischen den Geschlechtern herrschaftskritisch problematisiert, etwa hinsichtlich der Bildungschancen von Mädchen oder der beruflichen Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen. Des weiteren konstatierte Dinges (er bezog sich dabei auf den ebenfalls anwesenden Michael Meuser), dass derzeit vor allem Geschlechterkonkurrenzen in der Alltagspraxis untersucht werden, schätzte diese Perspektive aber insgesamt als ertragreicher ein als jene normativer oder medial-stereotypisierter Geschlechterleitbilder. Als ein methodisches Desiderat formulierte der Referent schließlich die verstärkte Rezeption psychologischer Ansätze in der historischen und sozialwissenschaftlichen gender-Forschung.

In den einzelnen Vorträgen der Tagung wurden Geschlechterkonkurrenzen in folgenden Kontexten aufgegriffen: Wirtschaft und Arbeit, Politik und Rechtsprechung, Militär und Krieg, Familie und Ehe, Erziehungs- und Bildungsinstitutionen, Theologie und Kirche sowie Kunst und Medien (d.h. Sport, Musik, Literatur, Film und Mode). Die Sektionen waren thematisch gegliedert. Die Beiträge deckten den Zeitraum vom 17. Jahrhundert bis heute ab, der zeitliche Schwerpunkt lag jedoch deutlich im 20. und 21. Jahrhundert. Geographisch stand der deutschsprachige Raum im Zentrum, mit kürzeren Ausblicken auf Frankreich, Finnland und die USA. Den Vortragenden standen jeweils acht Minuten zur Präsentation ihrer Kernthesen zur Verfügung, wodurch breiter Raum für die - oftmals recht lebhaften - Diskussionen entstand (alle Manuskripte wurden vorab im Netz publiziert).

Grundlegende Aspekte gegenwärtiger Geschlechterkonkurrenzen wurden in der ersten Sektion einleitend aufgeworfen. SYLKA SCHOLZ (Berlin) analysierte die gender-Dimension des deutschen Bundestagswahlkampfes von 2005, in dem die Geschlechtlichkeit der beiden Politiker Gerhard Schröder und Angela Merkel erstmals, und in bisher nicht gekanntem Ausmaß, öffentlich thematisiert und gleichzeitig in Frage gestellt wurde (insbesondere die demonstrativ zur Schau gestellte Männlichkeit Schröders). PETER DOEGE (Berlin) stellte sodann aktuelle Daten repräsentativer Zeitbudgetanalysen vor. Diese wiesen nicht zuletzt auf komplementäre Entwicklungen zwischen Männern und Frauen in den Bereichen Haus-, Familien- und Erwerbsarbeit in jüngster Zeit hin (Frau mehr Berufsarbeit - Männer mehr Hausarbeit). Die Frühneuzeithistorikerin HENDRIKJE CARIUS (Jena) relativierte im Anschluss daran, am Beispiel der zivilen Rechtsprechung in Jena im 17. und 18. Jahrhundert, die Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit in der sozialen Praxis: Trotz geschlechtsstereotypisierter Argumente der klagenden Parteien seien Urteile in der ständischen Gesellschaft nicht primär entlang der Geschlechterlinien strukturiert gewesen. Kritik am Ethnozentrismus der deutschen Männer- und Väterforschung, die Intersektionalitätsanalysen bisher noch kaum rezipiert hat, übte im direkten Anschluss daran der Sozialpädagoge MICHAEL TUNÇ (Köln). Er stellte ein an Pierre Bourdieu angelehntes Konzept vor, durch das komplexe Überlagerungen geschlechtlicher, ethnischer und sozialer Vergesellschaftung für die empirische Männerforschung fassbar gemacht werden könnten. Die nachfolgende Diskussion kristallisierte sich an zwei Punkten, am Begriff der Konkurrenz selbst sowie am Problem der Intersektionalität. Noch weitgehend unbestimmt erschienen die Ebenen und Akteure von Konkurrenzen: handelt es sich um intentionale, personale Strategien, einen strukturellen bzw. systemischen Zusammenhang oder lediglich um eine Beobachterkategorie? Wie mag sich dann ggf. die Generationszugehörigkeit des oder der Beobachtenden auswirken? Auch wurde gefragt, inwiefern der Bundestagswahlkampf als "Kampf der Geschlechter" lediglich eine mediale Inszenierung war und welche Rolle generationale bzw. regionale Momente im Konkurrieren von Schröder und Merkel spielten; auch wurde im Bezug auf die frühe Neuzeit der Stellenwert der Standeszugehörigkeit problematisiert.

Die erste Sektion des folgenden Morgens war exklusiv MARTIN FISCHER (Wien, Österreich) und den theologischen Grundlagen von Geschlechterkonkurrenzen gewidmet. Fischer unternahm den Versuch, durch eine emanzipatorische Bibelexegese der Enthierarchisierung traditioneller Geschlechterbeziehungen Vorschub zu leisten. Mittels einer Neuinterpretation von Gen 2 und Röm 12 könne die Frau, ganz im Sinne gegenwärtiger queer und men's studies, als "Gefährtin", nicht bloß als "Gehilfin" des Mannes verstanden werden. In der sich anschließenden Diskussion wurde kritisch die alltagspraktische Relevanz dieses, in der Hauptsache doch inner-theologischen, Diskurses angemerkt. Ferner wurde auf die marginale Position der vorgestellten Lesart im Rahmen der protestantischen Theologie, aber auch im Hinblick auf die theologischen Diskurse in der katholischen Kirche und im Islam verwiesen. Zudem verfüge die traditionelle Herleitung der hierarchischen Geschlechterordnung durch ihre jahrhundertelangen Tradition offenbar über ein beachtliches Beharrungsvermögen.

Mit dem Militär im 20. Jahrhundert stand - zumindest im Hinblick auf die Konstruktion von Männlichkeiten - ein bereits relativ gut erforschtes Gebiet im Mittelpunkt der dritten Sektion. Drei Beiträge untersuchten Konflikte unter Männern: ANDERS AHLBÄCK (Åbo, Finnland) stellte Interpretationsmöglichkeiten aggressiver, schikanös ausgetragener Rivalitätsverhältnisse in der finnischen Armee zwischen 1919 und 1939 vor. CRISTINE KNAUER (Nürtingen) arbeitete die ethnische Dimension in den Beziehungen zwischen afro-amerikanischen und weißen Soldaten sowie unter afro-amerikanischen Soldaten in der US-Armee, während des Koreakrieges, heraus. Und RAINER PÖPPINGHEGE (Paderborn) betrachtete die - geschlechtsbezogenen - Rechfertigungsstrategien kriegsgefangener Soldaten im Ersten Weltkrieg gegenüber ihren weiterhin an der Front kämpfenden Kameraden in Lagerzeitungen. Stärker an Frauen in der Armee bzw. an Geschlechterverhältnissen interessiert zeigten sich dagegen die verbleibenden Referate der Sektion: CHRISTOPH DEJUNG (Zürich, Schweiz) stellte die langfristigen politischen Konsequenzen der (an den Idealen der Kameradschaft und der "geistigen Landesverteidigung" ausgelegten) Soziabilität unter Schweizer Soldaten in den 1930er und 1940er Jahren dar, für die weitgehende Ausgrenzung von Frauen von politischen Entscheidungsprozessen in der Eidgenossenschaft bis zur Einführung des Frauenwahlrechtes (1971). Die traditionelle Geschlechterordnung sei dadurch lange zementiert worden. Die Soziologinnen MAJA APELT (Hamburg) und CORDULA DITTMER (Marburg) zeichneten schließlich Positionierungsstrategien von Soldatinnen der Deutschen Bundeswehr im Hinblick auf ihre Geschlechtsgenossinnen, aber auch gegenüber Männern nach. Unter Abwesenheit eines positiv besetzten Bildes von Weiblichkeit orientierten sich die befragten Frauen, im Sinne eines "undoing genders" und einer "komplizenhaften Weiblichkeit", an einer normativ idealisierten Männlichkeit. Sie grenzten sich damit von anderen Soldatinnen - den "Zicken" - ab.

Zwei Aspekte im Zusammenhang von Militär und Geschlecht waren es, die eine rege Debatte auslösten: Zum einen die Frage, inwiefern bestimmte Verhaltensweisen (z.B. kämpferisch oder kameradschaftlich sein), unabhängig von der jeweiligen Geschlechtszugehörigkeit der Akteure und jenseits ihrer geschlechtsspezifischen Konnotation, funktional - innerhalb oder außerhalb der Institution Armee - seien. Zum anderen bezogen sich zahlreiche Nachfragen auf mögliche Überschneidungen von Geschlecht mit Klassenunterschieden (etwa in Finnland oder der Schweiz; im Fall der Deutschen Bundeswehr kämen diese jedoch aus methodischen Gründen nicht zum Tragen, so Apelt und Dittmer) oder mit entwicklungspsychologischen Momenten (z.B. im Fall weiblichen "Zickenalarms"). Ferner wurde über nationale Besonderheiten in den Armeen gemutmaßt (z.B im Vergleich zwischen USA und Israel).

Einem weiteren, vielleicht sogar dem zentralen Ort der Austragung von Geschlechterkonkurrenzen in modernen Gesellschaften - der Arbeitswelt in Unternehmen und Berufen - waren gleich zwei Sektionen gewidmet. Gegenstand der vierten Runde war die geschlechtsspezifische Strukturierung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Eliten. Die Betriebswirtin JENNY BRETTSCHNEIDER (Hamburg) wies auf die offensichtliche De-Thematisierung von gender-Fragen in der höchsten Führungsebene großer deutscher Unternehmen hin (befragt wurden fast ausschließlich Männer), wodurch mehr Geschlechtergerechtigkeit behindert würde. Demgegenüber sei ein sogenanntes "diversity management" in britischen und holländischen Unternehmen bereits stärker in der Organisationskultur verankert. Auch in französischen Grandes Ecoles, so STEPHAN PETERS (Heidelberg), vollziehe sich die Rekrutierung gesellschaftlicher Führungseliten eindeutig geschlechtsstrukturiert - zu Gunsten des männlichen Nachwuchses. In der Öffentlichkeit bliebe dieser Umstand allerdings weitestgehend unreflektiert, obwohl diese Praxis im erstaunlichen Gegensatz zu dem Bild günstiger Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Frankreich stehe. BARBARA STAMBOLIS (Siegen) stellte sodann mit weiblichen Serviceclubs eine andere Form größtenteils nicht-konflikthaltiger Konkurrenzen zwischen Männern und Frauen vor. Stambolis interpretierte diese Vereinigungen als Komplementäre zu ihren ursprünglich rein männlichen Pendants, wie Rotary und Lions. Es sei zu einer Aneignung männlicher Geselligkeitsformen und Techniken des Machterwerbs und -erhalts durch die sich organisierenden Frauen gekommen. MICHAEL MEUSER (Köln), Moderator der Sektion, betonte zusammenfassend den verdeckten Charakter der drei betrachteten Konkurrenzen zwischen Männern und Frauen: das Rivalisieren werde entweder nicht offen verhandelt oder durch Abgrenzungsstrategien verhindert. Stambolis relativiert diese Einschätzung für ihre Serviceclubs, da rein weibliche Organisationen Konflikte unter Frauen schürten (z.B. "wir" vs. "die Feministinnen") und zum anderen da im Zuge der erzwungenen Öffnung vormals exklusiv männlicher Clubs Streitereien zwischen weiblichen Vollmitgliedern und den Ehefrauen von Mitgliedern entstanden seien. Mehrere Diskutanten wiesen auf interessante Wechselwirkungen zwischen der strukturellen und der interaktiven Dimension ungleicher Zugangschancen von Frauen und Männern zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht hin; heuristisch seien beide jedoch zu trennen.

In der fünften Sektion wurden Geschlechterkonkurrenzen auf der Ebene der konkreten Berufsausübung nachgegangen. Die Historikerin SVENJA KORNHER (Hamburg) stellte das professionelle Konkurrieren von Männern und Frauen im Friseurhandwerk um 1900 vor. Neben ökonomischen setzten die (zumeist männlichen) Friseure in beträchtlichem Ausmaß geschlechtsspezifische Argumente ein, um ihre Position zu etablieren bzw. abzusichern. Um das berufliche Alltagsleben von Männern in einem derzeit deutlich weiblich konnotierten Berufszweig, der Früherziehung, ging es daraufhin MARKUS TÜNTE (Duisburg). So pflegten Erzieher ein gut integriertes und auf einer komplementären Aufgabenteilung beruhendes Arbeitsverhältnis zu ihren Kolleginnen. Auch die betreuten Kindern nähmen sie positiv auf. Hingegen seien die Reaktionen der Eltern, wie auch des privaten Umfeldes, ambivalent, da ein männlicher Erzieher, gemessen am Orientierungsmuster hegemonialer Männlichkeit, vielen suspekt erscheine. Viele Männer verließen auch deshalb das Arbeitsgebiet bald wieder. BRITT SCHLEHAHN (Leipzig) analysierte Arbeitsämter ab 1894 als architektonisch-visualisierte Räume - teils tätlich ausgetragener - Geschlechterkonkurrenzen um die knappe Ressource Arbeit.

Die in dieser Sektion beleuchtete historische Ausdifferenzierung von Männer- und Frauenberufen, und vor allem die aktuellen Konsequenzen, regten zu einer lebhaften Diskussion an. Angesichts des stetig wachsenden Anteiles an Kindern, die ohne einen Vater als männliche Bezugsperson aufwachsen, wurde die geringe Verbreitung von männlichen Erziehern wiederholt bedauert. Nicht nur sei eine stärkere Präsenz von Männern im Kindergarten aus entwicklungspsychologischer Sicht (für Mädchen und Jungen) wünschenswert, auch ginge damit die Chance einher, überkommene gesellschaftliche Leitbilder von Mannsein im pädagogischen Alltag zu dekonstruieren.

Mit Geschlechterkonkurrenzen in der Musik wechselte der Fokus der sechsten Sektion von der Wirtschaft in Richtung Kunst und Kultur. Die Musikwissenschaftlerin ANN-CHRISTINE MECKE (Berlin) suchte in ihrem Vortrag Antworten auf die Frage, weshalb Mädchen nicht in Knabenchören singen dürfen. Sie stellte die religös-überhöhte Aufladung der Knabenfigur, die sich in der Pubertät erst noch zum Mann verwandeln müsse, als eine mögliche Erklärung zur Diskussion. In zahlreichen Wortbeiträgen wurde Meckes Interpretation mit Argumenten aus benachbarten Fachdisziplinen untermauert. Konkurrenzverhältnisse unter Männern an den Eigenheiten einer in den 1920er Jahren für Männer geschriebenen Musik festzumachen, diese Absicht verfolgte die Musiktheoretikerin GESINE SCHRÖDER (Leipzig) an Hand der Partituren und einem Hörbeispiel des Komponisten Erwin Lendvai. Schröder konnte daran ästhetische wie lebensweltliche Differenzen zum traditionellen Männerchorwesen aufzeigen.

Seinen Abschluss nahm dieser Sitzungstag mit Geschlechterkonkurrenzen in Medien und Kultur (wobei die Debattierfreude der Teilnehmerinnen und Teilnehmer trotz fortgeschrittener Uhrzeit keinen Abbruch erlitten hatte). Um Mode, also um Männermode als vestimentäre Praktik und damit als Ausdruck von Konkurrenz unter Männern bzw. als "Waffe im Lebenskampf", drehte sich die Präsentation TINA DINGELs (Berlin). Dingel führte den zwischen den 1920er und 1950er Jahren im Diskurs von Modeblättern beobachtbaren (bzw. dort forcierten) Anstieg des Modebewusstseins unter Männern - insbesondere unter jungen Angestellten - auf den erhöhten Konkurrenzdruck im Berufsleben zurück. Auf die Frage hin, ob Männermode wegen ihrer Nähe zu Effeminierung und Homosexualität nicht auch eine Gefahr für Männlichkeit gewesen sein könnte, entwickelte sich eine kontroverse Diskussion um die Tragfähigkeit des Konzepts "hegemonialer Männlichkeit" in diesem Kontext. Connell sei es jedoch, so der Einwand einer Teilnehmerin gegen die ihrer Meinung nach "inflationäre Verwendung" des Terminus, vor allem um eine strukturelle Betrachtungsweise gegangen. Auf das Zusammenspiel von Geschlechter- und Generationenkonflikten wies danach STEFANIE HOFER (Blacksburg, USA) hin, am Beispiel zweier deutscher Terroristenfilme ("Die bleierne Zeit" von Margarethe von Trotta [1981] und "Die innere Sicherheit" von Christian Petzold [2000]). Eine heftige Debatte kam in Gang um Begriff, Konzept und heuristischen Wert von Hofers Generationenbetrachtung: Wie definiert sich die Generation der 78-er? Und könnte es sein, dass es sich bei Petzolds Film nicht um den Ausdruck eines Generationenphänomens handelt, sondern lediglich um die Selbstinszenierung eines einzelnen Filmemachers?

Der letzte Tag der Konferenz begann mit einer Runde über Geschlechterkonkurrenzen in den literarisierten Selbstbildern von Männern und Frauen, im Spannungsfeld von Biographizität und Textualität. Das Spiel mit möglichen (bzw. unmöglichen) männlichen und weiblichen Subjektpositionen im Rahmen einer dichotomen Geschlechterordnung, könnte man als das übergeordnete Thema aller drei Vorträge bezeichnen. VERONICA BUCIUMAN (Oradea, Rumänien) arbeitete Formen der Konkurrenzausübung unter Hermann Hesses Romanfiguren anhand unterschiedlicher Geschlechterkonstellationen heraus. Ob es sich bei der misogynen Haltung der Schriftstellerin Claire Goll (geb. 1890) um innere Überzeugung, eine gut kalkulierte Pose oder um Mimkry handelte (um des sozialen Aufstiegs oder des Selbstwertgefühls willen), dieser Frage ging sodann MAGDALENA SUTARCEWICZ (Opole, Polen) in ihrem Vortrag nach. Denn die Expressionistin flüchtete sich in Männlichkeit und männliche Attitüden, bei einer gleichzeitig aggressiven Ablehnung und Abwertung von Weiblichkeit. Die "eigene Geschichte" als Konkurrenzprojekt zu der als männlich bzw. weiblich gedachten "Normalbiographie" - als solche las schließlich CHRISTINE HARTIG (Göttingen) die Autobiographien Ernst Hauns (geb. 1879) und Marie von Ebner-Eschenbachs (geb. 1830). Während bei Haun der Maßstab des männlichen, an Erwerbsarbeit ausgelegten Lebenslaufes meist implizit blieb, formulierte von Ebner-Eschenbach als schreibende Frau den eigenen Konflikt mit der zeitgenössischen Geschlechterordnung deutlicher. Doch erst das Konzept der "geistigen Mutterschaft" eröffnete ihr eine tragfähige Position. An dieser Idee, sowie an der Frage nach dem Verhältnis von Text und Kontext in den vorgestellten Selbstdeutungen, kristallisierte sich die Diskussion. Einige Teilnehmerinnen wiesen darauf hin, dass Weiblichkeit also auch im ausgehenden 19. Jahrhunderts schon plural, d.h. nicht nur im Bezug auf Mutterschaft, gedacht worden sei. Der Sektionsleiter RÜDIGER SCHNELL (Basel, Schweiz) machte ferner auf die reale Wirkung von Konzepten in der sozialen Praxis aufmerksam.

Das Aushandeln von Männlichkeitsleitbildern im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, sowie Rivalitäten unter Männern, waren das Thema der neunten Sektion. Ungeachtet aller zeitgenössischen geschlechterpolitischen Unruhen blieb die dichotome Geschlechterordnung als Bezugspunkt in allen drei betrachteten Diskursen als Hintergrundfolie erhalten. Der Historiker MARTIN LÜCKE (Berlin) führte in das Konzept männlicher Homosexualität des Homosexuellenaktivisten und Medienunternehmers Friedrich Radszuweits (geb. 1876) ein. So deutete Radszuweit mann-männliches Begehren als Ausdruck einer weiblichen Seele in einem Männerkörper, wodurch selbiges als grundsätzlich heterosexuelles Verlangen (zwischen unterschiedlichen Geschlechtsnaturen) codiert war. Die Figur des Boxers als Kristallisationskern von Geschlechterleitbildern präsentierte sodann ULRIKE SCHAPER (Berlin). Dieser habe nicht nur ideal eine Arbeitermännlichkeit verkörpert - im Sinne von Härte, Tatkraft und Aggression im archetypischen Kampf "Mann gegen Mann". Ferner sei dies mit der Abgrenzung von Weiblichkeit und einer als effeminiert diskreditierten intellektuellen Männlichkeit einhergegangen, trotz der inhärenten symbolischen Ambivalenz der Boxerfigur (etwa durch die sexualisierte Zurschaustellung eines kämpfend-nackten Körpers). Um Formen von Männlichkeit im medizinisch-eugenischen Diskurs in Österreich ging es schließlich MARIA WOLF (Innsbruck, Österreich), die Rivalitäten auf Ebene der generativen Reproduktion selbst sowie im Hinblick auf die beteiligten Wissenschaftler betrachtete. Auf die zentrale Stellung der zudem stark visualisierten männlichen Körperlichkeit in Homosexuellen- und Boxerdiskurs bezogen sich zahlreiche Wortbeiträge. Querverbindungen zur sogenannten "neuen Körperlichkeit" oder zu den zeitgenössischen Illustrationen der Romane Karl Mays wurden gezogen. Ferner wurde, auch in Anlehnung an Bourdieu, die besondere und vergemeinschaftende Funktion des Boxsports unter Männern und für Männer herausgestellt.

Mit der Institution der Ehe trat in der zehnten Sektion die relationale Dimension eines beobachtbaren Konkurrierens zwischen Männern und Frauen erneut stärker in den Fokus. Konkurrenzlagen im Ehescheidungsrecht sowie der Rechtspraxis im Deutschen Reich während des Zweiten Weltkriegs arbeitete die Historikerin NICOLE KRAMER (München) heraus. Nicht nur kamen darin die geschlechter- und bevölkerungspolitischen Vorstellungen des nationalsozialistischen Staates zum tragen, auch wurden ökonomisch motivierte Konflikte zwischen den Scheidungsparteien sowie Binnendifferenzierungen innerhalb der Geschlechtsgruppen durch die Rechtsprechung gefördert (etwa zu Gunsten von Frontsoldaten oder Müttern). Mit den aktuellen Beziehungsverhältnissen von Doppelkarrierepaaren (beide Partner verfolgen also eine Karriere) haben sich die beiden Sozialwissenschaftler CORNELIA BEHNKE (Fürth) und MICHAEL MEUSER (Köln) auseinandergesetzt. Freiberufler hätten eher dazu tendiert, ihre Arbeits- und Paarbeziehung als "gelungenes Gesamtprojekt" zu beschreiben, während angestellte Managerinnen und Manager (in der Regel im selben Unternehmen) ihre berufliche Konkurrenz eher als destabilisierend für den privaten Bereich empfunden hätten, wobei der (im- oder explizite) Leistungsvergleich eine zentrale Rolle spielte. Gemeinsam war beiden Paarkonstellationen, dass hauptsächlich Frauen sich für das Vereinbarkeitsmanagement verantwortlich gezeigt hätten. Zahlreiche Nachfragen bezogen sich auf Behnke und Meuser: ob etwa Mobilitätsanforderungen verstärkt von Frauen als Karrierehindernis genannt worden sei, welche Formen von Partnerschaften man untersucht habe, ob finanzielle Ungleichheiten thematisiert worden seien oder ob es während der Interviews Reibereien zwischen den Partnern gegeben habe. Ferner wurde spekuliert, ob die offenbar bei Frauen ausgeprägtere Beziehungsarbeit eine strukturelle Barriere für egalitärere Partnerschaften darstelle.

Drei Fallbeispiele für Geschlechterkonkurrenzen rundeten schließlich die Tagung ab. Geschlechtsbezogene Argumentationsstrategien zur Durchsetzung der eigenen Interessen arbeitete ELLINOR FORSTER (Innsbruck, Österreich) aus den Streitigkeiten zwischen den Regelhausfrauen und männlichen Serviten im Innsbruck des 17. Jahrhunderts heraus. Ferner kam es dabei zu Rivalitäten zwischen älteren und jüngeren Stiftsdamen. Allerdings sei, so Forster, die Mobilisierung von Personennetzwerken erfolgsentscheidend für das Ansinnen der Serviten gewesen, die eigene Position zu stärken. Dass im Rahmen dieses Konfliktes Weiblichkeitsentwürfe jenseits des Mutterseins verhandelt worden sein müssen, merkte später eine Diskutantin an. Die Historikerin ELSBETH BÖSL (München) betonte als nächste Referentin, dass Geschlechtszugehörigkeit ein zentrales - strukturelles - Ungleichheitskriterium in der bundesrepublikanischen Behinderten- und Rehabilitationspolitik zwischen 1945 und 1974 war. Als Grund hierfür nannte sie die damalige Orientierung am Ziel der "Integration durch Arbeit". In der späteren Debatte wies Bösl auf den paradoxen Umstand hin, dass behinderte Frauen und Männer im zeitgenössischen Diskurs trotzdem nicht als sexualisierte Menschen wahrgenommen wurden. Erneut um Rivalitäten innerhalb einer Geschlechtsgruppe aus Sicht der Betroffenen, nämlich Jungen zwischen 14 und 18 Jahren (im Bildungssystem derzeit eine Problemgruppe), thematisierte schließlich der Psychologe ANDREAS KREBS (Hamburg). Soweit keine Freunde beteiligt seien, würden Konkurrenzsituationen von Schülern zumeist negativ, als Beeinträchtigung des eigenen Selbstwertgefühls, erlebt. Eine gegenläufige pädagogische Interventionsarbeit sei daher wünschenswert. Empirische Vergleiche mit der Situation an freien Schulen oder unter Mädchen wurden aus dem Plenum heraus angeregt.

Die Formulierung von Schlussthesen übernahm BEA LUNDT (Flensburg). Die beachtliche Resonanz auf den call for papers der zu Ende gehenden Tagung interpretierte die Historikerin als ein Zeichen für die aktuelle gesellschaftliche Relevanz des Themas Geschlechterkonkurrenzen. Gerade in Zeiten vordergründiger Gleichberechtigung könne dieser Umstand durchaus als Ausdruck subtiler Aushandlungsprozesse um die Teilhabe an Macht im Foucault'schen Sinne verstanden werden. Die Beiträge der vorangegangenen zweieinhalb Sitzungstage fasste Lundt sodann im Hinblick auf drei zentrale Aspekte von Geschlechterkonkurrenzen zusammen: Akteure bzw. Ziele, Mittel und Ergebnisse. In einem Großteil der vorgestellten Projekte seien die Akteure Gruppen gewesen und nur selten Einzelpersonen. Auch sei deutlich geworden, dass in vielen Situationen nicht einfach Männer mit Männern, Frauen mit Männern oder Frauen mit Frauen in den Wettbewerb getreten seien, vielmehr hätten weitere soziale Kriterien (wie Stand, Ethnizität oder Alter) die Konstellationen durchkreuzt. Im Dreischritt aus Identitätsarbeit, Selbstdeutung und deren Kommunikation sah Lundt sodann das regelmäßige Ziel von Konkurrenzverhältnissen. Die versprachlichte Selbstinterpretation sei damit gleichzeitig eines der, wenn nicht das zentrale Mittel des Konkurrierens in den hier betrachteten Kontexten gewesen. Dagegen seien die klassischen politischen Wege, Rivalitäten auszutragen (z.B. Kriege), auf dieser Tagung kaum in das Blickfeld getreten. Hinsichtlich der Ergebnisse von Geschlechterkonkurrenzen sei schließlich ein ambivalentes Bild zu verzeichnen: So hätten zwar mehrere Beiträge eine Differenz zwischen emanzipatorischem öffentlichen Diskurs und alltäglicher Praxis sichtbar gemacht, allerdings seien die negative Folgen von Konkurrenzverhältnissen weitgehend außen vor geblieben. Ob dies an dem Glauben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an die befreiende Kraft von Geschlechterkonkurrenzen liege, dies lies Lundt schließlich als eine offene Frage im Raum stehen.

Insgesamt gestalteten sich die zweieinhalb Konferenztage inhaltlich sehr ertragreich - und zwar nicht nur für den, in Sachen gender sensibilisierten, "teilnehmenden Beobachter", harren doch Geschlechterkonkurrenzen im akademischen Bereich (etwa um die knappen Ressourcen Redezeit oder Aufmerksamkeit) auch nach dieser Veranstaltung weiterhin ihrer empirischen Untersuchung. Gerade deshalb sei es erlaubt, bilanzierend auf zwei blinde Flecke der trotzdem sehr gelungenen Tagung hinzuweisen: So blieb der jeweilige Konkurrenzbegriff der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in aller Regel implizit, da theoretische Überlegungen hier, neben den empirischen Befunden, eine eher untergeordnete Rolle spielten. Ausgeprägtere Reflexionen bzw. Debatten wären hier mitunter wünschenswert gewesen. Ferner blieben viele der Beiträge beim Nachvollzug konkreter Prozesse des "doing" bzw. "undoing genders", im Rahmen einer als gegeben betrachteten Geschlechterordnungen, stehen. Dadurch unterblieb, so auch die Kritik Lundts, die Dekonstruktion der Kategorien Mann/männlich und Frau/weiblich.

Eine gemeinsame Publikation einiger Beiträge ist in Aussicht genommen. Als Thema der nächsten Tagung des Arbeitskreises AIM GENDER, die für die zweite Jahreshälfte 2007 geplant ist, ist "Männer in Familien- und Paarbeziehungen" vorgesehen.