„What We Remember and What We Would Rather Forget….“ Collective Reminiscence and Collective Oblivion as Factors in Conflict Resolution and Reconciliation.

„What We Remember and What We Would Rather Forget….“ Collective Reminiscence and Collective Oblivion as Factors in Conflict Resolution and Reconciliation.

Organisatoren
German-Israeli Foundation; Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.12.2005 - 16.12.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Jan C. Behrends, Wissenschaftszentrum Berlin

Im Jahr des 40-jährigen Jubiläums diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland fand am WZB eine deutsch-israelische Tagung zu Fragen der kollektiven Erinnerung statt. Professoren und Nachwuchswissenschaftler aus Israel, Deutschland, den Vereinigten Staaten und Australien beleuchteten drei Tage lang unterschiedlichste Aspekte von Erinnern, Gedenken und Vergessen. In seinem Eröffnungsvortrag wies Jürgen Kocka auf den genius loci Berlins für eine solche Tagung hin und formulierte die Leitfragen der Veranstaltung: Wie beeinflussen Erinnerungen soziale Beziehungen und Konflikte? In welchem Verhältnis stehen Erinnern und Vergessen zueinander? Welche Spezifika des Erinnerns und Vergessens lassen sich für das deutsch-jüdische Verhältnis formulieren?

Auf dem ersten Panel präsentierten Mordechai Tamarkin, Dieter Gosewinkel und Yair Auron geschichtspolitische Konflikte jenseits des deutsch-jüdischen Falles: die Beziehungen zwischen Ungarn und Rumänen, Deutschen und Franzosen sowie Türken und Armeniern. Dabei wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit das Vergessen historischer Konflikte akzeptabel oder sogar wünschenswert sei und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die Konflikte zwischen zwei Gruppen überwunden und aus antagonistischer Erinnerung gemeinsames Gedenken werden kann. Das zweite Panel diskutierte die Veränderungen in den deutschen und jüdischen historischen Narrativen. Gabriel Motzkin begründete in einem eindrucksvollen Vortrag, warum es nicht nur entscheidend sei, zu erinnern was geschehen sei, sondern auch welche anderen Wendungen die Geschichte hätte nehmen können. Michael Brenner versuchte nachzuzeichnen, wie in der Diaspora und in Israel unterschiedliche Vorstellungen von einem „goldenen Zeitalter“ des Judentums konstruiert wurden und Daniel Levy zeigte, wie sich in Westdeutschland die Erinnerung an den Holocaust im Laufe der Jahrzehnte veränderte.

Am folgenden Tag führte Norbert Frei aus, auf welch unterschiedliche Weise die Bundesrepublik Deutschland in den 1950er-Jahren „Vergangenheitspolitik“ betrieb. Galili Shahar und Amir Gutfreund verdeutlichten mit ihren Beiträgen, dass das Beschweigen einer traumatischen Vergangenheit kein deutsches Spezifikum ist – auch in Israel schwiegen nach dem Krieg viele Überlebende des Holocaust. Benjamin Neuberger erklärte schließlich, welche Debatten im Israel der 1950er-Jahre über die Beziehungen zur Bundesrepublik geführt wurden. Die vierte Sektion war dem deutsch-israelischen Verhältnis nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahre 1965 gewidmet. Dan Bar-On sprach über seine Forschungen zu den Kindern nationalsozialistischer Kriegsverbrecher, Dirk Moses schuf den Begriff der „Non-German Germans“ um den Wandel kollektiver Identitäten in Nachkriegsdeutschland zu erklären, Hanna Yablonka näherte sich den „Post-Eichmann-Israelis“ und Harald Welzer führte aus, welchem Wandel die Erinnerung an den Nationalsozialismus in unterschiedlichen Generationen deutscher Familien unterworfen ist. Am Abend gab der israelische Botschafter, Shimon Stein, in seiner Residenz einen Empfang für die Konferenzteilnehmer.

Am letzten Tag sprach Moshe Zimmermann über verschiedene Kollektive, die miteinander um den Opferstatus konkurrieren. Jan Gross erklärte, wie sich nach 1989 in Ostmitteleuropa zwar die kommunistischen Geschichtsmythen verflüchtigten, der Antisemitismus sich jedoch – auch ohne nennenswerte jüdische Minderheiten – behauptete. Philipp Ther referierte die jüngsten erinnerungspolitischen Verwerfungen im deutsch-polnischen Verhältnis und warnte davor, die Geschichtspolitik den die Massenmedien dominierenden „Memorians“ zu überlassen. Schließlich erläuterte Yfaat Weiss die Aporien israelischer Einwanderungspolitik, und Martin Sabrow diskutierte die Konsequenzen der deutschen Einheit für die Erinnerung an den Holocaust und die jüdisch-deutschen Beziehungen.

In seinen Schlussbemerkungen kontrastierte Wolfgang Frühwald die europäische ars oblivionis mit der jüdischen ars memoriae. Auch wenn es, so Frühwald, auf der Tagung nicht immer gelungen sei, mit einem stringenten Konzept von Erinnern, Vergessen und Gedenken zu operieren, habe die Veranstaltung doch einen hervorragenden Rahmen zum gegenseitigen Austausch, Kennenlernen und Verständnis geboten. Die Tatsache, dass eine Vielzahl kontroverser Themen ohne Scheuklappen angesprochen worden sei, sei ein wertvolles Stück Normalität im deutsch-israelischen Verhältnis, das eigentlich keine Normalität kennen könnte.


Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
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