Military, Security, and Use of Force in U.S. History. Annual Conference of the Historians in the Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien (DGFA)/German Association for American Studies

Military, Security, and Use of Force in U.S. History. Annual Conference of the Historians in the Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien (DGFA)/German Association for American Studies

Organisatoren
Michaela Hampf, FU Berlin; Barbara Lüthi, Universität zu Köln
Ort
Tutzing
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.02.2014 - 23.02.2014
Url der Konferenzwebsite
Von
Darius Harwardt, Ruhr-Universität Bochum; Kathrin Muschalik, Bochum; Stephanie Nowitzki, Ruhr-Universität Bochum

Zielsetzung der Konferenz mit dem Thema „Military, Security, and Use of Force in U.S. History“ war es, mittels der historischen Perspektive auf Nordamerika insbesondere Fachvorträge zu präsentieren, die einen Knotenpunkt aus Sicherheitsgeschichte, Militärgeschichte, Kulturgeschichte der Gewalt, und post-/ kolonialen Studien bilden und gleichzeitig die Bedeutung interdisziplinärer und transnationaler Ansätze aufzeigen. Die Verknüpfungspunkte jener Forschungsfelder sollten insbesondere im Hinblick auf Sicherheit und Securitization diskutiert werden.

In Sektion I (Colonialism and Security) wurde dies mit besonderem Fokus auf Legitimationsstrategien militärischer Gewalt zum Zweck kolonialer Stabilisation verfolgt. In dem ersten Vortrag veranschaulichte MARTIN GABRIEL (Klagenfurt) diesen Zusammenhang anhand der Beispiele des Kolonialismus und der "Indianerkriege" im amerikanischen Westen. Dabei thematisierte er neben den Beziehungen unterschiedlicher Akteure wie US-Army, Siedler und amerikanische Ureinwohner auch Fragen nach nationalen Identitäten und Narrativen, die in Konflikten besonders sichtbar werden. Im Anschluss referierte FABIAN KLOSE (Mainz) über Dekolonisationskriege und anti-koloniale Nationalismen als staatsstabilisierende Methoden. Dabei war insbesondere die Wiederverwendung militärischen Wissens kolonialer Kriege als Werkzeug heutiger Sicherheitsapparate zur vermeintlichen Generierung von Sicherheit zentral. Ebenso wie bei Gabriel wurde auch in diesem Vortrag der Sicherheitsaspekt als legitimierendes Element staatlicher Gewalt zum Zweck innerstaatlicher Stabilität und Konsolidation herausgestellt. Während die Begriffe "Militär", "Sicherheit" und "Gewalt" in den Vorträgen wiederholt miteinander verbunden werden konnten, wurde im Laufe der Konferenz auch oftmals der Begriff "Widerstand" thematisiert. Besonders deutlich wurde diese Mehrdimensionalität in der Keynote von FRANNY NUDELMAN (Ottawa), die anhand von Fallbeispielen versuchte, dem "Schlaf" die landläufige Bedeutung der Passivität zu nehmen und "Schlaf" sowie das Unbewusste im Rahmen US-militärischer Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg einerseits als potentiellen Kontrollmechanismus zu untersuchen. Andererseits analysierte sie das aktivistische Potential von "Schlaf" als demonstrative Gegenmaßnahme zu Militarismus und staatlicher Gewalt der Anti-Kriegsbewegung im Zuge des Vietnamkriegs. Der Umgang staatlicher Institutionen mit dieser passiven Aggressivität verdeutlichte die Ambivalenz und Verflechtung von Securitization und entsprechenden Legitimationsformen im Hinblick auf staatliche und nichtstaatliche Träger gleichermaßen.

Sektion II (American Occupations in the Philippines and Japan) legte einen stärkeren Fokus auf die Konstruktionen nationaler Identitäten beziehungsweise deren Fremdzuschreibungen im Zuge militärischer Besatzungskonflikte im asiatischen Raum. CHRISTA WIRTH (Zürich) widmete sich in diesem Kontext dem philippinischen Nationalhelden José Rizal (1861–1896). Rizal spielte laut Wirth eine entscheidende Rolle im Widerstand gegen die spanischen Kolonialherren, etwa indem er Wilhelm Tell ins Tagalog übersetzte und versuchte, eine authentisch-native philippinische Identität zu konstruieren. Andererseits verdeutlichte Wirth, dass Rizal im Verdacht steht, lediglich ein von den USA konstruierter Nationalheld zu sein. Im asiatischen Raum bewegte sich auch BRIAN MCALLISTER LINN (Texas AM/ Berlin), der sich unter dem Titel "The Oriental Social Evil" eingehend mit der Bedeutung sexuell übertragbarer Krankheiten während des Krieges der USA gegen die Philippinen und Japan auseinandersetzte. Er betonte, dass das eigentliche Sicherheitsproblem aus amerikanischer Perspektive weniger militärischer Natur gewesen sei, sondern die wahrgenommene Gefahr sexuell übertragbarer Krankheiten den eigentlichen Unsicherheitsaspekt für das US-Militär ausgemacht habe. Diese Probleme stellten sich den USA insbesondere in den Philippinen, während man im Krieg gegen Japan weitaus besser auf die tatsächliche wie wahrgenommene Unsicherheit vorbereitet war.

Mit dem Sicherheitsaspekt nordamerikanischer Truppen außerhalb des amerikanischen Kontinents beschäftigte sich auch FRAUKE BRAMMER (Berlin) in Sektion III (Military Presence, Gendered Security and Everyday Life), die den Fokus vor allem auf das tägliche Leben der „Canadian military community in West Germany, 1951–1993“ legte. Hier beschäftigte sie sich neben der Sicherheit der kanadischen Soldaten besonders mit dem (Alltags-)Leben ihrer Angehörigen.

Im Anschluss daran wurden im Rahmen des Young Academics Forum laufende Forschungsprojekte in drei parallelen Workshops vorgestellt und diskutiert. Workshop I befasste sich ebenfalls mit dem Thema „Sicherheit“ im Rahmen einer Institutionsgeschichte etwa der US-amerikanischen Geheimdienste, analysierte jedoch auch die Entwicklung amerikanischer Außenpolitik unter dem Aspekt internationaler Normen. In Workshop II standen hingegen kulturgeschichtliche Aspekte der USA im Vordergrund. In Workshop III wurden weniger die USA selbst, als vielmehr ihre Wahrnehmung von außen thematisiert, etwa anhand von Modernitätsdiskursen in der Weimarer Republik oder Amerikabildern der Neuen Rechten in Deutschland.

Der Beitrag von BIANKA J. ADAMS (USACE) verdeutlichte in der Sektion IV (Interventions in the Name of Security) abermals, wie US-militärische Intervention im Namen von Sicherheit und zum Zweck von Stabilität und Konsolidation im Irak verstanden und durchgeführt wurde. Aufgezeigt wurde hier, wie der Militäreinsatz Amerikas auch eine Entwicklung von Lern- und Ausbildungsprozessen im Umgang mit den irakischen Sicherheitskräften darstellte. KLAAS VOSS (Hamburg) und FLORIAN BÖLLER (Kaiserslautern) hingegen richteten ihr Augenmerk darauf, wie beispielsweise der Einsatz von Söldnerheeren im Kalten Krieg oder militärische Interventionen im Irak und in Libyen zur Sicherheitswahrung der US-Nation, zur Formulierung nationaler Interessen und zur inneren Stabilität der Vereinigten Staaten beitrugen. Voß nahm hierbei insbesondere eine Sicherheitsproduktion in den Fokus, welche nationale Sicherheit und Stabilität durch den Einsatz von Söldnern generiert, die US-Nation aber hinsichtlich der Maßnahmen und Ergebnisse jener Interventionen nicht direkt involviert. Somit knüpft Voß die Sicherheitsproduktion des amerikanischen Nationalstaats über den Söldner an das Element des Geheimnisses. Bei ihm wird daher das „Geheimnis“ in der Sicherheitsproduktion der USA Dreh- und Angelpunkt von innerstaatlicher Stabilität und Konsolidation. Im Gegensatz dazu zeigte Florian Böller wie eine derartige Sicherheitsproduktion gleichermaßen an Öffentlichkeit geknüpft sein kann. Dabei spielt insbesondere die Verwendung und Instrumentalisierung des Begriffspaares „nationale Sicherheit“ eine maßgebliche Rolle in öffentlichen Diskursen militärischer Interventionen, etwa im Irak und in Libyen.

Die abschließende Sektion V (Legitimizing Security Abroad and at Home) beschäftigte sich mit Legitimierungsdiskursen von Sicherheit ohne dabei ausschließlich militärische Interventionen zu berücksichtigen. MARKUS KIENSCHERF (Berlin) problematisierte die Verwendung von „Sicherheit“ als Instrument der Pazifizierung und Wissenstransfer zwischen Militär- und Polizeiapparat in den USA. Er analysierte in diesem Zusammenhang die Beobachtung, Kontrolle und Befriedung von sozialen Bewegungen und die Rolle „institutionalisierter“ Proteste. Maßgeblich sei dabei die Konstruktion und Besetzung von Protesträumen durch Sicherheitskräfte, die „Sicherheit“ in einem Deutungskampf innerstaatlicher Konflikte erscheinen lassen. Den Kerngedanken einer sich über Diskurse manifestierenden nationalen Sicherheitsproduktion griff auch JENS KABISCH (München) in seinem Vortrag zu “National Security and the Pauline Threshold“ auf und verdeutlichte, wie sich nationale Sicherheit auch über unterschiedliche Leitbilder amerikanischer Präsidentenämter (George W. Bush und Barak Obama) konstruiert. Hierbei legitimiert sich politische und militärische Intervention zur Sicherheitsproduktion unter anderem durch religiöse Paradigmen und/oder Konstruktionen von Feindbildern. Mit der Konstruktion von nationaler Sicherheit beschäftigte sich auch BERND GREINER (Hamburg) in seinem Vortag „Entrepreneurs of Fear: On Vigilantes and Scaremongers in the US“, in welchem er erläuterte, inwiefern die Eigenwahrnehmung der USA zu einer Legitimierung des Staates als „national security state“ führe. Laut Greiner handele es sich bei der amerikanischen „Kultur“ um eine Kultur der Angst, deren Obsession es sei, sich gegen Gefahren von außen und innen zu schützen. Diesen Schutz gewährleisteten, so der Vortragende, sogenannte „entrepreneurs of fear“ (Individuen oder Gruppen, unabhängig von Parteien und Lobbys), die immer dann in Erscheinung träten, wenn der Staat ihrer Hilfe bedürfe. Die in diesem Zusammenhang nicht getätigte Unterscheidung von „Risiko“, „Gefahr“ und „Bedrohung“ führe jedoch dazu, dass man sich in einem permanenten Ausnahmenzustand („permanent state of emergency“) befände, in dessen Rahmen der nationale Sicherheitsstaat die einzige Lebensversicherung für die Bewohner der USA darstelle. Diese Lebensversicherung sei es, die verschiedenen Mechanismen der Securitization, die in unterschiedlichen Formen in allen anderen Vorträgen dargeboten wurden, rechtfertige.

Den Veranstaltern gelang es insgesamt, die komplexen Fragestellungen und damit verbundenen Forschungsdiskurse aus verschiedenen, sich ergänzenden Perspektiven zu thematisieren. Gleichzeitig stellt sich bei einer so breit angelegten Tagung auch die Frage nach der Gewichtung einzelner Aspekte – dies wurde in der abschließenden Diskussion noch einmal problematisiert. So müsse der Sicherheitsbegriff stärker auf interne und externe Akteure hin analysiert werden, was wiederum die Bedeutung von Nationen ins Blickfeld rücke. Gleichzeitig sei es notwendig, Zäsuren der Geschichte ausfindig zu machen, die das Verständnis derartig breiter Begriffe nachhaltig prägen und verändern – der 11. September ist hierbei nur ein Beispiel von vielen. Auch die Frage der Perspektivität sei stärker zu berücksichtigen: Sicherheit bedeute eben auch Unsicherheit oder führe möglicherweise gar zu Widerstand gegen Sicherheit. Dass damit die Frage nach Instrumentalisierbarkeit verbunden ist, liegt auf der Hand und stellt gerade die Geschichtswissenschaft vor ständige Herausforderungen. Wertvolle und thematisch vielfältige Einblicke in diese konnten auf der Tagung gewonnen werden.

Konferenzübersicht:

Organisation und Einführung: Prof. Dr. Michaela Hampf (FU Berlin) und Prof. Dr. Barbara Lüthi (Universität zu Köln)

Sektion I: Colonialism and Security
Vorsitz: Michael Wala, Ruhr-Universität Bochum; Martin Gabriel, Universität Klagenfurt: Indian Wars in the American West – Armed Conflict at the Nexus of Colonial Warfare and Internal Stability

Fabian Klose, Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz: “Above all, yield valuable lessons for the future“ – The Wars of Decolonization as a Model for Counterinsurgency

Keynote Address: Franny Nudelman, Carleton University Ottawa: Sleeping Soldiers: Experiments in Militarism and Resistance

Sektion II: American Occupations in the Philippines and Japan
Vorsitz: Jürgen Martschukat, Universität Erfurt

Christa Wirth, Universität Zürich: Whose Nationalism is it Going to Be? Battling Over the Role of Philippine Nationalist José Rizal

Brian McAllister Linn, Texas A&M University/American Academy Berlin: Accommodating ‘The Oriental Social Evil’: Prostitution, Sexuality Transmitted Diseases, and American Soldiers in two Asian Occupations

Sektion III: Military Presence, Gendered Security and Everyday Life
Vorsitz: Philipp Gassert, Universität Augsburg

Frauke Brammer, FU Berlin, Security and Violence in ‚Klein Kanada’: The Canadian Military Community in West Germany, 1951–1993

Young Academics Forum: Parallel Workshops
Leitung: Britta Waldschmidt-Nelson, Michael Hochgeschwender, Nadine Klopfer

Referenten: Stephanie Nowitzki (Ruhr-Universität Bochum), Bernhard Sassmann (Universität Augsburg), Mathias Großklaus (FU Berlin), Sabine Buchczyk (LMU München), Xiaohui Liu (LMU München), Darius Harwardt (Ruhr-Universität Bochum), David Franz (Universität Regensburg)

Sektion IV: Interventions in the Name of Security
Vorsitz: Georg Schild, Universität Tübingen

Klaas Voß, Hamburger Institut für Sozialforschung: Washington’s Mercenaries of the Cold War – Private Warriors in U.S.Covert Interventions, 1964–1987

Bianka J. Adams, Office of History USACE: Iraq 2009: From Leading to Partnering to Overwatch

Florian Böller, TU Kaiserslautern: Defining National Interests in Military Interventions: The Cases of Iraq 1991 and Libya 2011

Sektion V: Legitimizing Security Abroad and at Home
Vorsitz: Jörg Nagler, Universität Jena

Markus Kienscherf, FU Berlin: Securitizing Dissent: The Pacification of Political Protest in the United States

Jens Kabisch, LMU München: National Security and the Pauline Threshold: Barack Obama and the Redoing of the American Empire

Bernd Greiner, Hamburger Institut für Sozialforschung: The Controversies Concerning National Security Since 1914: On Vigilantes and Scaremongers in the US


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