Agostino Steffani: Europäischer Komponist und hannoverscher Diplomat der Leibniz-Zeit

Agostino Steffani: Europäischer Komponist und hannoverscher Diplomat der Leibniz-Zeit

Organisatoren
Musikwissenschaftliches Institut der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover; Leibniz- Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen beim Leibniz-Archiv der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover; Leibniz-Stiftung Hannover; VolkswagenStiftung
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2014 - 20.09.2014
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Von
Claudia Kaufold, Forum Agostino Steffani, Hannover / Oldenburg

Mit einem internationalen und interdisziplinären Symposium wurde das „Forum Agostino Steffani“ (FAS) vom 19. bis 20. September 2014 im Schloss Herrenhausen eröffnet. Das FAS ist ein Kulturprojekt zur umfassenden Darstellung der Hofkultur – und insbesondere der Hofmusikkultur – des Welfenhauses in Hannover zwischen 1665 und 1714. Agostino Steffanis (1654–1728) Wirken als Hofkapellmeister, Diplomat und Bischof kann für den hannoverschen Hof, wo er von 1688-1703 unter den Herzögen bzw. Kurfürsten Ernst August und Georg Ludwig tätig war und die gesamte Hofkultur mit prägte, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Anlass dieses Symposiums war das neu erwachte Interesse am kosmopolitischen Barockkomponisten, der in der Forschung bisher meistens durchs nationale wie durchs konfessionelle Raster gerutscht war. Außerdem stehen Steffani und seine hannoversche Dienstzeit für die Epoche unmittelbar vor der englischen Sukzession, der hannoverschen Thronfolge in England, die sich nun zum 300. Mal jährt.

Das Symposium stand unter der musikwissenschaftlichen Leitung von Colin Timms (Birmingham, GB) und Nicole K. Strohmann (Hannover). Wissenschaftliche Leiterin des interdisziplinären Teils war die Historikerin Claudia Kaufold (Oldenburg).

Der erste Themenblock befasste sich mit „Steffani und Kirche: Musik und Politik”. COLIN TIMMS (Birmingham, GB) untersuchte aus biographischer Perspektive Steffanis geistliche Werke in Hinblick auf seine Opern und die Kammermusik: Er setzte dessen ekklesiastische Karriere in Beziehung zu den Tätigkeiten als Komponist und Diplomat. Timms wies insbesondere darauf hin, dass Steffanis Alterswerk, das Stabat Mater, das einzige größere Werk seiner Laufbahn ohne Auftrag gewesen sei, und vermutete, es könne eine Reaktion auf den Tod des englischen Königs George I. gewesen sein, mit dem der Komponist lange Jahre verbunden gewesen war. Gleichzeitig kann ein Motiv auch Dankbarkeit für das Amt des Präsidenten bei der neu gegründeten Academy of Ancient Music gewesen sein. Ein dritter Entstehungsgrund mag die Wiederzulassung dieses Stückes, das nach dem Tridentinum aus der Liturgie entfernt worden war, in den Ritus gewesen sein. Diesen Bogen führte MICHAEL F. FELDKAMP (Berlin) fort und setze sich mit der Spannung zwischen Steffanis kirchlichem Amt und seinen Tätigkeiten als Musiker und Diplomat auseinander. Das Bischofsideal des Trienter Konzils mit seiner weltlichen Karriere in Einklang zu bringen, galt trotz persönlicher Frömmigkeit als Herausforderung. Steffani, der zum Zeitpunkt seiner Priesterweihe mit 25 Jahren gerade das nötige Mindestalter erreicht hatte – was für eine Weihe aus finanziellen Erwägungen sprechen könnte –, galt vor seiner Bischofsweihe nicht als besonders frommer Mann. Die These, Steffani sei kein Seelsorger gewesen – weder nach zeitgenössischem noch nach heutigem Verständnis – gab in gewisser Weise die Marschrichtung der folgenden engagierten Diskussionen vor.

Der zweite Block widmete sich „Steffani und Kirche: Religion und Politik“. BETTINA BRAUN (Mainz) beschrieb die Bedingungen, die durch die spezifische Gestalt der Reichskirche im Nordwesten mit ihren zahlreichen Bistumskumulationen und der Dominanz des Hauses Bayern dazu führten, dass den Weihbischöfen für die geistliche Versorgung der Bistümer eine überdurchschnittliche Bedeutung zukam. Es gelang ihr, Steffanis konkrete Tätigkeit als Weihbischof in den Bistümern Paderborn und Münster plastisch werden zu lassen. Von „Seelsorge“ kann man allerdings weniger sprechen, wenn es darum ging, an einem Termin beispielsweise mehrere Hundert Priester zu weihen. Die Referentin wies ferner auf das Detail hin, dass der Bischof von Spiga nie offiziell als Weihbischof bestellt wurde, was eine Vergütung durch den Bischof von Münster erfordert hätte, sondern er wirkte als „De-facto-Weihbischof“ gegen Kost und Logis, die er auf den Schlössern Neuhaus und Ahaus erhielt. HANS GEORG ASCHOFF (Hannover) steckte den Rahmen von Steffanis seelsorglicher Tätigkeit als apostolischer Vikar des Nordens ab. Dieser wurde von oben durch die protestantische Regierung begrenzt, von unten durch die einzelnen katholischen Gemeinden und den Ordensklerus in ihrem Streben nach Selbständigkeit. Der Referent bekräftigte, dass der Bischof von Spiga eher nicht dem tridentinischen Ideal entsprach, was aber für damalige deutsche Verhältnisse typisch gewesen sei. Das Amt des apostolischen Vikars lag ihm dennoch am Herzen, trotz Niederlagen und Enttäuschungen. Dass er es schaffte, überdauernde Diasporagemeinden zu etablieren, kann darum als großer Erfolg gewertet werden. MARGHERITA PALUMBO (Rom) skizzierte die Bemühungen des Apostolischen Vikars des Nordens, einzelne Fürsten in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen. Die Quellengrundlage, Steffanis in einem sehr lebhaften und „theatralischen“ Italienisch geschriebene Berichte an die Kurie, konnte sie genau so spannend vorstellen. Ferner machte sie das politische Netz aus, dass diese Missionsversuche unterstützte: Der hervorragende Förderer war und blieb der Pfälzer Kurfürst Johann Wilhelm. Fehlschläge überwogen; aber auch brüske Zurückweisungen und Häme, die dem Missionar – zum Beispiel am Berliner Hof – entgegenschlugen, konnten seinen Eifer nicht dämpfen.

Die dritte Sektion behandelte „Steffani in Hannover: Politik, Musik und Hofkultur I“. ARND REITEMEIER (Göttingen) gab einen Überblick über den Aufstieg des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg zum Kurfürstentum: durch diplomatisches Geschick wie auch durch militärisches Agieren – dem aber meist pragmatische Geldzahlungen zuvorkamen, was letztlich günstiger war, als die Verheerung des Gebietes in Kauf zu nehmen. Reitemeier machte deutlich, welche ökonomischen Ressourcen, z.B. die Weserzölle und die Harzbergwerke, dieses Agieren überhaupt erst ermöglichten, welchen Rang Hannover damals auf der europäischen Bühne einnahm und wie bedeutsam also sowohl die musikalische als auch die diplomatische Tätigkeit im Dienste dieses Fürstentum waren. CLAUDIA KAUFOLD (Oldenburg) führte im Anschluss die Perspektive wieder auf Steffani zurück. Sie ordnete Steffani systematisch in die diplomatische Hierarchie Hannovers ein und zeigte, dass er unter den Kollegen in mehrerlei Hinsicht ein Fremdkörper blieb. Trotzdem erwarb er sich Verdienste in seinem klar umrissenen Arbeitgebiet: Sein vornehmlicher Auftrag war, die katholischen Kurfürstentümer – besonders Bayern und Köln – für die neue Kur zu gewinnen. Dass der Kapellmeister überhaupt in den höchstmöglichen Rang aufsteigen konnte, lag an den klaren Forderungen des Kaiserhofes. Seine Dienstzeit wurde dann durch die Ereignisse des Spanischen Erbfolgekrieges beendet, als keine Verhandlungen mit seinen hauptsächlichen Partnern mehr möglich waren. NICOLE K. STROHMANN (Hannover) befasste sich mit Steffanis Opernkompositionen an der Schnittstelle zwischen Musik und Politik. Sie arbeitete heraus, inwiefern die hannoversche Politik sich des musikalischen Theaters bediente, um angesichts der angestrebten Kurwürde ihrem gesteigerten Repräsentationsbedürfnis nachzukommen sowie ihren Machtanspruch zu kommunizieren und welche Rollen Agostino Steffani dabei spielte. Als Desiderat der Forschung stellte sich das Zusammenwirken zwischen dem Komponisten und seinem Librettisten, für Steffanis hannoversche Opern jeweils Ortensio Mauro, heraus. Für die erste Oper im Leineschloss, Henrico Leone von 1689, ist außerdem auch noch nach Leibniz´ Mitwirken zu fragen.

Der nächste Themenblock setzte diese Gedanken fort. HELEN COFFEY (Milton Keynes, GB) stellte die Anwerbepraxis für die italienischen Sänger und Instrumentalisten während Steffanis Dienstzeit als Kapellmeister vor und zeichnete die Verbindungen zwischen Hannover und anderen Musikzentren nach. Möglich machten dies von der Referentin neu entdeckte Einträge über die Anreisen von Musikern und ihren Familien in den Kammerrechnungen, die im Hauptstaatsarchiv Hannover aufbewahrt werden. Ebenfalls um das Musikerpersonal ging es im Vortrag von REINMAR EMANS (Hamburg). Er schilderte mit lebendigen Zitaten Vorgänge in der rein deutsch besetzten Hofkapelle des welfischen Hofes in Bevern um 1677. Die relativ kleine Kapelle wurde regelmäßig durch Musiker aus Hannover ergänzt. Die Künstler konnten sich in Bevern allerdings nicht ausschließlich auf ihre Musik konzentrieren, da sie Gefahr liefen, eingesperrt oder anders gebeutelt zu werden, und sich dem gelegentlich nur durch spektakuläre Ausbruchsversuche entziehen konnten. Insofern geriet der fokussierte Blick auf das Musikerpersonal eher zum Psychogramm von Ferdinand Albrecht I., dem Statthalter der Herzogslinie zu Braunschweig-Wolfenbüttel. RASHID S. PEGAH (Würzburg) präsentierte neu aufgefundene Quellen zu Agostino Steffani aus der frühen Münchner und der Düsseldorfer Zeit. Als Dank für geleistete Agentendienste hatte Steffani auf Vermittlung von Kurfürst Maximilian Emmanuel von Bayern die Abtei Löpsingen nahe Nördlingen als Sinekure-Pfründe erhalten. Diese Einkünfte teilten sich bereits interimistisch Fürst Albrecht Ernst von Oettingen-Oettingen und das Augsburger Domkapitel, weswegen der Italiener zeitlebens nur mühsam zu seinem Recht kam. Er fühlte sich regelrecht verfolgt von dem Fürsten. Eine neue Erkenntnis war nun, dass dessen Tante Christine Charlotte, verheiratete Fürstin von Ostfriesland und dem Kreis der Kurfürstin Sophie in Hannover zugehörig, sich für die Belange des Abbé de Lepsing einsetzte. Außerdem schilderte Pegah den vergeblichen Abwerbungsversuch des Berliner Hofes, der den Sänger Pier Francesco Tosi von Düsseldorf an die Residenz Lietzenburg (Charlottenburg) ziehen wollte.

Die nächste Sektion „Steffani und Musik: Theorie und Praxis” eröffnete MICHAEL KEMPE (Hannover). Er ging der Frage nach der Vielschichtigkeit der Bedeutung der Musik für Steffanis Zeitgenossen Gottfried Wilhelm Leibniz nach. Dabei nahm er die Musikmetaphorik im Zusammenhang mit Leibniz´ metaphysischer Philosophie in den Blick. Als begeisterten Musiker hatte man Leibniz bisher nicht wahrgenommen. Performation kann man in seinem Fall wohl ausschließen, zur Rezeption sind immerhin seine Lieblingsinstrumente (Saiteninstrumente und Harfe) überliefert, und zur Perzeption hat er einlässliche Theorien entwickelt. Ein Austausch über Musik zwischen dem Philosophen und dem Komponisten lässt sich leider nicht belegen. Nach dieser Einführung befasste sich STEPHEN ROSE (London) mit Steffanis musiktheoretischem Schaffen und ordnete es in den philosophiegeschichtlichen Zusammenhang ein. Er wertete Steffanis Schrift „Quanta certezza habbia da' suoi principii la musica ...“ als Beitrag zur deutschen Debatte um 1700, die vornehmlich zwischen dem Hamburger Kritiker Johann Mattheson und dem Erfurter Organisten Johann Heinrich Buttstett geführt wurde. Dabei berief sich Steffani auf zahlreiche antike Autoren. Offen blieb die Frage, warum er dies in italienischer Sprache tat, weswegen als Adressat auch eine italienische Akademie in Frage käme. Rose überraschte in seinem sehr engagierten Vortrag mit dem Ergebnis, dass Steffani einer der am häufigsten zitierten Autoren deutscher Musiktheorie des frühen 18. Jahrhunderts gewesen ist. REINHARD STROHM (Oxford, GB) verglich Steffanis italienisch-französische, deutsch geprägte Stilsynthese mit der Absorption der italienischen Renaissancekultur des 16. Jahrhunderts in Zentraleuropa, selbst ein "Kulturtransfer", bei dem sich das transferierte Gut entscheidend verwandelte. Er schnitt auch an, dass die teilweise philosophischen Libretti schneller dem Zeitgeschmack anheim fielen als Steffanis Anlage der musikalischen Dramaturgie.

„Steffani und Europa: Italien, Frankreich, Deutschland I“ war die folgende Sektion betitelt. BERTHOLD OVER (Mainz) stellte die Frage, welche Spuren Steffanis Kammerduette und Kantaten im römischen Musikkosmos hinterlassen haben. Er konstatierte die fehlende Rezeption von Steffanis vokaler Kammermusik, die ihm zufolge sowohl biographische als auch musikalische Gründe zu haben scheint. Korrespondenzen mit den beiden bedeutenden Musikförderern, den Kardinälen Ottoboni und Pamphili, sind zwar erhalten, aber beide scheinen keine Noten des in Deutschland wirkenden Komponisten aufbewahrt zu haben. GRAHAM SADLER (Hull, GB) widmete sich dem Einfluss französischer Opern auf Steffanis Schaffen. Als Angehöriger des Münchner Hofes hatte Steffani Zutritt zum Hof Ludwigs XIV., dem er auf dem Cembalo vorspielte. Er nahm auch an Gottesdiensten in der Schlosskapelle teil und hörte Opern von Lully, wobei ein engerer Kontakt zu seinem Landsmann nicht belegt ist. Dies hinterließ trotzdem Spuren in Steffanis Kompositionen, was Sadler anhand ausgewählter Sätze der Münchner und Hannoveraner Opern verdeutlichte. Genauso deutlich wurde auch, dass der Italiener daraus etwas durchaus Eigenes schuf. Ein Anzeichen dafür, wie er einerseits ganz sicher gehen wollte, dass die Musiker genau seine Ideen umsetzen sollten, wie er andererseits aber auch die einzelnen Mitwirkenden in den Blick nahm, zeigt sich in den eigenhändigen Partituren an den französischen Anweisungen für die Instrumentalisten und den italienischen für die Sänger. MATTHEW GARDNER (Heidelberg) beschrieb Steffanis Kompositionsvorgang einerseits als von den technischen Möglichkeiten der vorhandenen Sänger geprägt. Andererseits wurden die Sänger auch entsprechend Steffanis speziellen Anforderungen in Italien angeworben. Diese gegenseitige Beeinflussung brachte typische Besonderheiten in Steffanis Opernstil vor, die sich von dem anderer Komponisten unterscheiden. Gardner untersuchte das fast ausschließlich italienische Sängerpersonal in Steffanis hannoverschen Opern von 1689 bis 1695 und konnte beispielsweise nachweisen, dass einige Sänger bereits in Steffanis Münchner Opern gesungen hatten.

Mit „Steffani als Vorbild“ war der dritte Block überschrieben. WOLFGANG HIRSCHMANN (Halle) erläuterte zunächst Steffanis Rezitativkomposition – durchaus Neuland in der Steffani-Forschung –, um dann deren Rezeption in der Opernkomposition und in der theatralischen Kirchenmusik zu untersuchen. Der Vortragende wies auf die lohnende Forschungsfrage hin, inwieweit Georg Philipp Telemann von Steffanis Rezitativen profitiert habe. JOHN H. ROBERTS (Berkeley, CA) stellte die Frage nach Händels Quellen, der Steffanis Opern vor allem in deutscher Übersetzung kannte, Abschriften einzelner Auszüge verwendete oder seiner Erinnerung folgte. Für die hannoverschen Opern unternahm Roberts die Mühe der Zuordnung und Besitzgeschichte. Anhand 13 ausgewählter Beispiele aus vier hannoverschen Opern konnte er im Detail die teilweise mehrfache Übernahme nachzeichnen.

Im letzten Themenblock ging es um „Steffani: Edition und Rezeption“. HANSJÖRG DRAUSCHKE (Halle) stellte das lang angelegte Projekt einer kritischen Gesamtausgabe der erhaltenen Bühnenkompositionen von Agostino Steffani vor, die am musikwissenschaftlichen Institut der Universität Halle-Wittenberg bearbeitet werden soll. Die Edition würde eine breite Materialbasis für weiterführende Forschungen zur Verfügung stellen. SILKE LEOPOLD (Heidelberg) diskutierte die Bedeutung der Rezeptionshistorie für die Wahrnehmung und die Beurteilung von Steffanis Musik. Er habe sich nie festlegen lassen, sich immer zwischen den Welten bewegt, die sich ansonsten voneinander abgrenzten. Für die deutschen Musikwissenschaftler zählte er als Italiener, die italienischen Kollegen haben ihn aus dem Blick verloren, weil er in Deutschland wirkte. Auch der Blick in die Gegenwart fehlte nicht: Die Vermarktungsstrategien der jüngsten CD-Einspielungen von Cecilia Bartoli und des Romans über Steffani von Donna Leon wurden kritisch betrachtet.

Diplomatiegeschichte, Biographieforschung oder landeskundliche Perspektiven standen lange Jahre weniger auf der historischen Forschungsagenda. Mittels neuer Perspektiven und interdisziplinärer Fragestellungen stellt die Kontextualisierung höfisch-politischen Handelns jedoch gegenwärtig wieder ein attraktives Thema dar. Gefordert wurde unlängst, auch „Personen aus der zweiten Reihe“ und nicht nur Fürsten zu erforschen. Zu diesem Aufgabenfeld gehört auch Agostino Steffani: als Figur an der Schnittstelle von Kunst und Kultur, von Konfessionen, sozialen und nationalen Identitäten. Was die Musikwissenschaft anbelangt, zeigte das Symposium, dass noch sehr viel Forschung zu leisten ist. Die kritische und historische Bewertung von Steffanis Musik hinkt weit hinter der vieler seiner Zeitgenossen hinterher. Das würde ein besseres Verständnis für Steffanis Leistungen als Komponist in Hinblick auf den nationalen, sozialen und musikalischen Kontext ermöglichen.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und thematische Einführung

Wilhelm Krull (Generalsekretär der VolkswagenStiftung), Begrüßung

Susanne Rode-Breymann (Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover), Grußwort

Claudia Kaufold (Oldenburg) / Nicole K. Strohmann (Hannover), Begrüßungsansprache

Colin Timms (Birmingham), Thematische Einführung

Steffani und Kirche: Musik und Politik

Colin Timms (Birmingham), Steffani and His Church Music

Michael F. Feldkamp (Berlin), Agostino Steffani – ein Mann der Kirche? Zwischen eigener Spiritualität und kirchlicher Hierarchie

Steffani und Kirche: Religion und Politik

Bettina Braun (Mainz), Die Reichskirche im Nordwesten um 1700: Bedingungen für die Tätigkeit Agostino Steffanis als Weihbischof in Münster und Paderborn

Hans Georg Aschoff (Hannover), Steffani als apostolischer Vikar des Nordens: Grenzen und Möglichkeiten seines Amtes

Margherita Palumbo (Rom), „Il gran Negotio“. Die theatralischen Konversionsprojekte von Agostino Steffani

Steffani in Hannover: Politik, Musik und Hofkultur I

Arnd Reitemeier (Göttingen), Hannover im europäischen Konzert: das Gewicht Hannovers in Europa vor der englischen Sukzession

Claudia Kaufold (Oldenburg), „Unser Envoyé Extraordinaire am kurbayerischen Hofe“: der Diplomat Agostino Steffani

Nicole K. Strohmann (Hannover), Der Widerhall politischer Ereignisse in Steffanis Opern – ein komponierender Politiker oder ein politisierender Komponist?

Steffani in Hannover: Politik, Musik und Hofkultur II

Helen Coffey (Milton Keynes), Musicians for Steffani’s Hanover Operas: Italian Singers and Instrumentalists of the Electoral Court

Reinmar Emans (Hamburg), Das Musikerpersonal in Hannover und Wolfenbüttel/Braunschweig. Ein fast unmöglicher Vergleich

Rashid S. Pegah (Würzburg), Neu aufgefundene Quellen zu Steffanis Leben und Werk

Steffani und Musik: Theorie und Praxis

Michael Kempe (Hannover), „Auch der Zitherspieler wird verlacht, wenn er immer auf derselben Saite spielt.“ Zur Bedeutung von Musik und Musikmetaphorik bei G. W. Leibniz

Stephen Rose (London), The Contest of Reason versus Sense: Steffani and German Musical Thought, 1695-1725

Reinhard Strohm (Oxford), Steffani und die Oper in Deutschland

Steffani und Europa: Italien, Frankreich, Deutschland

Berthold Over (Mainz), Spurensuche. Agostino Steffanis vokale Kammermusik und Rom

Graham Sadler (Hull, GB), Steffani and the French Style

Matthew Gardner (Heidelberg), Steffani's Italian Opera Singers in Hanover: Recruitment and Vocal Style

Steffani als Vorbild

Wolfgang Hirschmann (Halle), Steffanis Rezitativ: Ein Modell für deutsche Komponisten?

John H. Roberts (Berkeley, CA), Steffani's Hanover Operas as Handel Sources

Steffani: Edition und Rezeption

Hansjörg Drauschke (Halle), Steffanis Opern: Herausforderungen an eine Gesamtausgabe

Silke Leopold (Heidelberg), Zwischen den Stühlen oder: Wem gehört Agostino Steffani? Zur Steffani-Rezeption in Italien und Deutschland

Abschlussdiskussion
Leitung: Claudia Kaufold (Oldenburg); Nicole K. Strohmann (Hannover); Colin Timms (Birmingham); Martina Trauschke

Führung durch die Basilika St. Clemens
Martin Tenge (Regionaldechant in Hannover)