"Soziallabor" oder "Sonderfall"? Die Stadt Wolfsburg in der deutschen Nachkriegsgeschichte

"Soziallabor" oder "Sonderfall"? Die Stadt Wolfsburg in der deutschen Nachkriegsgeschichte

Organisatoren
Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation Wolfsburg
Ort
Wolfsburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.11.2013 - 29.11.2013
Url der Konferenzwebsite
Von
Marcel Glaser, Universität Kassel

Die Stadt Wolfsburg stand seit 1945 unter einer ständigen Beobachtung. Immer wieder widmeten sich Soziologen, Architekten, Stadtplaner und Historiker der Erforschung der Stadt. Was weckte das Interesse der Wissenschaft an der „Volkswagenstadt“? Im Rahmen des am Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) angesiedelten Forschungsprojekts „Wolfsburg auf dem Weg zur Demokratie“ fand im Wissenschaftsmuseum phæno eine Konferenz statt, die nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik und der Entwicklung der Stadt Wolfsburg fragte. Die Vorträge zu verschiedenen Themen der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte wurden von „lokalen Interventionen“ begleitet, die sich dem jeweiligen Thema aus Wolfsburger Sicht annahmen.

In einer kurzen Einführung gab GÜNTER RIEDERER (Wolfsburg) einen Überblick über die Geschichte der Stadt und stellte das Forschungsprojekt „Wolfsburg auf dem Weg zur Demokratie“ genauer vor. Die Gründung der „Stadt des KdF-Wagens“ am 1. Juli 1938 sowie ihre Umbenennung in Wolfsburg am 25. Mai 1945 waren zunächst Verwaltungsakte. Die zweifache Stadtgründung durch bürokratisches Handeln von oben hat in der Bundesrepublik nur wenige Vorbilder. In ihren Anfangsjahren wurde die Stadt als wenig attraktiv wahrgenommen, die Wohnsituation war desolat. Sie war ein Provisorium – wie die gesamte Bundesrepublik. Erst in den 1950er-Jahren hat sich die Einstellung zu Wolfsburg gewandelt. Das Wirtschaftswunder verwandelte die einstige Barackenstadt in eine „Goldgräber“-Metropole. Das Forschungsprojekt verfolgt einen umfassenden Ansatz und versucht das methodische Instrumentarium der Stadtgeschichtsschreibung in seiner ganzen Breite zu berücksichtigen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie aus ehemals überzeugten Parteigängern der NSDAP aktive demokratische Stimmbürger wurden, und wie die Mechanismen dieses Wandlungsprozesses im Kleinen aussahen.

AXEL SCHILDT (Hamburg) behandelte in seinem Beitrag die westdeutsche Gesellschaft der 1950er- und 1960er-Jahre. Den 1950er-Jahren attestierte er ein „doppeltes Gesicht“, welches sich auf der einen Seite durch beginnende Demokratisierung und eine Phase rasanter wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen auszeichnete. Andererseits waren sie geprägt von Kontinuitäten, die sich nicht nur auf die Karriere ehemaliger NS-Eliten beschränkten. So bestanden weiterhin autoritäre Wertmuster, während der beginnende Automobilboom und das im Entstehen begriffene Fernsehen Ende der 1950er-Jahre den Beginn der Moderne andeuteten. In den 1960er-Jahren waren die Umrisse einer neuen Gesellschaft zu erkennen. Die Entstehung der Dienstleistungsgesellschaft und einer kritischen Öffentlichkeit („Spiegel-Affäre“), aber auch die Zunahme weiblicher Erwerbstätigkeit sowie der Eigenheim- und Babyboom waren Kennzeichen einer dynamischen Zeit, die auch durch vergangenheitspolitische Auseinandersetzungen (Eichmann-Prozess) und politische Veränderungen (Ende der Ära Adenauer, Große Koalition) das Ende der Nachkriegszeit markierte.

MANFRED GRIEGER (Wolfsburg) verwies auf die paradoxe Situation, dass sich der Nationalsozialismus in der „Stadt des KdF-Wagens“ als „Unfähigkeitsregime“ erwiesen habe, die Stadt Wolfsburg dadurch aber nach 1945 erst zur Symbolstadt des deutschen Wirtschaftswunders aufsteigen konnte. Dennoch habe es personelle NS-Kontinuitäten in Werk und Stadt gegeben. Im Zuge des Wiederaufbaus glaubte man wegen ihrer Berufserfahrung auf die Gruppe ehemaliger NSDAP-Mitglieder nicht verzichten zu können, weshalb ihre Verstrickung in das NS-System relativierend umgedeutet wurde. Das „Gespür für Gemeinsamkeiten“ (Zugehörigkeit zur NSDAP, Kriegseinsatz, Gefangenschaft, Entnazifizierung) brachte Menschen mit ähnlichen Lebenswegen zusammen und führte zu einer „Schwatzgemeinschaft“, die nur dort ihre Grenzen fand, wo es um Verbrechen ging. In Wolfsburg hatte der wirtschaftliche Erfolg des Werks verbunden mit der Unternehmenspolitik des übermächtigen Industriepatriarchen Heinrich Nordhoff einen Wohlstand geschaffen, der dazu führte, dass sich in der Stadt kein autonomes Bürgertum herausgebildet habe. Konfliktfelder wurden bewusst ausgelassen oder umgedeutet, um das Bild einer Stadt heraufzubeschwören, die aus Konflikten und Schwierigkeiten herausgewachsen war. In Wolfsburg herrsche seit der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Art „immerwährende“ Große Koalition.

Die Entnazifizierung sollte das Ausmaß der NS-Verbrechen deutlich machen und zugleich Sühne und Rehabilitation bewirken, erklärte ANGELA BORGSTEDT (Mannheim). Dabei war bereits früh klar, dass die Transformation der diktatorischen in eine demokratische Ordnung nicht gegen die Millionen Mitläufer gelingen konnte. Die Entnazifizierung wurde in den vier Besatzungszonen in unterschiedlichem Ausmaß durchgeführt. Die oftmals überlasteten Spruchgerichte waren ein Kampfplatz, auf dem es nicht um individuelle Schuld, sondern um Vergangenheitspolitik und Nachkriegskarrieren ging. Die Entnazifizierung blieb für die Deutschen ein negativ konnotiertes Unternehmen, was sich nicht zuletzt im zeitgenössischen Begriff vom „Nürnberg des kleinen Mannes“ widerspiegelte.

ULF HANKE (Löhne/Westfalen) berichtete über die Entnazifizierung im Volkswagenwerk. Diese war für Major Ivan Hirst, der das Werk für die britische Besatzungsmacht von 1945 bis 1949 als „Senior Resident Officer“ geleitet hatte, „eine unangenehme Aufgabe“ gewesen, weil sie Unruhe erzeugt und so Hirst bei seiner Aufgabe des Betriebsaufbaus behindert hat. Daher bemühte sich Hirst um eine schnelle Entnazifizierung der Belegschaft und konnte bereits im Januar 1946 deren Ende vermelden. Doch das Verfahren stieß auf Kritik der Control Comission of Germany. In der Folge wurden deutsche Unterausschüsse gebildet, die über die weitere Verwendung der Werksangehörigen zu entscheiden hatten. Während die erste Entnazifizierungswelle wirkungslos verebbt war, traf die zweite Welle vor allem untere und mittlere Arbeiter hart. Produktion und Stimmung im Werk sanken. Der „Entnazifizierungsschock“ führte zu einem rechten Klima in Wolfsburg und fand seinen Ausdruck unter anderem im Wahlsieg der „Deutschen Rechts-Partei“ (DRP) bei den Kommunalwahlen im November 1948.

Mit den Heimatvertriebenen als Faktor der Politik in der Nachkriegszeit beschäftigte sich MICHAEL SCHWARTZ (Berlin). Die DDR kannte keine Vertriebenenpolitik, sondern nur eine entschädigungslose Umsiedlerpolitik, deren Ziel die politische Zwangsassimilierung an das SED-Regime war. In der Bundesrepublik stellten die Vertriebenen hingegen einen politischen Faktor dar. Das Soforthilfegesetz (1949-1952) sowie das Lastenausgleichsgesetz (1952) ließen ihnen umfangreiche finanzielle Entschädigungen zukommen. Landsmannschaften und Traditionsverbände hielten das Recht auf eigene Heimat hoch. Ihre Integration in die westdeutsche Gesellschaft galt lange Zeit als Erfolgsgeschichte. Erst jüngere Studien betonen, dass dem Verlust der Heimat die bittere Erfahrung von Ausgrenzung und Diskriminierung durch die eigenen Landsleute folgte.

Wolfsburg bildete nach dem Kriegsende wegen der Aussicht auf Arbeit einen Anlaufpunkt vieler Flüchtlinge, betonte ARNE STEINERT (Wolfsburg). Statistische Erhebungen stellten im Jahr 1961 einen Anteil von 57 Prozent von Flüchtlingen an der Gesamtbevölkerung Wolfsburgs fest. Allerdings blieb die Stadt vor allem in der Zeit unmittelbar nach 1945 wegen der katastrophalen Wohnsituation oft nur eine Durchgangsstation. Wolfsburg wurde für die verschiedenen Flüchtlingsgruppen zum Schmelztiegel, weil es dort weniger Konflikte als in traditionsreichen Städten mit etablierten Bevölkerungsgruppen gab. Zwar waren die Flüchtlinge sich untereinander fremd, doch wirkte das gemeinsame Flüchtlingsschicksal („alle hatten nichts“) einigend. Im „Wirtschaftswunderunternehmen“ Volkswagen fand jeder Arbeit, zudem führte die Mitwirkung am Stadtaufbau zur Herausbildung einer neuen Identität in der Bevölkerung, die auch die Vertriebenen mit einschloss.

Am Abend des ersten Konferenztages las der Publizist und Schriftsteller MICHAEL RUTSCHKY (Berlin) aus seinem im Jahr 2012 bei Suhrkamp erschienen „Merkbuch“. Im Anschluss an die Lesung fand ein Gespräch mit dem Autor statt, das JUSTIN HOFFMANN (Wolfsburg) und GÜNTER RIEDERER (Wolfsburg) führten. Die Diskussionen kreisten dabei um die Frage der Authentizität des Buches sowie die Bedeutung der Provinz für die Geschichte der Bundesrepublik. Einig waren sich alle Diskutanten in der Frage, dass das „Merkbuch“ in seiner Mischung aus literarischer Fiktion und autobiografischem Bericht eine Bereicherung für historische Fragestellungen sein kann.

Dass die Stadtplanung der Nachkriegszeit im Wesentlichen auf Plänen der NS-Zeit beruhte, stellte der Beitrag von DIETER BARTETZKO (Frankfurter Allgemeine Zeitung) dar, dessen Manuskript wegen der kurzfristigen Erkrankung des Referenten verlesen werden musste. Insbesondere Düsseldorf, wo Friedrich Tamms, der zuvor bei Albert Speer mit der Neugestaltung Berlins beschäftigt war, den Wiederaufbau organisierte und zahlreiche ehemalige Kollegen um sich scharte (unter anderem Julius Schulte-Frohlinde), entwickelte sich zu einer Hochburg ehemaliger NS-Architekten. Doch auch andere Städte griffen auf die NS-Pläne zurück. Nach 1945 wurden diese Entwürfe aus einer Mischung von Neoklassizismus und Gartenstadtidylle weitergeführt.

Wolfsburg sei zwar eine Stadtgründung der NS-Zeit, die Stadt sei dann aber zu einem Symbol der „Nachkriegs-Moderne“ geworden, erklärte NICOLE FROBERG (Wolfsburg). Das Wirken zahlreicher berühmter Architekten wie Alvar Aalto und Hans Scharoun habe die Stadt entscheidend geprägt. Besondere Wertschätzung erfuhr das von dem Wolfsburger Architekten Titus Taeschner erbaute Rathaus (1955 bis 1958). Der kubische Baukörper, die gläserne Fassade, die funktionale Teilung sowie das Flachdach sind architektonische Elemente, in denen sich das Demokratieverständnis dieser Zeit wiederspiegelt. Die Idee der „funktionalen Stadt“, der „Stadtlandschaft“ sowie die Orientierung an skandinavischen Vorbildern und der Interbau-Ausstellung in Berlin 1957 hinterließen ihre Spuren im Stadtbild, weshalb Wolfsburg im Hinblick auf die moderne Architektur eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik einnehme.

Die Auswirkungen der innerdeutschen Grenze auf die „alte" Bundesrepublik war Thema des Beitrags von ASTRID M. ECKERT (Atlanta/USA). Die wachsende Verfestigung der Grenze schaffte in Gestalt des Zonenrandgebiets einen neuen Osten im Westen, aus dem Facharbeiter und Kapital abwanderten. Das strukturell schwache Zonenrandgebiet wurde in der Bundesrepublik finanziell unterstützt, konnte aber sein Image als „Armenregion der Republik“ nicht ablegen. Die Abriegelung der Grenze führte zu einem regelrechten „Grenztourismus“, der sich auf Postkartenmotiven und in allerlei Nippes niederschlug. Dennoch ließ das Interesse der Bürger für die innerdeutsche Grenze in den 1970er-Jahren spürbar nach. Nicht zuletzt wurde in der Grenzregion auch Fortschritts- und Modernisierungskritik fassbar, wie die Auseinandersetzung um das atomare Endlager in Gorleben gezeigt habe.

Die Vorstellung des französischen Historikers Fernand Braudel, dass geografische Gegebenheiten die geschichtliche Entwicklung beeinflussen, findet in Wolfsburg ihre Bestätigung, erklärte GÜNTER RIEDERER (Wolfsburg). Nach 1945 war das Bewusstsein für die besondere politische Geografie der Stadt unter den Einwohnern omnipräsent. Der Grenztourismus nahm in Wolfsburg eine pädagogische Funktion an; die Stadt präsentierte sich als Vermittler dieser besonderen Situation und führte auswärtige Besucher immer wieder an die Grenze. Die Tatsache, dass nur 15 km von Wolfsburg entfernt der „freie Westen“ verteidigt wurde, führte zu einem besonderen Verhältnis der Bürger zu den in der gesamtdeutschen Festrhetorik vielfach beschworenen „Brüdern und Schwestern im Osten.“ Unter anderem gründete sich auch in Wolfsburg ein „Ortskuratorium Unteilbares Deutschland“, das zahlreiche Aktivitäten entwickelte. Mit der Zeit entstand in der Stadtgesellschaft jedoch ein Gewöhnungseffekt, der verbunden mit den immer gleich ablaufenden Grenzbesuchen und -feiern zu einem Desinteresse der Bevölkerung an der Grenzfrage führte.

CORINE DEFRANCE (Paris) verwies in ihrem Beitrag darauf, dass die historische Forschung sich der Untersuchung von Städtepartnerschaften lange verweigert habe. Das ist angesichts der heute bestehenden etwa 2.300 deutsch-französischen Städtepartnerschaften umso verwunderlicher. Ein Großteil dieser Städtepartnerschaften wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschlossen. Sie waren ein Symbol der nach dem Krieg einsetzenden Demokratisierung in Deutschland sowie ein erster Schritt hin zur deutsch-französischen Aussöhnung. Auch mit der DDR unterhielten französische Städte Partnerschaften, insbesondere die Städtepartnerschaft Cottbus – Montreuil von 1959 stellte dabei eine Besonderheit dar, da Frankreich bis 1973 keine diplomatischen Beziehungen zur DDR unterhielt.

Die Geschichte der Wolfsburger Städtepartnerschaft mit der südfranzösischen Gemeinde Marignane war Inhalt des Beitrags von TANJA HERRMANN (Mainz). Die am 1. September 1963 – neun Monate nach Abschluss des Élysée-Vertrag – unterzeichnete Städtepartnerschaft ging auf eine Initiative des deutschen Generalkonsuls in Marseille zurück. Zwischen beiden Städten hatte jahrzehntelang ein sehr aktiver Austausch bestanden, der durch den Wahlsieg der rechtsextremen „Front National“ und dem Antritt des neuen Bürgermeisters Daniel Simonpieri im Jahr 1995 aber schweren Schaden erlitt. In der Folge setzte Wolfsburg die Städtepartnerschaft aus und aktivierte sie erst 2003 im Rahmen des 40-jährigen Städtepartnerschaftsjubiläums wieder. Die politische Entwicklung war aber nicht der entscheidende Grund für den Rückgang des Interesses der Wolfsburger Bürger an ihrer Partnerstadt. Vielmehr sind allgemeine Entwicklungen wie der Rückgang der Schülerzahlen und das Altern der oft ehrenamtlichen Partnerschafts-Pioniere verantwortlich.

Der Mythos des „Dolce Vita“ habe das Bild italienischer Migranten in Deutschland verzerrt, erklärte ROBERTO SALA (Basel). In Deutschland sei die Vorstellung vorherrschend, alle einstigen italienischen Arbeitsmigranten seien Gastronomen und würden insofern ein Paradebeispiel der erfolgreichen Integration darstellen. Bei diesen handelte es sich aber nur selten um ehemalige Arbeitsmigranten, die im Zuge des Wirtschaftswunders nach Deutschland kamen. Die Erfahrung von Ausgrenzung und Benachteiligung gehörte zum Alltag italienischer Migranten der ersten Stunde. Die Ausländerfeindlichkeit war durch die wirtschaftliche Rezession in Deutschland verschärft worden. Ihre Beschreibung als „Opfer“ greift dennoch zu kurz, da sie ignoriert, dass es sich bei den Italienern um freie Menschen handelt, die die Entscheidung der Migration bewusst selbst getroffen hatten.

Dem Verhältnis der italienischen Migranten zu Wolfsburg und ihrer eigenen Identität widmete sich der Beitrag von MARGHERITA CARBONARO (Mailand), die über ihre Erfahrungen im Zuge der Recherchen für ihr Buch berichtete, das unter dem Titel „La vita è qui“ 2013 im Metropol-Verlag erschienen ist. Die Italiener betonten immer wieder ihre eigene Identität, die sich aus der Beziehung zur Heimat Italien und zur Stadt Wolfsburg konstituiert. Als Deutsche begreifen sie sich nicht, weshalb die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft einer Art „Verrat“ gleichkäme. Zudem habe sich das Bild der Heimat Italien im Verständnis der Wolfsburger Italiener gewandelt. Statt eines Rückkehrlandes sei es zu einem Urlaubsland geworden, dass dennoch die Identität der Italiener in Wolfsburg präge. Die Situation werde wie ein „zwischen zwei Stühlen sitzen“ empfunden, in der es schwierig ist, seinen Platz zu finden. Die Migranten verfügen jedoch über eine enge Bindung an die Stadt. Man verstehe sich als „Wolfsburg-Italiener“ und empfinde dieses Dasein als Privileg, da die Situation hier besser sei als in anderen deutschen Städten.

Die Vielfalt der Beiträge machte den umfassenden Ansatz der Stadtgeschichtsschreibung deutlich. Die Konferenz zeigte, dass der Nutzen der Stadtgeschichte darin besteht, die Probleme, Bedingungen und Mechanismen zentraler Entwicklungsprozesse der Bundesrepublik auf kommunaler Ebene aufzuzeigen und nachzuvollziehen. Sie kann somit einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der zweiten deutschen Demokratie leisten.

Konferenzübersicht

Begrüßung durch Oberbürgermeister Klaus Mohrs
Vorstellung des Instituts und des Forschungsprojekts „Wolfsburg auf dem Weg zur Demokratie“ durch Anita Placenti-Grau, Leiterin des IZS Wolfsburg

Günter Riederer (IZS Wolfsburg), Die besondere Geschichte einer besonderen Stadt? – Eine kurze Einführung in das Thema der Tagung

Axel Schildt (Universität Hamburg), Dynamische Zeiten. Die westdeutsche Gesellschaft der 1950er und 1960er-Jahre
Lokale Intervention: Manfred Grieger (Historische Kommunikation der Volkswagen AG)

Angela Borgstedt (Universität Mannheim), Entnazifizierung und bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft
Lokale Intervention: Ulf Hanke (Löhne)

Michael Schwartz (Institut für Zeitgeschichte München, Abteilung Berlin), Heimatvertriebene als Faktor der Politik in der Nachkriegszeit
Lokale Intervention: Bettina Greffrath (Historische Museen der Stadt Wolfsburg)
(Wegen Erkrankung der Referentin übernahm Dr. Arne Steinert die lokale Intervention)

Abendvortrag
Die Geschichte der frühen Bundesrepublik aus einer subjektiven Perspektive – Lesung und Diskussion mit dem Autor Michael Rutschky (Berlin) über seine 2012 im Suhrkamp Verlag veröffentlichte Publikation „Das Merkbuch. Eine Vatergeschichte“.

Dieter Bartetzko (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Urbanität und Stadtplanung in der Nachkriegszeit
Lokale Intervention: Nicole Froberg (Forum Architektur, Wolfsburg)

Astrid M. Eckert (Emory University, Atlanta), „Zonenrand“: Die Auswirkungen der innerdeutschen Grenze auf die ‚alte‘ Bundesrepublik
Lokale Intervention: Günter Riederer (IZS Wolfsburg)

Corine Defrance (Université de Paris I Panthéon-Sorbonne), Die Geschichte der deutsch-französischen Städtepartnerschaften
Lokale Intervention: Tanja Herrmann (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Roberto Sala (Universität Basel), Italienische Arbeitsmigration in die Bundesrepublik
Lokale Intervention: Margherita Carbonaro (Mailand / Furth (Niederbayern))


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