Der Bruch des Vertrages. Die Verbindlichkeit der Diplomatie und ihre Grenzen

Der Bruch des Vertrages. Die Verbindlichkeit der Diplomatie und ihre Grenzen

Organisatoren
Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, Martin Kintzinger / DFG-Projekt „Symbolische Kommunikation und kulturelle Differenz“, Georg Jostkleigrewe, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.09.2014 - 19.09.2014
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Von
Julia Crispin, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Die Abschlusstagung des DFG-Projektes „Symbolische Kommunikation und kulturelle Differenz“ widmete sich der Herstellung diplomatischer Verbindlichkeit innerhalb von und zwischen vormodernen Gesellschaften. In welcher Form geschah dies? Welche Probleme traten hierbei auf? Inwiefern antizipierte man diese, reagierte auf sie oder reflektierte sie im Nachhinein? Übergreifend wurde dabei nach den Auswirkungen von kulturellen Diskontinuitäten, sozialen Differenzen und medialen Grenzen auf die diplomatische Praxis gefragt. Einen multiperspektivischen Zugriff gewährleistete die fachübergreifende Zusammensetzung der Veranstaltung: Neben HistorikerInnen trugen VertreterInnen der Byzantinistik, der Islamwissenschaften und der Rechtswissenschaften zu einer interdisziplinären Fachdiskussion bei.

Eine Reihe grundlegender Fragenkomplexe und Forschungsprobleme, die GEORG JOSTKLEIGREWE (Münster) einführend zur Sprache brachte, wurden auch in den Einzelbeiträgen diskutiert, wie etwa die Thematik der Normativität: Es wurde hinterfragt, auf welcher Grundlage vertragliche Vereinbarungen als verbindlich angesehen wurden, in welchem Maße Abweichungen und Brüche einkalkuliert wurden, und wo die jeweiligen Grenzen der Akzeptanz des Vertragsbruchs lagen. Dabei wurden Maßnahmen der Vertragssicherung ebenso untersucht wie die Frage, inwiefern nicht nur diplomatische Vereinbarungen, sondern auch deren Verletzung als regelgeleitet wahrgenommen wurden und bestimmten Mustern folgten. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Beschäftigung mit dem Vertragsbruch auf phänomenologischer Ebene. Diskutiert wurde die Problematik, verschiedene Formen von Verträgen und Vertragsbrüchen anhand zeitgenössischer Zeugnisse zu fassen und zu differenzieren. Mehrere Beiträge befassten sich mit Darstellungen von Vertragsverletzungen durch die beteiligten Partner und ihrer politischen Instrumentalisierung. Zudem wurde die Schwierigkeit, den Vertragsbruch nicht nur narrativ darzustellen und anhand schriftlicher Quellen zu rekonstruieren, sondern ihn performativ zu kommunizieren oder in Illustrationen darzustellen, ebenso erörtert wie die Frage der jeweiligen Rezipienten. Einen dritten Fokus bildete die Frage, ob sich bei Vertragsschlüssen über kulturelle Grenzen hinweg in besonderer Weise das Problem reduzierter Verbindlichkeitserwartungen stellt: Inwieweit lassen sich Unterschiede zwischen intra- und interkulturellen Abmachungen bezüglich der Vereinbarungen und Maßnahmen zur Vertragssicherung, der jeweiligen Erwartungshaltung und der Reaktion auf Vertragsbrüche feststellen? Daneben wurde die Rolle kultureller und religiöser Differenzen im zeitgenössischen Diskurs über Vertragsverletzungen diskutiert.

STÉPHANE PÉQUIGNOT (Paris) befasste sich mit den diplomatischen Beziehungen zwischen den aragonesischen Königen und den Königen von Frankreich und Kastilien im 13. und 14. Jahrhundert. Er stellte heraus, dass die überlieferten Vertragsschlüsse zwar in Form und Komplexität stark divergierten, ihnen jedoch vertragssichernde Maßnahmen wie Eide und Klauseln gemeinsam seien. Vertragsverletzungen seien in gewissem Umfang antizipiert worden und in der diplomatischen Praxis häufig feststellbar. Historiografische Zeugnisse, in denen die gegnerische Partei jeweils für den Vertragsbruch verantwortlich gemacht wurde, zeigten jedoch, dass diese nicht als gesellschaftlich akzeptiert wahrgenommen worden seien.

Mit Verhandlungen um das burgundische Erbe zwischen Kaiser Maximilian I. und Frankreich beschäftigte sich GESA WILANGOWSKI (Münster). Sie untersuchte die argumentative Nutzung vorangegangener Verträge und Brüche und stellte die Bedeutung der Bezugnahme auf vergangene kodifizierte Abmachungen zur Stärkung gegenwärtiger Vereinbarungen heraus. Zur nachträglichen Legitimation von Vertragsbrüchen seien vorwiegend der Zwang zur ursprünglichen Abmachung und damit ihre Ungültigkeit und die Notwendigkeit zum Selbstschutz angeführt worden. Gleichzeitig habe man sich jedoch bemüht, den Bruch der Gegenseite zuzuweisen.

JEAN-MARIE MOEGLIN (Paris) beschäftigte sich mit der Darstellung von Friedensverträgen und ihren Brüchen im zeitgenössischen juristischen Diskurs im Kontext des sogenannten Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich. Als legitimatorische Strategie zur Rechtfertigung von Vertragsverletzungen sei zum einen die Darstellung des gegnerischen Königs als Vertragsbrecher zum Einsatz gekommen, zum anderen die Anfechtung der Gültigkeit der den jeweiligen Verträgen zugrunde liegenden Konditionen. Hinzugetreten sei im Verlaufe der Konflikte weiterhin der Vorwurf, dass die jeweilige Gegenpartei aufgrund negativer ‚nationaler‘ Eigenschaften wie Hinterlist von vorneherein kein zuverlässiger Vertragspartner sein könne.

GREGOR ROHMANN (Frankfurt am Main) untersuchte den Vertragsbruch als diskursives Mittel im Konflikt zwischen Königin Margarete von Norwegen und Dänemark und den Herzögen von Mecklenburg um die Macht in Schweden zwischen 1395 und 1398 und fragte, wie die Parteien das Scheitern des Friedensvertrags von Skanör und Falsterbo jeweils gegenüber dem Deutschen Orden und den Hansestädten darstellten: Während Margarete die herrschaftlichen Ansprüche ihrer Gegner grundsätzlich in Frage gestellt und sie der Piraterie beschuldigt habe, hätten die Mecklenburger als schwächere Partei differenziertere legalistische Argumentationsstrategien angewendet und sich gezielt um die Unterstützung der Hansestädte als Schiedsrichter bemüht.

In welchem Maße der Vertragsbruch zum regelmäßig eingesetzten strategischen Mittel werden konnte, stellte ULLA KYPTA (Frankfurt am Main) anhand der Handelsbeziehungen zwischen Flandern und den hanseatischen Kaufleuten im späten 14. Jahrhundert heraus. Vertragsabweichungen seien auf beiden Seiten üblich gewesen, man habe sich jedoch weder bemüht, diese zu rechtfertigen, noch sie der Gegenpartei anzulasten, stattdessen habe man die Denunziation des Vertragsbruchs eingesetzt, um neue Verhandlungen zu erwirken. Dieses Ausreizen vertraglich festgelegter Normen sei möglich gewesen, solange beiden Parteien an der Aufrechterhaltung der Handelsbeziehungen gelegen war.

MARC VON DER HÖH (Bochum) untersuchte anhand der Handelsbeziehungen zwischen muslimischen Herrschern und italienischen Seestädten im 12. Jahrhundert, welche Rolle religiöse Differenzen in diplomatischen Beziehungen spielen konnten. So seien in interreligiösen Vertragstexten machtpolitische Verhältnisse anhand religiöser Formeln zum Ausdruck gekommen: Während man sich in Vertragsschlüssen gleichberechtigter Partner um interkonfessionelle Konsensformeln bemüht habe, habe man in asymmetrischen Verträgen häufig nur auf die Religion der mächtigeren Partei rekurriert. Anhand eines Vertragsschlusses zwischen den Fatimiden und Pisa konnte von der Höh überdies herausstellen, dass Religion auch in interkonfessionellen Vereinbarungen zur Vertragssicherung eingesetzt wurde, etwa in Form von Eidleistungen und Verpflichtungen zur Selbstverfluchung.

Interkulturelle Vertragspraxis war auch Thema des Beitrags CHRISTINA BRAUNERs (Münster) zu den diplomatischen Beziehungen zwischen europäischen und westafrikanischen Machthabern im 17. und 18. Jahrhundert. Anhand des Fante-Vertrags von 1753 stellte sie zunächst den hohen Stellenwert von Vertragsschlüssen in frühneuzeitlichen europäisch-afrikanischen Beziehungen heraus. Dieser zeige sich in elaborierten Absicherungsverfahren, die den Verträgen Geltungskraft auf beiden Seiten verleihen sollten und dementsprechend Sicherungsinstrumente beider Vertragspartner integrierten, etwa christliche wie auch heidnische Eide, Unterschriften, Handzeichen und Geiselstellungen. Hierbei komme ein hohes Maß an Pragmatik und zweckorientierter Anpassung zum Ausdruck, zugleich seien über die einzelnen Vertragsschlüsse hinausgehende Transkulturationsprozesse feststellbar.

CORNELIA NEUSTADT (Leipzig) befasste sich mit den Auseinandersetzungen zwischen den Ostseestädten und der nordischen Union unter König Erich in den 1420er-Jahren. 1423 war ein vorläufiger Bündnisvertrag geschlossen worden, den die Seestädte im Oktober 1426 aufkündigten. Diese Beendigung des Vertragsabkommens sei vermutlich im Städteverbund vorbereitet und weitgehend gleichzeitig öffentlich verlesen worden sowie anhand von Briefen gegenüber Erich und anderen Städtegruppen kommuniziert worden. Man habe Erich des Vertragsbruchs bezichtigt und ihm Unrecht gegen die Stadtbewohner und Kaufleute vorgeworfen. Diese Rechtfertigungsstrategie habe zum einen der Warnung, beziehungsweise der Werbung um weitere Bündnispartner, zum anderen der öffentlichen Ehrenrettung durch die Seestädte gedient.

NOËLLE-LAETITIA PERRET (Fribourg) untersuchte das kanonistische ‚Speculum legatorum‘, das 1279/80 von Guillaume Durand, im Anschluss an eine päpstliche Gesandtschaft, an welcher er im Gefolge des päpstlichen Legaten teilgenommen hatte, verfasst wurde. Dargelegt werde das Verhältnis von Papst und Legat mit Schwerpunkten auf der Funktion und dem Handlungsspielraum des Legaten sowie der Frage danach, was zur Beendung einer Legatschaft und damit der temporären vertraglichen Bindung zwischen Papst und Legat führen könne. Anhand eines Vergleichs der dem päpstlichen Legaten gewidmeten Erstfassung des Textes zu einer redaktionell überarbeiteten Version stellte Perret heraus, dass Durand Erfahrungen aus seiner Teilnahme an der genannten Gesandtschaft in das Traktat hatte einfließen lassen.

Die diplomatischen Beziehungen des Mamlukensultanats in Ägypten und Syrien zu muslimischen und nicht-muslimischen Vertragspartnern vom 13. bis ins 16. Jahrhundert erörterte MALIKA DEKKICHE (Gent). Anschließend an eine Darlegung des diesen zugrunde liegenden Rechtssystems und verschiedener jeweils zur Verfügung stehender Formen von Verträgen und Abkommen analysierte sie die mamlukische diplomatische Praxis beispielhaft anhand eines Mitte des 15. Jahrhunderts geschlossenen Friedensvertrags zwischen den Mamluken und den Karamaniden. Aufgrund des hier vorliegenden asymmetrischen Verhältnisses zwischen den Mamluken und den auf Unterstützung angewiesenen Karamaniden habe die Vereinbarung eher die Form einseitiger Anweisungen als gegenseitiger Verpflichtungen gehabt.

DAVID CRISPIN (Münster) befasste sich mit diplomatischen Aktivitäten im Kontext der frühen Kreuzzüge. Demnach seien Auslieferungsabkommen und Friedensbündnisse, sowie mitunter militärische Allianzen neben den anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Lateinern und Muslimen keinesfalls ungewöhnlich gewesen. Der zeitgenössische Erklärungsbedarf und die Kritik anlässlich von Vertragsbrüchen zeigten, dass Verbindlichkeitserwartungen trotz religiöser Differenzen existiert hätten. Zwar habe das antimuslimische Feindbild der Kreuzzugspropaganda Bestand gehabt, daneben habe jedoch die Vorstellung existiert, dass der Bruch von Abkommen auch mit Ungläubigen Gott missfalle und irdische Konsequenzen nach sich ziehen könne.

MARTIN VUČETIĆ (Mainz) untersuchte den 1161 geschlossenen Frieden zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel I. und dem seldschukischen Sultan Kiliç Arslan II. sowie den durch Manuel inszenierten Empfang des Sultans in Konstantinopel im folgenden Jahr und verglich die betreffenden Darstellungen der Historiografen Johannes Kinnamos und Niketas Choniates: Ersterer habe den Empfang als Erfolg des Kaisers und Bekräftigung des Friedensabkommens durch zusätzliche Eide und die Zurschaustellung von Pracht und damit militärischer Überlegenheit gewertet. Niketas hingegen habe die Inszenierung von Reichtum als diplomatischen Fehler Manuels dargestellt, der zum erneuten Einfall Kiliç Arslans und damit zum Vertragsbruch geführt habe.

Ebenfalls mit byzantinischer Diplomatie befasste sich SEBASTIAN KOLDITZ (Heidelberg) anhand der Beziehungen zwischen dem Palaiologenreich und Venedig im 13. und 14. Jahrhundert. In einer Analyse der überlieferten Verträge, Vertragsverletzungen und hierauf folgender Reaktionen stellte er heraus, dass sich Vertragsbrüche ebenso wie die zunehmend als Routine wahrgenommene vertragliche Festschreibung des den Venezianern geschuldeten Schadensersatzes zum festen Bestandteil der diplomatischen Praxis entwickelten. Im 14. Jahrhundert seien diese Zahlungen zwar zunehmend ausgeblieben; auch dies habe jedoch in gewissem Umfang zur Festigung des gegenseitigen Verhältnisses beigetragen und jedenfalls der grundsätzlichen Bereitschaft zum Bündnisschluss keinen Abbruch getan.

ANJA THALLER (Marburg) untersuchte eine Reihe von Friedensverträgen zwischen den Patriarchen von Aquileia und ihren Vasallen, den Grafen von Görz, im 12. und 13. Jahrhundert und konnte anhand der verhandelten Inhalte eine Machtzunahme der Grafen gegenüber ihren Lehnsherren verfolgen. Zudem stellte auch sie fest, dass sämtliche Verträge gebrochen worden seien und dies jeweils zu neuen Verhandlungen geführt und sich gewissermaßen als diplomatische Norm etabliert habe. Diese Entwicklung mache sich darüber hinaus an der Zunahme und Ausdifferenzierung der vertraglich festgelegten Sicherungsinstrumente, wie beispielsweise Eiden und Bürgen, vor allem aber materiellen Sicherungsmitteln wie Strafzahlungen, fest.

Einen Einblick in den performativen Akt eines Vertragsbruchs gab JULIA BURKHARDT (Heidelberg) am Beispiel der Auseinandersetzungen zwischen dem polnischen König Władysław Jagiełło und dem polnischen Adel um die jagiellonischen Thronsukzession und die politischen Teilhaberechte des Adels in den 1420er-Jahren. Eine Folge von Konflikten sei im Jahr 1426 in der Zerstörung des im Jahr zuvor geschlossenen Vertrags durch die Adligen kulminiert, nachdem der König sich nicht an sein Versprechen bezüglich des adligen Mitspracherechts bei der Thronsukzession gehalten habe. Burkhardt thematisierte die zeitgenössische Wahrnehmung der physischen Zerstörung der Urkunde als gleichbedeutend mit der Negierung der in ihr festgehaltenen Vereinbarungen.

Mit den diplomatischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Orden und dem litauischen Großfürsten Vytautas im Kontext der Christianisierung Litauens, insbesondere dem Friedensvertrag von Sallinwerder (1398) und dessen Bruch, beschäftigte sich SEBASTIAN KUBON (Hamburg). Er stellte anhand von Sicherungsklauseln wie Geiselstellungen und Eiden heraus, dass der Orden bereits im Vorfeld deutlich reduzierte Verbindlichkeitserwartungen gegenüber Vytautas gehegt habe. Den im Jahr 1401 erfolgten Vertragsbruch durch Vytautas habe der Hochmeister des Ordens, Konrad von Jungingen, dann vor allem auf durch religiös-kulturelle Differenzen bedingte moralische Defizite des Großfürsten zurückgeführt.

In der abschließenden, von MARTIN KINTZINGER (Münster) geleiteten Podiumsdiskussion, an der WOLFRAM DREWS (Münster), CLAUDIA GARNIER (Vechta), JEAN-MARIE MOEGLIN (Paris) und PETER OESTMANN (Münster) teilnahmen, konnten eine Reihe übergreifender Ergebnisse festgehalten werden, gleichzeitig wurden jedoch weiterhin bestehende Forschungsprobleme formuliert:

Inhaltlich wurde herausgestellt, dass nicht nur Vertragsschlüsse, sondern auch Abweichungen und Brüche bis zu einem gewissen Grad regelgeleitet waren und in mehr oder weniger großem Maße einkalkuliert und antizipiert wurden. Dass der Vertragsbruch an sich in der Regel dennoch negativ bewertet wurde, zeigten zeitgenössische Bemühungen, ihn zu rechtfertigen oder der Gegenpartei zuzuweisen. Die während der Tagung diskutierte Frage, ob kulturelle Differenzen zwischen den Vertragspartnern grundsätzlich zu einer reduzierten Verbindlichkeitserwartung in den diplomatischen Beziehungen führte, konnte verneint werden, vielmehr scheinen religiöse Differenzen im Bedarfsfall diskursiv eingesetzt worden zu sein. Konstatiert wurde überdies die Vielfalt vormoderner Vertragstypen wie auch deren Verletzungen hinsichtlich Form, Umfang und Komplexität sowie Inhalt und Intention. Die Schwierigkeit der Deutung der zeitgenössischen Terminologie und einer klaren Differenzierung zwischen den verhandelten Vereinbarungen, Verträgen, Rechten und Gesetzen sowie Abweichungen, Verletzungen und Brüchen aus heutiger Sicht blieb als grundsätzliches Problem bestehen. Ob man Vertragsbruch überhaupt als ‚Faktum‘ fassen kann, müsse fraglich bleiben; vielmehr handele es sich dabei um ein Zuschreibungsphänomen, das von der Perspektive und der Intention der Vertragspartner abhängig sei und durch diese instrumentalisiert werde.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Einführung:
Martin Kintzinger / Georg Jostkleigrewe (beide Münster)

Sektion „Der Bruch des Vertrages – Diplomatischer Alltag und historisches Skandalon?“

Stéphane Péquignot (Paris), Zerbrechliche Verträge? Einige Bemerkungen über die diplomatischen Beziehungen der aragonesischen Könige mit den Königen von Frankreich und von Kastilien (13.–15. Jahrhundert)

Gesa Wilangowski (Münster), „Il fault que ledict traictie soit parfaict [...] sans ce quil claudique“. Perfekter Pakt? Herausforderungen der Diplomatie zur Zeit Maximilians I.

Jean-Marie Moeglin (Paris), Pourquoi n’ya-t-il pas eu de paix pendant la guerre de Cent ans? À propos des traités de Brétigny-Calais (1360) et de Troyes (1420)

Gregor Rohmann (Frankfurt am Main), Die Vertragsbrecher sind immer die anderen. Der Frieden von Skanör und Falsterbo (1395) und seine Nachgeschichte im Kontext der zeitgenössischen Diplomatie

Sektion „Der Bruch des Vertrages als intra- und interkulturelles Problem: Handelsbeziehungen“

Ulla Kypta (Frankfurt am Main), Verhandlungen zwischen der Hanse und Flandern. Wie man den Diskurs über den Vertragsbruch strategisch einsetzt

Marc von der Höh (Bochum), Interreligiöse Absicherungsstrategien. Das Beispiel der Verträge der italienischen Seestädte mit muslimischen Herrschern

Christina Brauner (Münster), „Only of decorative significance?“ Interkulturelle Vertragspraxis an der Gold- und Sklavenküste (17.–18. Jhdt.)

Cornelia Neustadt (Leipzig), „vnse viende iegen God, ere vnd recht“: Vor- und Nachspiel einer Kriegserklärung (1423–1435)

Sektion „Kanonistische Konzepte: Die Verbindlichkeit der Repräsentation“

Noëlle-Laetitia Perret (Fribourg), Guillaume Durands Speculum legatorum (XIII. Jhdt.): Zum Entstehungskontext eines Traktats über das Verhältnis zwischen Papst und Legat

Sektion „Der Bruch des Vertrags als intra- und interkulturelles Problem: Mittelmeerraum“

Malika Dekkiche (Gent), Dār al-Ḥarb, Dār al-Islām: status, functions and reality in Mamluk Diplomacy

David Crispin (Münster), Auch den Ungläubigen muss man Treue halten. Bündnisse zwischen Lateinern und Muslimen im ersten Jahrhundert der Kreuzzüge

Martin Vučetić (Mainz), Das Abkommen zwischen Kaiser Manuel I. Komnenos und Sultan Kiliç Arslan II. (1162): Mechanismen zur Absicherung von Verträgen und ihr Scheitern

Sebastian Kolditz (Heidelberg), Fides Grecorum. Die Nichterfüllung vertraglicher Bestimmungen als Faktor in den lateinisch-griechischen Beziehungen des 14. und 15. Jahrhundert

Sektion „Der Bruch des Vertrags als intra- und interkulturelles Problem: Polen-Litauen und Oberitalien“

Anja Thaller (Marburg), Advocati ecclesiae – zwischen Schutz und Eigennutz. Oder warum die Grafen von Görz die Verträge mit der Aquileier Kirche brachen

Julia Burkhardt (Heidelberg), Von unversehrten Dokumenten und zerstückelten Verträgen. Thronfolgeabkommen im spätmittelalterlichen Polen

Sebastian Kubon (Hamburg), Die Verträge von Sallinwerder (1398) und Raciążek (1404) zwischen dem Deutschen Orden und Großfürst Vytautas von Litauen – Reduzierte Verbindlichkeitserwartung und ihre Kompensation in einem transkulturellen Kontext

Round-Table-Gespräch: Die Verbindlichkeit vormoderner Diplomatie und ihre sozialen, medialen und kulturellen Grenzen
Moderation: Martin Kintzinger (Münster)

Wolfram Drews (Münster) / Claudia Garnier (Vechta) / Jean-Marie Moeglin (Paris) / Peter Oestmann (Münster)