Der Kirchhof im Dorf. Ort und Raum symbolischer Kommunikation (15.-18. Jahrhundert)

Der Kirchhof im Dorf. Ort und Raum symbolischer Kommunikation (15.-18. Jahrhundert)

Organisatoren
Werner Freitag, Abteilung für Westfälische und Vergleichende Landesgeschichte der WWU Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.03.2005 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Jan Brademann, Abteilung für Westfälische und Vergleichende Landesgeschichte der WWU Münster

Was kann den historisch arbeitenden Geistes- und Kulturwissenschaftler an einem Kirchhof interessieren, welche heuristische Fruchtbarkeit kann diese - so müsste man meinen -jedermann vertraute Örtlichkeit bieten? Die Tagung "Der Kirchhof im Dorf. Ort und Raum symbolischer Kommunikation (15.-18. Jahrhundert)", die am 4. März im Schloss zu Münster stattfand, gab darauf Antworten, die in ihrem Facettenreichtum beeindruckten.

Auf die Vielfältigkeit der kulturwissenschaftlich relevanten Aspekte des Kirchhofes machte gleich zu Beginn der Veranstalter, Werner Freitag (Abteilung für Westfälische und Vergleichende Landesgeschichte des Historischen Seminars der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster), aufmerksam. In seiner Einführung kennzeichnete Freitag den Kirchhof, den er als einen die Kirche umgebenden und durch bestimmte Randbebauungen begrenzten Begräbnisplatz definierte, als einen "Ort der Interdisziplinarität". Das sehr gut frequentierte Symposium, als "Arbeitstagung zur Vorbereitung eines Projektantrages für den SFB 496 ‚Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme' an der WWU" ausgeschrieben, löste dieses Credo dann ein. In vier Sektionen und insgesamt zehn Vorträgen machten Landeskundler und Siedlungsforscher, Volkskundler und Liturgiewissenschaftler, rechts- und sozialgeschichtlich arbeitende Mediävisten und Frühneuzeitforscher deutlich, unter welchen Perspektiven sich ihre Disziplinen dem Phänomen Kirchhof einträglich nähern. Ihre Ergebnisse und die während ihrer Referate aufgeworfenen Fragen machten deutlich, dass der ‚alteuropäische' Kirchhof zum einen Ort multifunktionaler Nutzung war und blieb, dass er zum anderen wie sonst keine zweite Örtlichkeit der Ländlichen Gesellschaft in demjenigen Konnex stand, dessen Erforschung der Münsteraner Sonderforschungsbereich bekanntlich nachgeht: der symbolischen und rituellen Konstituierung gesellschaftlicher Wirklichkeiten. Immer wieder drängten sich zwei diesbezüglich zentrale Themenkreise auf: die Wahrnehmung und Konstituierung von sozialer Distinktion und Hierarchien einerseits sowie von Räumen der Heiligkeit bzw. Konfessionalität und der Profanität andererseits.

Die erste, von Stefan Brakensiek (Bielefeld) geleitete Sektion lieferte unverzichtbare und anregende Grundlagenarbeit. Während es Manfred Balzer (Münster) darum ging zu klären, welche Rolle Kirchhöfen im mittelalterlichen Siedlungsprozess Westfalens zukam, spürte Leopold Schütte (Münster) in seinem sehr geistreichen Vortrag sprachgeschichtlichen Entwicklungen nach, die Aufschluss geben über die Wahrnehmung des Kirchhofs. Balzer, der von der Verschiedenheit des Siedlungsganges im mittelalterlichen Westfalen - Streusiedlungsgebiete mit Kirchdörfern im Norden, in Drubbeln (Haufendörfern) verbundene Hofsiedlungen mit einer Kirche im Zentrum im Süden - ausging, strich die profane, lebenspraktische Funktion der entstehenden Kirchhöfe heraus: Sie dienten zunächst v.a. als elementar wichtige Schutzräume. Umliegende Bauern und Kötter brachten sich selbst und ihr Hab und Gut in den Kirchen, seit dem 13. Jahrhundert dann auch in den Spiekern am Kirchhofrand in Sicherheit. Ob sich, wie im Anschluss diskutiert wurde, diese Funktion fortifikatorischen Gestaltungen verdankte - Befestigungsmauern sind gleichwohl nur spärlich nachweisbar und waren seit dem IV. Lateranum verboten - oder in erster Linie dem geheiligten Kirchhofsfrieden, müssen spätere Forschungen erbringen. Fakt sei, so Balzer, dass die Kirchhöfe im Prozess der Siedlungskonzentration bevorzugte Zentralitäten bildeten und sich als besonders wüstungsresistent erwiesen. Nachdem seit dem 14. Jahrhundert Kirchhofränder zunehmend auch als Wohnort genutzt wurden, kam, wie Balzer anhand von Billerbek und Werne demonstrierte, den Kirchhöfen auch stadtbildende Kraft zu.
Schütte machte anschließend eindringlich auf die Notwendigkeit exakter Definition dessen aufmerksam, was überhaupt als Kirchhof untersucht werden soll: die Begräbnisstätte, der Hof um eine Kirche oder generell das durch das Wort Bezeichnete? Aus den Veränderungen im Gebrauch bestimmter signifiants, wie es die Worte Friedhof, cimeterium oder Kirchhof sind, lassen sich - so Schüttes Ansatz - auch Nutzungs- und Funktionsänderungen des signifié ablesen. Das Wort frêdehof kannte das Mittelalter nicht; sehr wohl existierte freithof, das auf einen Immunitätsbezirk verwies und erst in der Neuzeit, verballhornt, auf Begräbnisplätze bezogen wurde. Für diese wurden ursprünglich v.a. zwei Ausdrücke verwendet: cimeterium, welchem die griechische Wurzel coimeterion (Schlafplatz) zu Grunde lag, und: Kirchhof. An diesem wurde auch der dominante Aspekt dieses Ortes im Empfinden der Menschen deutlich. Hatte Balzer zuvor bekräftigt, dass die sakrale Funktion von Kirchhöfen erst durch die tridentinischen Reformen des 16. Jahrhunderts aus dem Schatten ihrer profanen Nutzung heraustrat, deuteten Schüttes semantische Analysen eher in die entgegengesetzte Richtung: Schon in der spätmittelalterlichen Verwendung des Wortes ‚Kirchhof' kam die "direkte Betroffenheitsbeziehung der Menschen" zum signifié zum Ausdruck, und die lag in der spirituellen Bindung der Toten an die Kirche.

Unter der Direktion von Ruth Mohrmann (Münster) näherten sich in der zweiten Sektion Fred Kaspar (Münster) und Heike Düselder (Cloppenburg) der Topographie des Kirchhofes an. Ausgehend vom Beispiel Kirchborchen spürte Kaspar der Randbebauung des Kirchhofs und dem "Konglomerat seiner Nutzung" nach. Es bestanden hier, bis im späten 18. Jahrhundert die Friedhöfe ausgelagert wurden, stets Berührungspunkte zwischen profaner Nutzung und Sakralität. Zwar wurden sie seit dem Tridentinum stärker reguliert, aber sie lebten - so Kaspar in Bestätigung etwa der Forschungen Holzems 1 -, wenn auch in regional unterschiedlichem Maße, fort: Die Grasnarbe des Friedhofs wurde für Tiere genutzt (teils noch als Weide, teils nur zur Heuherstellung); Speicher wurden, wie u.a. an Mellrich, Anröchte und Großen-Eder plastisch sichtbar wurde, zu Wohnhäusern umgebaut; Torhäuser wurden als Karner (Beinhäuser), aber auch als Schulen genutzt; von "normalen" Bauern ‚nebenberuflich' betriebene Gasthäuser boten der allsonntäglich zur Messe strömenden Bevölkerung Stellplätze für Pferde und eine Aufwärmmöglichkeit; der Zaun um den Kirchhof (Mauern hingegen waren selten) wurde gemeinschaftlich gesichert.
Heike Düselder betrachtete den frühneuzeitlichen Kirchhof und seine Begräbnismodalitäten aus der Sicht der Konfessionalisierungsforschung.2 Dabei betrat sie mit dem Land Oldenburg lutherisches Gebiet. Untersuchungsleitend war dabei einerseits der Bedeutungsschwund, dem der Ort des Begräbnisses in der protestantischen Rechtfertigungslehre unterworfen war, andererseits der lohnende Vergleich zwischen Anspruch und Wirklichkeit konfessionell normierter Ritualität. Es wurde deutlich, dass sich bis ins 18. Jahrhundert im Bereich der Beerdigungspraxis auf dem Land (Bsp. Bardenfleth) wie in der Stadt (Bsp. Delmenhorst) die Beharrungskräfte der lokalen Tradition - und das hieß: vererbte Rechtsansprüche bestimmter Familien - gegenüber den Nutzungskonzepten der Konfessionskirche durchsetzten. Gründe für die Beibehaltung bestimmter Begräbnisplätze waren sowohl die sozialdistinktive Zumessung von Prestige als auch die jenseits des offiziellen Bekenntnisses fortwährende Vorstellung, mit der Wahl der Grablege für die Ewigkeit vorzusorgen. In der Diskussion wurde von Brakensiek auf regionale, von Bevölkerungswachstum und Konfession abhängige Unterschiede hinsichtlich der Funktion sozialer Repräsentation aufmerksam gemacht, riet Wilfried Ehbrecht (Münster) die Perspektive einer "Verfassungstopographie" (im Unterschied zur Sozialtopographie Besitzrechte abbildend) an und wies Heinrich Stieve auf den Zusammenhang von Kirche und Wirtshaus hin: Häufig seien es Küster oder Pfarrer selbst gewesen, die die so genannten "Krüge" betrieben hätten.

Dem Begriffspaar Profanes und Heiliges, seinem Neben- und Ineinander, widmete sich die von Johannes Meier (Mainz) geleitete dritte Sektion, in der Christoph Daxelmüller (Würzburg), Wilhelm Janssen (Düsseldorf) und Jürgen Bärsch (Eichstätt) in sehr ausdrucksvoller, wenngleich auch sehr heterogener Art und Weise ihre Forschungen präsentierten. Daxelmüller entwickelte in seinem volkskundlich-anthropologisch orientierten Vortrag über den Umgang mit dem Tod, ausgehend von noch heute anzutreffenden Totenkulten in Mexiko, Shanghai und Süditalien, ein grundlegendes kulturgeschichtliches Credo, das die kulturelle Distanz des heutigen Betrachters zu bestimmten Ritualen als Ergebnis der Geschichte sieht und sie für das Verständnis vergangener Wirklichkeiten hinterfragt sehen will. Unter Bezugnahme auf historische Rituale - wie der Mumifizierungspraxis der Kapuziner, der Purgatoria (Schädelverehrung), der Totenkonvente auf Iskia und der berühmten Leichensynode 897 -, die einen sehr körperlichen Umgang mit den Toten und ihrem Gedächtnis, ja ein weit verbreitetes Verständnis des menschlichen Leibes als Verkörperung der Seele offenbarten, trat Daxelmüller für die Existenz ähnlicher, gegenständlich-präsentischer Kommunikation mit den Toten auch nördlich der Alpen ein. Erst die Neuzeit habe die Toten den Lebenden, ihren Familien, entfremdet.
Janssen untersuchte mit den kölnischen Diözesan- und Dekanatsstatuten des späten Mittelalters eine normative Quellengattung und ihre Relevanz für die Kirchhöfe. Dabei ging es v.a. um Kriterien zur Wahrung der Heiligkeit dieses Ortes und Strafen bei Entweihung, etwa durch Begräbnis Exkommunizierter bzw. Ungetaufter, durch Blut- oder Samenvergießen. Das Lokalinterdikt, welches den Gemeindegliedern die sepultura ecclesiastica versagte und - so Janssen - durch die Archidiakone häufig übereifrig verhängt wurde, stand im Mittelpunkt des Regulierungsinteresses. Aber auch profane Dinge wurden in den Statuten geregelt, wenn es etwa darum ging, den Ertrag der auf dem Kirchhof befindlichen Pflanzen dem Pfarrer zu sichern, die an die Kirche zu entrichtenden Zinsen für die Zweckbauten des Kirchhofrings festzulegen oder Adeligen die dortige Einmietung zu untersagen (Fehdegefahr). In Janssens Referat wurde wiederum ein Bruch nach 1517 erkennbar: Technisch-praktische Aspekte wurden im Spätmittelalter nicht und liturgische kaum normiert; Brauchtumsregulierungen blieben Fehlanzeige.
Bärsch beleuchtete anschließend anhand der nachtridentinischen Diözesanrituale Kölns, Münsters, Osnabrücks und Paderborns die rituelle Praxis auf dem Kirchhof. Insbesondere vier Felder rituellen Handelns - die Weihe und Rekonziliation des Kirchhofs durch den Weihbischof, die Begräbnisliturgie, das Totengedächtnis und die Prozessionen - waren es, durch die der sakrale Raum der Kirche ins Dorf verlängert und der Kirchhof zu einem "Ort des Gottesdienstes" gemacht wurde. Apotropäische und sakralisierende Rituale schufen Räume, in denen Gott und die Heiligen herabgefleht und präsent gehalten wurden, weil dies für das Seelenheil der Verstorbenen unverzichtbar war. In ihnen symbolisierten die Lebenden aber auch ihre "gemeinschaftliche Solidarität im Tod", wenn etwa bei der Grablegung sowohl für die auf dem Friedhof Ruhenden als auch für den Nächststerbenden Gebetshilfe gehalten wurde. In der Diskussion wurde insbesondere durch Manfred Wolf und Wilhelm Janssen auf die partielle Wirklichkeitsfremdheit dieser Quellen hingewiesen, die sich bestimmten lokalen Traditionen, aber auch den z.T. hohen Kosten bestimmter Rituale wie der Exequien oder der letzten Ölung verdankte.

In der vierten und letzten Sektion, die Wilfried Ehbrecht (Münster) moderierte, traten noch einmal die "Räume sozialer Distinktion" in den Mittelpunkt des Interesses. Arnd Reitemeiers (Kiel) tour d'horizon über den Kirchhof der mittelalterlichen Stadt suchte nach den für diesen Ort zuständigen Personen und Gruppen, fragte nach seinen Funktionen und seiner Wahrnehmung durch die Bürger. Mit den vom Rat eingesetzten oder von den Kirchspielen gewählten Kirchenmeistern, den Kirchenpflegern sowie den ihren Kirchenmeistern unterstellten Küstern und Totengräbern waren es fast ausschließlich Laien, die für Pflege und Bestand des zur fabrica ecclesiae gehörenden Kirchhofs und seiner Ausstattung - den vasa sacra, dem Kalvarienberg, Andachtsbildern, den Karnern und den Wegen - zuständig waren. Betonte Reitemeier hinsichtlich der Funktionalität ein multivalentes Bild, so war auch hinsichtlich der Begriffspaare Sakralität und Profanität, Ordnung und Unordnung wenig Eindeutiges zu konstatieren. Doch für das fortgeschrittene 15. Jahrhundert wurden bestimmte Tendenzen erkennbar: Allmählich traten ungezügelte profane Nutzungen - der Gottesacker war häufig Lagerplatz für Baumaterial; auch befanden sich hier Werkstätten - und der schlechte Zustand von Wegen und Gräbern in das Blickfeld der Kirchmeister. Die Bestrebungen nach mehr Ordnung und Sauberkeit auf dem Kirchhof einerseits und eine immer individuellere Bestattungspraxis andererseits deuten, so Reitemeier, darauf hin, dass nun der Kirchhof als Ort der sozialen Distinktion erkannt wurde. Die spannende Frage nach dem Einfluss bestimmter Schichten ließ sich (noch) nicht beantworten.
Vera Isaiasz (Berlin) lenkte die Aufmerksamkeit der Tagungsgäste auf ein etwas abseits liegendes Phänomen: Die Nutzung des Burghofes am Dom zu Brandenburg in nachreformatorischer Zeit unterlag einer deutlichen Überformung als Ort der Repräsentation für das nun lutherische, aber lange Zeit traditionellen liturgischen Formen anhängende Domkapitel. Das mittelalterliche Hospital wurde ausgelagert, wirtschaftliche Funktionen aufgegeben und der Zutritt bestimmten Beschränkungen unterworfen. Selbst das Konsistorium besaß im Dombezirk keine Befugnis zur Visitation. Die Interaktion mit städtischen Verantwortlichen sowie der öffentliche Gottesdienst wurden in die stadtbürgerliche Petrikirche verlagert. Der über allem thronende Burghof wurde so zu einer der Öffentlichkeit weitgehend entzogenen Arkansphäre umfunktioniert.
Mit Thomas Spohn (Münster) wurde abschließend der baugeschichtliche Aspekt ins Interesse gehoben, der neben dem sozialdistinktiven Aspekt auch auf den Prozess der Säkularisierung "vor Ort" - im Münster- und Sauerland zwischen 1700 und 1850 - verwies. Einerseits brachten es die langen Distanzen zwischen Pfarrhof und Kirchhof mit sich, dass sich der Pfarrer einer "unheiligen Anfahrt" zu unterziehen hatte; andererseits rückte er innerhalb seines Pfarrhofes und -hauses immer mehr in seinen praktisch-lebenstechnischen Verhaftetheiten ins Blickfeld der Menschen. Gewisse Abgaben - Baupflichten etwa - rückten den Priester in die Nähe weltlicher Herrschaft. Das Pfarrhaus war durch profane Dinge wie Landwirtschaft und Hauswirtschaft bestimmt; es wurde, wie Spohn anhand von Lageplänen und Grundrissen demonstrieren konnte, zu einem multifunktionalen, "berufsspezifischen Ort" mit Studierstube, Bibliothek, Haushälterinnenstube und einem Quartierraum für Fremde. Es wurde Amtshaus, an dem noch heilige Handlungen - siehe Beichtzimmer, Katechisationszimmer und Kapelle - vorgenommen wurden. Diese traten aber gegenüber bürokratischen - wie Ehesachen - und sozialpsychologischen Problemen, bei denen der Pfarrer zumeist von Pfarrersmutter und Haushälterin unterstützt wurde, in der Wahrnehmung der Menschen zurück.

Werner Freitag fasste - mit Blick auf das geplante Projekt im Sonderforschungsbereich - zum Schluss die Vorträge zusammen. Unverzichtbare Anhaltspunkte seien, so Freitag, gerade im Hinblick auf das ritualgeschichtliche Anliegen des Projekts gegeben worden. Dies begreife Religionsgeschichte als Teil einer historischen Kulturwissenschaft, ja Religion als die Basis vormoderner Wertesysteme überhaupt und will hierfür den synchronen Konfessionsvergleich (katholische Kirchhöfe, Simultaneen und, in einer späteren Phase, lutherische Kirchhöfe) nutzen. Aber auch aus einer Betrachtung der longue durée verspricht er sich neue Erkenntnisse hinsichtlich der Justierung und Einhaltung der die menschliche Existenz strukturierenden Ordnungskategorien ‚profan' und ‚heilig'.
Die spannenden Thesen dieser Tagung und gerade auch die in den Diskussionen aufgeworfenen Fragen, welche fachperspektivische oder an einem bestimmten historischen Material zustande gekommene Pauschalierungen hinterfragten oder ganz neue Aspekte nahe legten, machen klar, dass vom ‚alteuropäischen Kirchhof' erst ein Bruchteil dessen bekannt ist, was zur historischen Wirklichkeit gehört. Was die micro-histoire der Konfessionalisierung und auch die longue durée von Religiosität und Ritualität - Stichworte Säkularisierung und Resakralisierung - betrifft, wurde an ihnen ebenfalls deutlich, dass für die weitere Ergründung dieser Phänomene in der Ländlichen Gesellschaft Interdisziplinarität der einzig gangbare Weg sein kann.

Anmerkungen:
1 Andreas Holzem, Religion und Lebensformen. Katholische Konfessionalisierung im Sendgericht des Fürstbistums Münster 1570-1800, Paderborn 2000.
2 Sie präsentierte einen Ausschnitt aus ihrer Dissertation: Heike Düselder, Der Tod in Oldenburg. Sozial- und kulturgeschichtliche Untersuchungen zu Lebenswelten im 17. und 18. Jahrhundert, Hannover 1999.


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