Krünitz: Oekonomisch-technologische Encyclopaedie Online

Cover
Titel
Krünitz: Oekonomisch-technologische Encyclopaedie Online (Retrospektive Digitalisierung).
Herausgeber
Seifert, Hans-Ulrich <Seifert@uni-trier.de>; Reinstein, Hagen <hagen.reinstein@uni-trier.de>
Veröffentlicht durch
Universitätsbibliothek - Universität Trier: Trier, DE <http://www.ub.uni-trier.de/>
Enthalten in
Von
Max Plassmann

Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyklopädie [ab Th. 33.1785:] Oekonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-Stadt-Haus- und Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung, in alphabethischer Ordnung. Th. 1-72
[danach von anderen Bearbeiter u.d.T.:] D. Johann Georg Krünitz´ ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-Stadt-Haus und Landwirthschaft [...] in alphabetischer Ordnung. Th. 73-242.
Berlin: Pauli 1773-1858

Oekonomische Encyplopädie Online: Online Fassung der Universitätsbibliothek Trier

Besprochen von Dr. Max Plassmann, Universitätsarchiv Düsseldorf,
plassman@ub.uni-duesseldorf.de

1. Das Projekt

Da die retrospektive Digitalisierung von Bibliotheksbeständen nach wie vor teuer und aufwändig ist, müssen Projektträger genau abwägen, in welche Vorhaben sie die knappen Mittel sinnvoll investieren wollen. Die Universitätsbibliothek Trier hat sich in Abstimmung mit dem Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren dort neben anderen, vielfältigen Digitalisierungsprojekten für die Erstellung einer Online-Fassung der "Oeconomische Encyclopädie" von J. G. Krünitz im Rahmen eines DFG-Projekts entschieden. Diese Wahl kann nur als glücklich bezeichnet werden, stellt der Krünitz doch eine wichtige Quelle nicht nur zur Wissenschafts- und Bildungsgeschichte der Umbruchszeit um 1800 dar. Es ist fast müßig, die Bedeutung dieser Enzyklopädie hervorzuheben, die am zunächst ganz der Aufklärung verpflichtet war und bis Ende ihres Erscheines mit den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen der Revolutionszeit, der Napoleonischen Kriege, der Restauration und der anhebenden Industrialisierung zurecht kommen musste, um nur einige der Entwicklungen dieses Zeitraums zu nennen. Der Krünitz ist so nicht nur unentbehrliches Nachschlagewerk für denjenigen, der sich über den Stand des Wissens und der Erkenntnis bzw. die genaue Bedeutung eines Begriffs für die damalige Zeit informieren will, sondern er ist auch und in vielerlei Hinsicht insgesamt eine Quelle, die die vielfältigen Entwicklungen und Umwälzungen auf verschiedenen Ebenen dokumentiert.

Eine rege Benutzung des Online-Angebots durch die Vertreter der verschiedensten Fachrichtungen und Disziplinen ist in jedem Fall garantiert, zumal die Zugänglichkeit technisch gut gelöst ist. Schon der Einstieg in das Angebot ist über eine Katalogisierung im Katalog der UB Trier (vulgo im Opac) und damit über den Verbundkatalog bis hin zum Karlsruher Virtuellen Katalog möglich. D.h., hier ist die Möglichkeit gegeben, das Digitalisat auch dann zu finden, wenn man eigentlich auf der Suche nach einem gedruckten Exemplar war ohne das Projekt überhaupt zu kennen (allerdings mit einer fehlerhaften Angabe des ersten Erscheinungsjahrs, das hier auf 1173 angesetzt wird).

Geboten wird eine XML/SGML-konforme und recherchierbare elektronische Volltextversion des Krünitz, d.h. es werden nicht bloß die Images digitalisierter Seiten in der Seitenreihenfolge geboten, sondern eine strukturierte Fassung, die neue Recherchewege eröffnet. Die Navigation erfolgt in verschiedenen Frames, was insbesondere der Darstellung der vielen Abbildungen zugute kommt.

Da Schrifterkennung nach wie vor bei älteren Texten und Typen, also v.a. bei Fraktur, schwierig und fehlerbehaftet ist, wurde für die Volltexterfassung der Weg des Abtippens via Outsourcing nach China gewählt. Dieses Verfahren war erfolgreich, wie eine gegen Null gehende Fehlerquote bei Stichproben ergeben hat.

Allerdings hat Qualität auch ihren Preis: Das Projekt wurde im Jahr 2001 eingeleitet, ist seit April 2003 online geschaltet und bis jetzt bis zum Buchstaben IJ gediehen. D.h., es werden wohl noch einige Jahre vergehen, bis der ganze Krünitz verfügbar ist.

2. Zugriffsmöglichkeiten und Recherchestrategien

Auf Lexikonartikel wird jedenfalls seit dem 18. Jahrhundert alphabetisch zugegriffen, da sich eine sinnvolle und handhabbare systematische Gliederung nach Themen, Unterthemem etc. mit der starken Ausdifferenzierung der Wissenschaftsgebiete und quantitativen Ausweitung der Stichworte nicht mehr möglich war. Eine alphabetische Ordnung macht ein Lexikon jedoch zwar einfach zu handhaben, ist jedoch nur dann einfach, wenn man die in Frage kommenden Stichworte schon kennt. Insofern erfordert die Benutzung von Lexika immer ein gewisses Vorwissen zu dem jeweiligen Wissensgebiet. Das ist schon für die Zeitgenossen eines Werkes ein Hindernis, es wird jedoch erst recht zu einem solchen, wenn das Lexikon retrospektiv als historische Quelle genutzt werden soll. Denn bei vielen (nicht allen) Stichworten hat sich die Terminologie bis heute so weit gewandelt, dass ein Auffinden nicht mehr ohne weiteres möglich ist.

Das ist kein Hindernis für denjenigen, der sich ohnehin etwa mit einem wissenschaftsgeschichtlichen Thema beschäftigt und daher die Terminologie der Zeit kennt. Der Krünitz kann jedoch noch darüber hinaus für viele Untersuchungen als Quelle dienen, die einen ganz anderen Fokus haben. Die Herausgeber der Online-Fassung werden an solche Benutzungsfälle gedacht haben, als sie alternative Zugänge zu den Stichworten konzipiert haben, die auch bei Unkenntnis der Terminologie der Entstehungszeit einen bequemen Zugriff bieten.

Implementiert wurde zunächst eine Volltextsuche, die auch eine eingeschränkte Suche nur im Vorwort, im eigentlichen Lexikon oder bei den Abbildungen sowie Bool´sche Verknüpfungen ermöglicht. Der abzusuchende Bereich kann auch auf einen oder mehrere Bände oder bestimmte Seiten eingegrenzt werden, was zur Begrenzung einer potentiell riesigen Trefferzahl sicher sinnvoll ist. Denn die Ergebnisse werden in einer Liste dargeboten, die zwar den Kontext des Treffers angibt (in welchem Artikel oder Abbildung), die aber je nach Suchwort aufgrund der schieren Treffermenge genauso unübersichtlich werden kann, wie jede Google-Recherche (die Suche nach „Adel“ ergibt z.B. im Moment 629 Treffer). Volltextsuche ist also keine abschließende Lösung für das Handling so großer Informationsmengen, wie sie der Krünitz bietet.

Dessen Online-Herausgeber haben jedoch noch einen weiteren Weg wirklicher systematischer Suche implementiert: Die Suche über die Kategorien der DDC, der Dewey-Dezimalklassifikation. Dabei handelt es sich um eine international weit verbreitete Universalklassifikation, die zwar aus dem endenden 19. Jahrhundert stammt, aber nach wie vor ständig akutalisiert und v.a. in Bibliotheken verwandt wird. Die Wissensgebiete sind in hierarchische Bäume gegliedert, durch die sich der Benutzer im Stil des Windows-Explorers bis hinunter zu der Artikelebene klicken kann. Am Ende werden dann alle Artikel angezeigt, die systematisch zu dem ausgewählten Bereich gehören. Da es bei der Zuordnung einzelner Artikel immer wieder möglich ist, verschiedene Kategorien zu wählen, sind einzelne Artikel auch virtuell verschiedenen Systemstellen zugewiesen. Man kann sie also in verschiedenen Kontexten finden.

Die Recherche nach DDC ist auf diese Weise ein mächtiges Instrument, um verfeinerte Suchergebnisse zu erhalten. Die Idee, diesen Weg zu eröffnen, ist sicher zukunftsweisender als die Volltextrecherche. Allerdings würde vermutlich eine Analyse des Benutzerverhaltens ergeben, dass die Mehrheit doch den vertrauten Weg der Google-Suche beschreitet. Der Grund dafür ist sicher nicht nur in bloßer Bequemlichkeit zu suchen, sondern in der Tatsache, dass DDC wie jedes Klassifikationssystem nur dem wirklich nützt, der sich mit ihm auskennt. Die oben als Beispiel gewählte Suche nach "Adel" will im DDC-Modus reiflich bedacht sein. Letztlich ist DDC ein Standard von Bibliothekaren für Bibliothekare, dessen Potential nur diejenigen Benutzer abschöpfen können, die sich mit ihm auskennen. Dies ist jedoch nicht dem Krünitz-Projekt vorzuwerfen, denn letztlich erfordert jede systematische Suche Kenntnisse der Systematik, und es ist besser, bei einem Digitalisierungsprojekt einen eingeführten Standard zu benutzen, als einen völlig neuen zu entwickeln.

Dennoch wird deutlich, dass die Vorstellung weitgehend irrig ist, der Zugang zur Information würde sich durch die Digitalisierung vereinfachen und beschleunigen. Dies gilt nur oberflächig für Volltextrecherchen mit ihren letztlich zweifelhaften, weil unsystematischen Ergebnissen. Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der digitalisierten Quelle hingegen erfordert nach wie vor Vorkenntnisse bzw. den Aufwand, sich mit der Systematik gründlich zu befassen.

Diese Kritik kann jedoch am Krünitz-Projekt abprallen, denn sie betrifft ja nur die neuen Recherchemöglichkeiten, die zusätzlich zum alphabetischen Zugang des gedruckten Buchs geschaffen wurden. D.h. es werden in jedem Fall neue Dimensionen der Benutzung erschlossen, und wer die nicht nutzen kann, hat gegenüber der gedruckten Fassung keinen Nachteil.

Allerdings ist an dieser Stelle auf die Ressourcen zurückzukommen, die von Digitalisierungsprojekten geschluckt werden. Sowohl die Volltexterfassung als auch die DDC-Klassifikation erfordern große Sach- und Personalmittel, die – so könnte ein Kritiker einwenden – besser dafür genutzt worden wären, unter Verzicht auf den mehrdimensionalen Zugriff schneller mehr Quellen mit einem eindimensionalen Zugriff online verfügbar zu machen. Man muss schon sehr genau darauf achten, ob alles technisch Mögliche auch wirklich einen Nutzen bringt, der dem Aufwand entspricht. Das allerdings ist eine grundsätzliche Frage, die jeder Projektträger für sich beantworten muss.

4. Fazit

So bleibt als Fazit hervorzuheben, dass die Universitätsbibliothek Trier mit dem Krünitz ein verdienstvolles Digitalisierungsprojekt betreibt, das die Arbeit zahlreicher Benutzer vieler historisch arbeitenden Disziplinen aus dem gesamten deutschen Sprachraum stark erleichtern wird.

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