Rez. CD-ROM: Krenzer ueber "Praxis Geschichte 1987-1997"

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. Michael Krenzer, Herten

Der Westermann Schulbuchverlag legt mit dieser CD-ROM eine Gesamtausgabe aller Themenhefte der Zeitschrift "Praxis Geschichte" aus den Jahren 1987 bis 1997 vor. Sie enthaelt insgesamt 61 Hefte mit ueber 750 Beitraegen. Die Edition erhebt den Anspruch, "ueber eine blosse Uebertragung vorhandenen Materials auf ein anderes Medium" hinauszugehen und "ein umfangreiches, vielseitig nutzbares, digitales Archiv fuer die Vorbereitung" des Geschichtsunterrichts zu bieten. Um zu pruefen, inwieweit man diesem Anspruch gerecht wird, soll die CD-Rom im Hinblick auf folgende Gesichtspunkte untersucht werden:

Systemvoraussetzungen und Installation
Erscheinungsbild des Programms
Erschliessung der Inhalte
Praktisches Arbeiten mit der CD-Rom
Fazit

1. Systemvoraussetzungen und Installation
Die CD-Rom erfordert mindestens einen 486er/66 PC mit 8 MB RAM mit Windows 3.11 oder Win95. Das Programm kann aber auch auf einem Apple Macintosh geladen werden. Die Installationsroutine wird in der mitgelieferten Anleitung gut beschrieben. Installiert wird das Anzeigeprogramm Adobe Acrobat Reader 3.0, das mit etwa 9 MB zu Buche schlaegt. Dabei wird allerdings nicht geprueft, ob das Programm, das viele Internet-Anwender verwenden duerften, auf dem Rechner bereits vorhanden ist. Ansonsten wird die eigene Festplatte nur noch um einen Eintrag in das Windows-Startmenue bereichert, mit dem die CD-ROM gestartet werden kann.

2. Erscheinungsbild des Programms
Die CD-ROM enthaelt eine Vielzahl verschiedener Ordner, in denen jedes einzelne Heft in einer separaten Datei (*.pdf) enthalten ist. Die Verknuepfung dieser Einzeldateien erfolgt ueber die Datei "Menue.pdf", die beim Programmstart geladen wird.

Beim Start erscheint ein zweigeteilter Bildschirm. Auf der linken Seite bietet sich dem Benutzer ein Fenster zur Navigationshilfe. Dieses zeigt sogenannte "Lesezeichen": vordefinierte Sprungadressen innerhalb des Gesamtwerks. Der Anwender kann aber auch auf die Option "thumbnails" umschalten. Er erhaelt dann eine Spalte mit miniaturisierten Darstellungen der Seiten des gerade geladenen Dokuments, die die Navigation innerhalb des Dokuments erleichtern.

Der groessere Teil des Bildschirms bildet die ausgewaehlte Dokumentseite ab. Das Problem besteht hier in der Herstellung einer lesbaren Darstellung. Die Voreinstellung "Fensterbreite" bewirkt bei einem 14- bzw. 15-Zoll-Monitor und geoeffnetem linken Navigationsfenster eine viel zu kleine Schrift. Die Vergroesserung ist frei skalierbar, so dass mit der Wahl "150%" eine recht gute Lesbarkeit erreicht werden kann. Allerdings ist nun der zweispaltige Text der Artikel nur noch sehr umstaendlich durch staendiges Auf- und Abscrollen einsehbar. Hier haette sich Westermann ein Beispiel an der vorbildlichen Gestaltung der Hilfedateien des Acrobat-Readers nehmen sollen. So aber wird der Nutzer, der eine gesamte Seite lesen will, ohne sich die Augen zu verderben, immer wieder mit dem staendigen Neueinstellen eines anderen Seitenausschnitts beschaeftigt. Zusaetzlich ist das Scrollen auf einer Seite noch mit einigen Schwierigkeiten verbunden: die zweite Voreinstellung "Einzelne Seiten" sorgt fuer zusaetzlichen Frust, da man beim Ab- bzw. Aufscrollen einer auf 150% vergroesserten Seite staendig ungewollt auf die naechste bzw. vorherige Seite springt. Dies laesst sich zwar in den Grundeinstellungen des Acrobat-Readers dauerhaft abstellen, allerdings weist Westermann in seiner Bedienungsanleitung auf diesen wichtigen Punkt nicht hin. Ein weiterer Nachteil ergibt sich aus der Einteilung der CD-ROM in eine Vielzahl einzelner Dokumente. Dies bewirkt, dass beim Aufruf eines anderen Artikels oder auch nur bei der Rueckkehr zum Inhaltsverzeichnis eines Heftes die Voreinstellung "Fensterbreite" wieder aktiviert wird und eine erneute Einstellung des Zoom-Faktors von Hand faellig ist.

Die Navigation innerhalb des Sammelwerkes wird durch "Pfeil"-Icons auf einer Symbolleiste unterstuetzt. Dadurch ist innerhalb eines Dokuments ein relativ schnelles Vor- und Zurueckblaettern zwischen den einzelnen Seiten moeglich. Der Button "Rueckkehr zur vorherigen Ansicht" suggeriert ein Browser-aehnliches Verhalten, also die Rueckkehr zu einem zuvor ausgewaehlten Dokument bzw. einer frueheren Dokumentseite. Dies trifft im Prinzip auch zu, jedoch ist der Begriff "Ansicht" hier woertlich zu nehmen: es wird jeder zuvor gewaehlte Bildausschnitt erneut angezeigt. Da je nach gewaehlter Vergroesserung eine betraechtliche Anzahl von Ausschnitten noetig ist, um eine Seite ganz einzusehen, muss der Benutzer alle diese Ansichten noch einmal ueber sich ergehen lassen, bevor die zuvor angewaehlte Dokumentseite wieder aufgerufen wird.

3. Erschliessung der Inhalte
Die CD-ROM bietet zwei Moeglichkeiten, gezielt nach Inhalten zu suchen: sie verfuegt ueber ein Inhaltsverzeichnis und eine Suchfunktion.

Das Inhaltsverzeichnis enthaelt chronologisch geordnet alle Hefttitel. Dem Benutzer bieten sich hier vorwiegend historische Schlagworte (z.B. Industrialisierung, Roemer am Rhein, Bismarck), daneben aber auch fachdidaktische Themenhefte (z.B. Entdeckendes Lernen, Spielen im Geschichtsunterricht, Vertretungsstunden) zur Auswahl an. Einige Themen sind zunaechst nicht ganz eindeutig (z.B. DDR im Umbruch, Ostmitteleuropa) und beduerfen der Einsicht.

Ein weiteres Verzeichnis listet die "Beitraege nach Lehrplan" auf. Hier werden alle rund 750 Artikel in 21 Sachgruppen, die zum Teil noch weiter untergliedert sind, einsortiert. Teilweise werden weitgehende Zusammenfassungen vorgenommen. So bilden z.B. jeweils "Vorgeschichte/Fruehe Hochkulturen" und "Dritte Welt und USA" einen Bereich. Artikel, die sich in mehrere Bereiche einordnen lassen, sind auch mehrfach aufgefuehrt. So findet sich der Artikel "Schule unterm Hakenkreuz" von Martin Thunich sowohl unter Bereich 14 "Nationalsozialismus" (14.1 "Aufstieg und Entwicklung bis 1939") als auch unter Punkt 20 "Sonderthemen" (20.2. "Schule", bzw. 20.3 "Familie/Sozialisation"). Die Uebersicht der Themenbereiche macht den Schwerpunkt der CD-ROM deutlich: er liegt auf der deutschen Geschichte des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts. Die Artikel lassen sich durch Mausklick direkt aus dem Inhaltsverzeichnis heraus anspringen.

Der Acrobat Reader bietet zwei Such-Funktionen unterschiedlicher Reichweite. Die einfache Suche (Icon: Fernglas) durchsucht nur das aktuelle Dokument, d.h. einen einzelnen Artikel, nach einem Suchbegriff. Eine komplexere Suchfunktion, dessen Icon (Fernglas mit Blatt) in der Anleitung nicht erlaeutert wird, durchforscht die gesamte CD-ROM. Bei dieser "Search-Funktion" koennen Begriffe mit logischen Operatoren (UND, ODER, NICHT) verbunden und mit Klammern verschachtelt werden. Die Anleitung weist allerdings nicht auf die Besonderheit hin, daß der NICHT-Operator nicht uneingeschraenkt verwendet werden kann. So wird die Eingabe "Industrialisierung NICHT England" nicht akzeptiert, waehrend "NICHT England UND Industrialisierung" bzw. "Industrialisierung UND NICHT England" zum gewuenschten Ergebnis fuehren. Auch die Kombination "ODER NICHT" ist moeglich. Auf die Moeglichkeit der Eingabe von Wildcards (* fuer mehrere Zeichen, ? fuer ein Zeichen) weist Westermanns Anleitung ebenfalls nicht hin. Die Suche beruecksichtigt auf Wunsch den Wortstamm (z.B. mit "Verwaltung" findet man auch "Verwaltungsapparat") und sinnverwandte Begriffe (z.B. mit "Verwaltung" wird auch "Managment" oder "Administration" angezeigt). Die Liste der gefundenen Dokumente wird durch mehr oder weniger gefuellte Kreise ergaenzt, die anhand der Trefferquote die Relevanz abzuschaetzen versuchen. Bei gaengigen Stichworten liefert die Funktion sehr viele Fundstellen (z.B. "Industrialisierung": 101 Artikel). Es ist also dringend geboten, die Suche durch ergaenzende Begriffe einzuschraenken (z.B. "Industrialisierung UND Deutschland": 65 Artikel; "Industrialisierung UND Deutschland UND NICHT England": 24 Artikel).

4. Praktisches Arbeiten mit der CD-ROM
Angesichts der gebotenen Themenvielfalt soll an dieser Stelle nicht der Frage nachgegangen werden, ob die gebotenen Inhalte im Geschichtsunterricht verwendbar sind. Diese Frage stellt sich angesichts der lange am Markt etablierten Zeitschrift "Praxis Geschichte" auch weniger. Die grosse Vielfalt des Quellenmaterials und die ausgearbeiteten Kopiervorlagen sind sicherlich geeignet, den eifrig sammelnden Geschichtslehrer zu begeistern. An dieser Stelle soll vielmehr dargestellt werden, ob die CD-ROM fuer die Unterrichtsvorbereitung eine Verbesserung gegenueber der gedruckten Ausgabe bietet.

Westermann verspricht hierbei, die Bearbeitung der Beitraege sei mit jeder gaengigen Textverarbeitung moeglich, und gesteht dem Benutzer das Recht zu, je nach Bedarf verschiedene Materialien aus den unterschiedlichen Heften individuell zusammenstellen, ergaenzen oder kuerzen und ausgedruckt im eigenen Unterricht verwenden zu duerfen. Tatsaechlich lassen sich alle Texte ueber die Zwischenablage in ein Textverarbeitungsprogramm uebertragen. Es zeigt sich allerdings, dass dies nicht der von Adobe gedachte Verwendungszweck des Acrobat Readers(!) ist. Die auf diese Weise uebertragenen Texte enthalten am Ende jeder Zeile eine Zeilenschaltung, und Trennstriche werden zu "echten" Bindestrichen, die auch bei veraendertem Zeilenumbruch erhalten bleiben. Eine weitere Verarbeitung des Textes wird dadurch relativ unbequem.

Der Ausdruck einzelner Seiten aus dem Acrobat-Reader heraus enthuellt eine weitere Schwaeche der CD-ROM. Waehrend der Text in der Regel in guter Qualitaet wiedergegeben wird, werden Bilder zum Teil sehr unscharf ausgedruckt. Selbst das Logo "Praxis Geschichte" der Titelseite jedes Heftes enthaelt eine Vielzahl zusaetzlicher Pixel, die den Ausdruck unsauber erscheinen lassen. Farbige Bilder erscheinen auf einem (Schwarzweiss-)Laser-Drucker haeufig sehr dunkel. Es duerfte nur schwer moeglich sein, sie auf einem Fotokopierer in annehmbarer Qualitaet als Klassensatz zu vervielfaeltigen. Besonders auffaellig ist die mangelnde Qualitaet des Bildmaterials bei der Karte "Europa politisch" (Heft 2/93). Die Karte enthaelt sowohl auf dem Bildschirm als auch im Ausdruck unschoene Farbstreifen und eine uneinheitliche Farbdarstellung. Ausserdem ist im Hintergrund mehrfach der durchscheinende Schriftzug "Reclam" erkennbar. Es lassen sich weitere solcher Beispiele finden. Hier wurde anscheinend nicht genug Sorgfalt auf die Herstellung der Vorlagen verwendet. Anstelle einer Neubearbeitung des Materials hat es Westermann offensichtlich beim oberflaechlichen Einscannen der gedruckten Ausgabe belassen. Leider sind viele der Bildmaterialien auf diese Weise kaum im Unterricht verwendbar.

5. Fazit
Westermann wirbt fuer die CD-ROM mit den Worten: "Diese CD-ROM unterstuetzt Sie bei einer aktuellen und effektiven Gestaltung Ihres Geschichtsunterrichts!" Mit Sicherheit kann dem Werk im Hinblick auf das Materialangebot eine grosse Vielfalt bescheinigt werden. Dem Anspruch der Effektivitaet genuegt die CD-ROM jedoch nicht. Sowohl im Hinblick auf den Bedienungskomfort und die Navigationsmoeglichkeiten als auch hinsichtlich der Darstellungsform und der Weiterverarbeitung des Materials entspricht die CD-ROM nicht den Moeglichkeiten, die das Medium bieten koennte. Es bleibt trotz gegenteiliger Ankuendigung im wesentlichen bei einer "Uebertragung vorhandenen Materials auf ein anderes Medium", die zum Teil auch noch sehr unsauber vorgenommen wurde. Der einzige Vorteil gegenueber der gedruckten Ausgabe besteht in der "Search-Funktion", die dem Nutzer eine schnelle Erschliessung des grossen Materialangebots ermoeglicht. Zum reinen Schmoekern ist die gedruckte Ausgabe aber allemal vorzuziehen.

Redaktion
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