R. Friedmann: Ulbrichts Rundfunkmann

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Titel
Ulbrichts Rundfunkmann. Eine Gerhart-Eisler-Biographie


Autor(en)
Friedmann, Ronald
Erschienen
Berlin 2007: edition ost
Anzahl Seiten
285 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Klaus Arnold, Lehrstuhl Journalistik II, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Der Journalist, Propagandist und kommunistische Politiker Gerhart Eisler (1897-1968) wird oft nur als Bruder von Hanns Eisler und Ruth Fischer wahrgenommen. Anders als bei dem bedeutenden Komponisten und der in den 1920er-Jahren führenden KPD-Politikerin gab es zu Gerhart Eisler bisher keine umfassenden biografischen Veröffentlichungen. Dabei hat auch sein Leben einiges zu bieten: Der in Wien aufgewachsene Kommunist wirkte in den 1920er-Jahren an zentralen Stellen im Parteiapparat der KPD, er wurde nach China strafversetzt, landete über einige Umwege während der NS-Zeit in den USA, wurde dort zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt und flüchtete schließlich in die DDR. Dort war er zeitweise eine Unperson, bis er in den 1960er-Jahren zum Leiter des Rundfunks aufstieg. Gerhart Eislers Lebenslauf ist somit typisch für eine Reihe von leitenden KPD-/SED-Funktionären, die in den zahlreichen Machtkämpfen und Intrigen der Partei Minderheitenpositionen vertraten und deren Karrieren deshalb oft von sehr scharfen Brüchen gekennzeichnet waren.

Die von Ronald Friedmann vorgelegte Biografie ist zwar mit dem Titel „Ulbrichts Rundfunkmann“ überschrieben, handelt seine Tätigkeit beim Rundfunk jedoch nur auf etwas mehr als 15 Seiten ab. Der Schwerpunkt liegt eher auf den 1920er-Jahren und Eislers Emigrationsgeschichte. Der Autor war gegen Ende der DDR als diplomatischer Mitarbeiter im Außenministerium tätig und arbeitet jetzt als freier Journalist und Buchautor. Sein Band – und dies sei hier gleich vorweggenommen – hat stark hagiografische Züge. Dass es Friedmann hier weniger um eine objektive Analyse sondern um den Lebenslauf eines vorbildlichen Menschen und Kommunisten geht, ist bereits an der Einleitung ersichtlicht, in der es heißt: „Aber der Respekt und die Hochachtung, mit denen mein Vater über Gerhard Eisler sprach, haben sich mir fest eingeprägt. Und mehr als vierzig Jahre später waren sie für mich noch immer eine höchst lebendige Erinnerung, die mich bei der Arbeit an diesem Buch begleitet hat.“ (S. 11)

Bereits in seiner von einem jüdisch-bürgerlichen Elternhaus geprägten Kindheit und Jugend in Wien entwickelte der junge Eisler vielfältige Interessen: Er ist begeistert von der Literatur, aber natürlich kein Bücherwurm, sondern auch Fußballspieler und Bergsteiger. Daneben engagiert er sich in der Jugendkulturbewegung, schreibt Gedichte und Theaterstücke. Er ist Kriegsgegner, und um zu verhindern, dass er in der österreichischen Armee als politisch Unzuverlässiger unerwünschte Agitationsarbeit leistet, wird er im Ersten Weltkrieg in einem fremdsprachigen – kroatischen – Regiment der österreichischen Armee eingesetzt. Dennoch wird er wegen seiner Tapferkeit mehrfach ausgezeichnet und steigt zum Leutnant der Reserve auf.

Nach seiner Rückkehr nach Wien ist er einer der ersten Mitglieder der im November 1918 gegründeten kommunistischen Partei. Er schreibt für kommunistische Zeitungen und studiert einige Semester Jura sowie Nationalökonomie. 1920 ist er verantwortlicher Redakteur der theoretischen Zeitschrift der österreichischen kommunistischen Partei „Der Kommunismus“; 1921 holt ihn die KPD nach Berlin. Hier wird eine weitere Schwäche dieses Buches deutlich: Man erfährt nur wenig bis gar nichts über die Psyche Eislers. Warum wurde er Mitglied der kommunistischen Partei? Was hat ihn getrieben? Was waren seine Ziele? Da der Autor darauf nicht eingeht, wirkt sein Lebenslauf, vor allem in den ersten Jahren, sehr mechanistisch.

In Berlin arbeitet Eisler für mehrere Parteipublikationen und als Redakteur des KPD-Zentralorgans „Die rote Fahne“. Er schließt sich in der KP zunächst der ultralinken Gruppierung an, die den bewaffneten Kampf mit dem unmittelbaren Ziel der Machtübernahme fordert. Ab 1923 gehört er zur so genannten Mittelgruppe, die auf Kooperationen mit der SPD und den Gewerkschaften setzt. Aufgrund parteiinterner Differenzen wird er im selben Jahr bei der „Roten Fahne“ entlassen, wirkt aber nun als Oberbezirksleiter für die mitteldeutschen Bezirke der KPD. Nach der Machtübernahme der ultralinken Kräfte um seine Schwester Ruth Fischer und Arkadij Maslow 1924 verliert Eisler seine Parteiposten und arbeitet in der Folgezeit für die sowjetrussische Botschaft in Berlin.

Nachdem Fischer und Maslow 1925 auf Betreiben Moskaus abgesetzt worden sind und Ernst Thälmann neuer Parteivorsitzender wird, kann Eisler in den Parteiapparat zurückkehren, und zwar als Leiter der Informationsabteilung sowie als Kandidat von ZK und Politbüro. Allerdings führt Thälmann, durch Stalin gestützt, den linken Kurs der Partei fort. Eisler gehört hingegen einer Thälmann-kritischen, gemäßigten Gruppierung an, deren Mitglieder als „Versöhnler“ diffamiert werden. Als Eisler sich 1928 in einer Korruptionsaffäre gegen Thälmann wendet, führt dies zu seiner Entfernung aus dem Parteiapparat und zur Strafversetzung als Komintern-Mitarbeiter nach China. 1933 wird er, nachdem er gegenüber Thälmann all seine „Fehler“ zugegeben hat, in die USA geschickt, wo er als Vertreter der Komintern in der Zentrale der kommunistischen Partei der USA tätig ist.

Nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs 1936 beschließt die Komintern ihn wieder für die Arbeit in der KPD zuzulassen. Auf Beschluss des Politbüros wird er in Valencia eingesetzt, wo er für den „Deutschen Freiheitssender 29,8“ zuständig ist, der als Stimme der KP Radiosendungen nach Deutschland ausstrahlt. Ab 1937 arbeitet er in der Auslandsleitung der Partei in Paris, unter anderem als Chefredakteur der theoretischen Zeitschrift der KPD „Die Internationale“. Nach der Unterzeichung des Hitler-Stalin-Pakts 1939 wird Eisler verhaftet und mit anderen kommunistischen Funktionären im Lager „Le Vernet“ interniert. 1941 gelingt es ihm, Frankreich in Richtung Mexiko zu verlassen.

Die Reise endet jedoch in New York. Dort engagiert sich Eisler in der KP-Flüchtlingshilfe, schreibt für die US-Parteipresse und ist Mitbegründer der kommunistisch orientierten Emigrantenzeitschrift „The German American“. 1946 kommt es, ausgelöst durch öffentliche Äußerungen eines ehemaligen Redakteurs der KP-Zeitung „Daily Worker“, zu einer umfangreichen Medienberichterstattung über Eisler, bei der er als zentrale Figur der Kommunisten in den USA und als Agent der Komintern dargestellt wird. Das FBI beginnt gegen ihn zu ermitteln, Anfang 1947 wird er verhaftet. Als er bei einer Vorladung vor dem Komitee für Unamerikanisches Verhalten darauf besteht, eine persönliche Erklärung abzugeben ohne zunächst beeidigt und befragt worden zu sein, beschließt das Komitee, eine gerichtliche Strafe wegen der Missachtung des Parlaments zu fordern. Im Sommer 1947 wird er deshalb und wegen anderer Vergehen zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, kommt aber auf Kaution wieder frei. Als im April 1949 der Oberste Gerichtshof den letzten Einspruch gegen seine Verurteilung ablehnt, flieht er auf einem polnischen Schiff als blinder Passagier in Richtung Europa.

In der DDR leitet er als Mitglied des Parteivorstands zunächst das neu gegründete Amt für Information, das vor allem die Presse der Blockparteien anleiten soll. Als Stalin und die Moskauer Führung Anfang der 1950er-Jahre ihre Macht absichern und die Partei disziplinieren wollen, kommt es in allen kommunistischen Parteien im sowjetischen Machtbereich zu „Säuberungswellen“. Als Westemigrant und ehemaliger Angehöriger der Gruppe der „Versöhnler“ ist Eisler hier ein ideales Opfer. Er wird aus dem Parteivorstand entfernt und verliert nach der Auflösung des Amts für Information Ende 1952 auch seine Position im Regierungs- beziehungsweise Parteiapparat. Dass gegen ihn nicht noch härtere Maßnahmen ergriffen wurden, mag daran gelegen haben, dass sich nach dem Tod Stalins im März 1953 die Situation langsam entspannte, und – so legt Friedmann nahe –, Ulbricht seine schützende Hand über ihn gehalten hat.

1956 ist Eisler rehabilitiert und wird nun stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees. 1962 steigt er zum Leiter des DDR-Rundfunks auf. Dort war er einer der innovativsten Führungsfiguren im DDR-Medienapparat: In seine Zeit fällt zum Beispiel die Einrichtung des Jugendstudios DT 64, dass er auch vor Angriffen aus der Partei schützte. 1968 stirbt er an den Folgen eines Herzinfarkts.

Wegen der durchgehend vollkommen unkritischen Sichtweise des Autors hat die Biografie nur eingeschränkten wissenschaftlichen Wert. Sie ist jedoch zumindest in Teilen spannend zu lesen. Leider wird auf Eislers Zeit beim DDR-Rundfunk fast gar nicht eingegangen, ebenso wenig spielen die vielen Texte, die Eisler für den Rundfunk verfasst hat, eine Rolle.

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