M. Hausleitner u.a. (Hrsg.): Der Einfluss von Faschismus

Titel
Der Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus auf Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa.


Herausgeber
Hausleitner, Mariana; Roth, Harald
Anzahl Seiten
360 S.
Preis
€ 20,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Armin Heinen, Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Erst jüngst hat Stefan Troebst in H-Soz-u-Kult eine Debatte angeregt, die der Frage nachgeht, was Südost- und Ostmitteleuropa als Geschichtsregionen auszeichne. Für Karl Kaser, der die Frage in einer lesenswerten Einführung in die südosteuropäische Geschichte aus historisch-anthropologischer Sicht beantwortet hat, ist es eine Region der geografischen und kulturellen Vielfalt, der sozialen Überlagerungen und des Nebeneinanders ethnischer Gruppen.1 Dementsprechend mannigfaltig verläuft auch die Geschichte des europäischen Faschismus in Südosteuropa: als eine Geschichte widerstreitender Mehrheits- und Minderheits-Nationalismen, als autochthone Entwicklung und als kulturelle Aneignung externer faschistischer Praxen in einem Gebiet hoher sozialer Ungleichzeitigkeit.

Gewiss, das Ausgreifen von Nationalsozialismus und Faschismus nach Südosteuropa ist bereits mehrfach dargestellt, auch die Geschichte der ethnischen Minderheiten wiederholt beschrieben worden. Dass freilich selbst bei gut erforschten Themen Offenheit gegenüber unkonventionellen Herangehensweisen, die Verwendung neuen Quellenmaterials und ein vergleichender Blick unerwartete Fragen und Einsichten zu generieren vermag, beweist der von Mariana Hausleitner und Harald Roth herausgegebene Band, dessen Titel die Mehrzahl der Beiträge zutreffend charakterisiert, freilich inhaltlich darüber hinaus geht. Räumlich gelten die Beiträge der Geschichte Jugoslawiens, Rumäniens, Ungarns und der Slowakei, zeitlich der Epoche von 1918 - 1947. Obwohl so unterschiedliche Sujets wie der Umgang mit Kriegsdenkmälern in Siebenbürgen (Bernhard Böttcher), der Aufstand in Tatarbunar 1924 (Olga Schroeder-Negru), die Einstellung der deutschen und ungarischen Minderheit zu Faschismus und Nationalsozialismus (Franz Sz. Horváth, Cornelia Schlarb, Thomas Şindilariu, Carl Bethke, Zoran Janjetović, Norbert Spannenberger, József Vonyó, Christof Morrissey), das Schicksal der moldauischen Ungarn (Tschangos) (Meinolf Arens, Daniel Bein), das Judengenozid in Kroatien (Ivo Goldstein) und die Vergangenheitsbewältigung durch die evangelische Kirche in Rumänien (Pierre de Trégomain) thematisiert werden, liegt ein vergleichsweise homogener Sammelband vor. Alle Artikel – sämtlich von Nachwuchswissenschaftler/innen verfasst – wurden auf zwei Workshops in München und Gundelsheim intensiv diskutiert und erst anschließend von den Autor/innen endgültig fertig gestellt. Einleitung und Schluss der Texte binden daher die jeweilige Fragestellung an das Gesamtthema zurück.

Erfreulich ist das hohe argumentative Niveau der Studien. So diskutiert Bernhard Böttcher die Thesen von George Mosse und Reinhart Koselleck zur Funktion des Totenkultes für die “Nationalisierung der Massen” und kommt für die Siebenbürger Sachsen zu einem negativen Ergebnis, da das Religiöse durchaus überwiege und die Säkularisierung noch zu wenig fortgeschritten gewesen sei. Olga Schroeder-Negru gelingt durch eine minutiöse Schilderung des Ereignisablaufes während des Aufstandes in Tatarbunar herauszuarbeiten, warum die Bessarabiendeutschen sich als erste den Aufständischen entgegenstellen, wie sie von rumänischer Seite dafür Anerkennung erhielten und weshalb sie sich schließlich doch von den bürgerlichen Parteien ab und den rechtsradikalen Gruppen zuwandten. Überhaupt liegt eine der Stärken der Aufsätze im Verzicht auf umfassende Deutungsansätze und der Hinwendung zu lokal- und mikrogeschichtlichen Studien. So zeigt Thomas Şindilariu am Beispiel des Schwimmbadbaus in drei siebenbürgischen Städten, wie zeitlich und örtlich der NS-Jargon ganz unterschiedlich aufgegriffen wurde. Eine Vielzahl von Faktoren beeinflussten offenbar konservative Widerständigkeit oder “Faschisierung” der nationalen Minderheiten in Südosteuropa, abhängig von der Prägung durch ein vormodernes Nationalbewusstsein, konfessionellen Bindungen, generationellen Erfahrungen und organisatorischen Beziehungsgeflechten. Das militärische Ausgreifen des Dritten Reiches in den südosteuropäischen Raum eröffnete der deutschen Volksgruppe Chancen, Leitungspositionen in Politik und Wirtschaft zu übernehmen, und doch hatten immer die NS-Ideologie und die realpolitischen Interessen Berlins Vorrang vor den Belangen der deutschen Volksgruppe. Pierre de Trégomain, um ein weiteres Beispiel für einen durchaus anspruchsvollen methodischen Zugriff vorzuführen, benutzt die Foucaultsche Diskursanalyse und Überlegungen zum “Sagbaren” (Achim Landwehr), um die Argumentation der lutherischen Kirchenleitung herauszuarbeiten.

Zusammengehalten wird der Band durch eine ausführliche Einleitung Daniel Ursprungs, die einen instruktiven Überblick über die neuere Faschismusdebatte bietet, die einzelnen Beiträge ausführlich kommentiert und in den größeren Zusammenhang einordnet. Gibt es, so fragt der Autor, so etwas wie einen spezifischen “Minderheitenfaschismus”? Ursprung tendiert in diese Richtung, auch wenn er mit Stanley Payne für eine präzise Unterscheidung zwischen genuinem Faschismus, radikaler und konservativer Rechten plädiert. Als Ausgangspunkt dient ihm die von Roger Griffin vorgeschlagene Charakterisierung des Faschismus als “palingenetischer Ultranationalismus”. Damit ist der Faschismus als Ideologie charakterisiert, als spezifische Weltdeutung und können die betrachteten Fälle am Maßstab eines ultranationalistischen Wiedergeburtsdenkens gemessen werden. Doch schon die Differenzierung zwischen einzelnen Varianten des Rechtsradikalismus zeigt, dass der Verweis auf die ideologische Komponente des Faschismus als Unterscheidungskriterium nur begrenzt weiterhilft. Wolfgang Schieder, Hans-Ulrich Thamer, Sven Reichardt, Stanley Payne, Robert Paxton, auch der Rezensent selbst haben vorgeschlagen, den Faschismus als spezifisches gewaltorientiertes soziales Handeln, als durch den Ersten Weltkrieg ausgelöste politische Praxis zu verstehen, die in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen auftaucht (als nationaler Sozialismus, als Squadrismus, als Wahlpartei, als terroristische Kaderorganisation, schließlich als spezifische Form der Machtbeteiligung, des Abstoppens der Parteirevolution, der Koalitionsregierung und der Radikalisierung).2 Interessanterweise greift Daniel Ursprung denn auch auf solche Deutungsansätze zurück, um die Ausstrahlung des Nationalsozialismus in den südosteuropäischen Raum zu beschreiben und die unterschiedlich starke Nazifizierung und Faschisierung der jeweiligen ethnischen Gruppen zu erklären.

Anmerkungen:
1 Kaser, Karl, Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, Stuttgart 2002.
2 Schieder, Wolfgang, Faschismus, in: van Dülmen, Richard (Hg.), Das Fischer Lexikon Geschichte, Frankfurt 1990, S. 177ff.; Thamer, Hans-Ulrich, Der Nationalsozialismus, Stuttgart 2002, S. 454ff.; Reichardt, Sven, Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Squadrismus und in der deutschen SA, Köln 2002; Payne, Stanley G., A History of Fascism, 1914-1945, Madison 1995; Paxton, Robert O., Anatomie des Faschismus, München 2006; Heinen, Armin, Erscheinungsformen des europäischen Faschismus, in: Dipper, Christof; Klinkhammer, Lutz; Nützenadel, Alexander (Hgg.), Europäische Sozialgeschichte. Festschrift für Wolfgang Schieder, Berlin 2000, S. 3ff.

Kommentare

Von Popa, Klaus28.09.2006

Stellungnahme zur Rezension von Armin Heinen vom 17.08.2006 zu "Der Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus auf Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa", hg. Von Mariana Hausleitner und Harald Roth, München 2006.

Die Besprechung von Armin Heinen betrachtet den Sammelband aus der Perspektive der in den letzten Jahren sich etablierenden komparatistischen Sichtweise, die das Feld der jeweiligen Nationalhistorien in Richtung zwischen- und übernationaler Räume überwinden und den entsprechenden Diskurs etablieren möchte. Heinen hebt als "eine der Stärken der Aufsätze" "die Hinwendung zu lokal- und mikrogeschichtlichen Studien" hervor, wodurch "ein vergleichender Blick" entstehe, der "unerwartete Fragen und Einsichten zu generieren vermag". Armin Heinen möchte weiterhin "bei gut erforschten Themen Offenheit gegenüber unkonventionellen Herangehensweisen" und "die Verwendung neuen Quellenmaterials", sowie das "erfreulich" "hohe argumentative Niveau der Studien", bescheinigen, was er aber nur für drei Aufsätze geltend macht (Böttcher, Schroeder-Negru, Sindilariu). Allerdings erweist sich gerade die mikrogeschichtliche Ebene mit gravierenden Makeln am meisten behaftet. Doch diese bleibt bei Heinen unbeleuchtet, weil er sich ausschließlich nach makrogeschichtlichen Kriterien und Erkenntnissen ausrichtet, wie die von ihm selbst und von Wolfgang Schieder, Hans-Ulrich Thamer, Sven Reichardt, Stanley Payne und Robert Paxton entworfenen, vornehmlich theoretischen Unterscheidungskriterien des Faschismus. Auch diskursmäßig bewertet Armin Heinen nur die Makrodimension, wenn er bei Pierre de Trégomain "ein weiteres Beispiel für einen durchaus anspruchsvollen methodischen Zugriff" foucaultscher Prägung hervorhebt.

Wenn nun einzelne der hier behandelten Fallbeispiele hin auf ihre vornehmlich mikrostrukturellen Themensetzungen und den jeweils eingesetzten Diskurstyp abgeklopft werden, werden eine Reihe von handwerklichen Missgriffen offenbar, die kaum in das von Heinen ausgemalte Bild "gut erforschter Themen" passen.

Daniel Ursprungs Eingangsbeitrag darf eher als bibliografische Bestandsaufnahme der Faschismustheorien der letzten Jahrzehnte denn als effektiv weiterführendes Instrument praktischer Handhabe für die Herausarbeitung von Unterscheidungs- bzw. Definitionskriterien spezifischer Erscheinungsformen von Faschismus bzw. Nationalsozialismus bei den anvisierten Minderheiten gelten. Der praktische Wert seiner Ausführungen ist auch dadurch problematisch, dass Verfasser in theoretischer Überhöhung vermeint den Interpretationsschlüssel gefunden zu haben, unter dezidierter Ablehnung dessen, was er "empirisches Wissen" oder "empirische Ebene" nennt (S. 20, 23), zudem unter ausschließlicher Anwendung in Richtung des kommunistischen, nicht aber des faschistisch-nationalsozialistischen Totalitarismus und Autoritarismus. Ein so gepoltes Diskursumfeld generiert Axiome der Art: "Der Faschismus in Ostmittel- und Südosteuropa manifestierte sich nämlich kaum in Form von politischen Systemen, sondern hauptsächlich in Gestalt von Gruppen und Bewegungen, die zwar die Herrschaft anstrebten, diese aber nur in den seltensten Fällen und auch dann nur für kurze Zeit errangen. Die Geschichte des Faschismus in diesem Raum ist daher vor allem die Geschichte von oppositionellen Bewegungen und nicht von Regimen". (S. 22) Dieser Schreibweise zufolge sollen nur die "Ustascha" in Kroatien, die "national-legionäre" Episode in Rumänien und das Regime der "Pfeilkreuzkler" in Ungarn faschistisch gewesen seien (S. 48f.), nicht die eindeutig faschistischen Regime von Antonescu und Horthy. Diesem problematischen Axiom hängen auch Spannenberger und Vonyo an, obzwar sie die rassistische und Herrenvolk"-Komponente der einzelnen Regierungen unter Horthys Präsidentschaft und deren vier "Judengesetze" (1938, 1939, 1941, 1942) erwähnen.

Von oberflächlicher Recherche zeugt sowohl der bei Spannenberger und Vonyo wie bei Zoran Janjetovic vertretene maximalistisch-quantitative Standpunkt, dass die Rezeption des Nationalsozialismus – der Begriff "Nazifizierung" wird bei Spannenberger/Vonyo peinlichst vermieden - bei den jeweiligen "volksdeutschen" Minderheiten zwingend an die organisatorische Gesamterfassung in Form einer "Volksgruppe" gebunden sei. Dieser Zustand sei bei den Deutschen in Ungarn nur seit 1941 vorhanden ("eine homogene oder zumindest überwiegend einheitlich erfasste Volksgruppe" bzw. die "Artikulierung kollektiver Interessen seitens der deutschen Minderheit" (S.246)). Bei den "Donauschwaben" könne laut Janjetovic nichts Feststehendes behauptet werden, weil "[...] die ideologische Nazifizierung im Unterschied zur organisatorischen Gleichschaltung nie vollständig war" (S. 226f.). Von diesen Autoren zieht Spanneberger, der Schreiber des zweiten Aufsatzteils, keine Archivunterlagen heran, Vonyo weist Quellen aus, büßt aber an Prägnanz ein, indem sein Mitautor sich auf ehemalige Spitzenfunktionäre der "Volksgruppen" beruft und deren Tendenz der Verharmlosung und des Geschichtsrevisionismus anstandslos teilt. Diesem Prozedere ist es zu verdanken, dass Spannenberger die Argumentation der damaligen radikal-nationalsozialistischen Akteure einsetzt, um die vom Minderheitenpolitiker Jakob Bleyer verfolgte Abstimmung der Interessen der ungarischen Minderheit mit dem Horthy-Regime zu verurteilen als von den ungarischen Eliten aufgestellte "Gegenbewegung" oder als eine "Ersatzideologie" welche die ungarische Elite mit Bleyer habe installieren wollen, die als die "Deutschungar-Variante" in die Geschichte eingegangen sei. Auch sei die "Bleyersche Ideologie für die deutsche Minderheit eine Zumutung" gewesen. Solchen Behauptungen liegen Schriften der Volksgruppenfunktionäre Spiegel-Schmidt (Die kulturpolitische Konzeption Jakon Bleyers) (1983) und Johann Weidlein (Geschichte der Ungarndeutschen in Dokumenten 1930-1950) (1958) (S.246-247) zugrunde. 1

Problematisch ist auch die unhistorische Kombinatorik von Stereotypen bzw. Klischees. So sei der NS die einzige Alternative der "Volksdeutschen" gewesen, um der Bedrängnis durch einheitsstaatlich ausgerichtete Mehrheitsvölker (Ungarn, Rumänien, Serben) entgegenwirken zu können ("... wobei die profaschistische Haltung allenfalls eine Folge, nicht aber die Ursache war" (Ursprung, S. 43; Spannenberger S. 247,250). Diese Minderheit soll niemals eigeninitiativ im NS-Sinn und als 5. Kolonne zugunsten des "Dritten Reiches" aktiv geworden sein, obzwar die überlieferten Quellen ein gegenteiliges Bild liefern.2 Es habe sich ausschließlich um eine missbräuchliche Instrumentalisierung der Minderheit durch das Hitlerreich gehandelt, eine These, die auch der Rezensent Heinen teilt ("und doch hatten immer die NS-Ideologie und die realpolitischen Interessen Berlins Vorrang vor den Belangen der deutschen Volksgruppe"). Morissey erwähnt mit keinem Wort, dass die "Deutsche Partei" der Slowakei eigentlich eine NS-Partei war und schreibt die nach der Doktrin des "Volks- und Kultuhrbodens" ausgerichtete "Heimatforschung" ausschließlich der Initiative des "Reichs" zu; Janjetovic behauptet, die Instrumentalisierung der deutschen Minderheit im Interesse der aggressiven Außenpolitik des Reiches entspräche "nicht völlig den Tatsachen" (S. 227), weil die Donauschwaben "für die NS-Führung nur ein Instrument für ihre Machtausübung – wie auch das gesamte deutsche Volk" gewesen seien. (S. 233) Laut Spannenberger sei die deutsche Minderheit in Ungarn bereits seit 1933 das "Bauernopfer" zwischen der Berliner und der Gömbös-Regierung gewesen (S. 247). Die "Opfer"-Rolle wird dann auf die frühe Nachkriegszeit ausgedehnt, wobei die Vergeltungsmaßnahmen der jeweiligen kommunistischen Regime als ungerechtfertigt betrachtet werden. Janjetovic wendet sich dagegen, dass "die kommunistische Geschichtsschreibung in Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg die ganze deutsche Minderheit als "Faschisten" abgestempelt hat" (S.213), übersieht aber, dass der "volksdeutsche" "Selbstschutz" beispielsweise in der Phase der Zerschlagung des Staates Jugoslawien recht aktiv war und dass die hauptsächlich aus Jugoslawiendeutschen zusammengesetzte SS-Division "Prinz Eugen" systematisch Gräueltaten an der südslawischen Bevölkerung beging.

Besonders problematisch erscheint die national festgelegte Sichtweise von Horvath und von Arens/Bein. Horvath bringt mit keinem Wort zur Sprache, dass die ungarischen Minderheit in Rumänien sich mit dem ungarischen Staatsfaschismus, also auch mit dessen Antisemitismus und Grenzrevisionismus in Richtung Siebenbürgen identifiziert habe (S. 95). Er erwähnt, dass die sogenannte "Paneuropabewegung" in den Kreisen der Minderheit ihre Anhänger fand (S. 95f.), führt aber mit keinem Wort aus, dass es sich um die seit den endzwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von deutsch-völkischen/pangermanischen Interessen dominierte, zudem antisemitisch ausgerichtete Politik des "Nationalitätenkongress" in Genf handelt.3 Das Verbot aller Parteien, also auch der "Ungarischen Landespartei" durch die rumänische Königsdiktatur sei "politische Kulturlosigkeit". Keinerlei Bedenken erweckt hingegen, dass die ungarischen Zeitungen den "Anschluss" Österreichs als "normal" und als "historische Wende" auslegten (S. 121-122). Auch die Formulierung vom "postulierten Nationalstaat Rumänien" (S. 131) zeugt nicht von wissenschaftlicher Neutralität. Arens/Bein flechten polemische Bemerkungen über das "nationalkommunistische" Ceausescu-Regime ein (S. 272); die Antonescu-Diktatur in Rumänien stufen sie als faschistisch ein, vermeiden aber, die ungarischen Regierungen bis einschließlich Sztojay faschistisch zu nennen (S. 276f.). Auch rezipieren Verfasser die deutschen Schriften nationalitätenpolitischen Charakters und über die Tschangos (ab 1939) vorbehaltlos, weisen hingegen die Veröffentlichungen, welche den rumänischen Anspruch auf die Nationalität der Tschangos in der Moldau reklamieren, entschieden zurück (S. 281 u.ö.). Die von Armin Heinen diesem Sammelband zugeschriebenen "Stärken" wie "das hohe argumentative Niveau", "Unkonventionelle Herangehensweisen" oder der "Verzicht auf umfassende Deutungsansätze" treffen damit insgesamt nur bedingt zu.

Anmerkungen:
1 Zu den demokratischen, antinazistischen Bestrebungen von Jakob Bleyer vgl. Klaus Popa (Hg.), Die Rumäniendeutschen zwischen Demokratie und Diktatur. Der politische Nachlass von Hans Otto Roth 1919-1951, Frankfurt am Main etc. 2003, Nr.205, S.394f.; Nr.210, S.400-402; Nr.211, S.402f.; Nr.213, S.404f.; Nr.222, S.411f.; Nr.224, S.413f.; Nr.227, S.416f.
2 Für die deutsche Minderheit in Rumänien vgl. Klaus Popa (Hg.), »Akten um die "Deutsche Volksgruppe in Rumänien" 1937-1945«, Frankfurt am Main etc. 2005.
3 Vgl. Sabine Bamberger-Stemmann: Der Europäische Nationalitätenkongreß 1925 bis 1938. Nationale Minderheiten zwischen Lobbyistentum und Großmachtinteressen, Marburg 2000; die Propagandazeitschrift "Nation und Staat", Wien, 1928-1944. Zum Antisemitismus des "Nationalitätenkongress" vgl. Popa (wie Anm.1), Nr.458, S.721-725.


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension