C. S. Maier: Among Empires. American Ascendancy and Its Predecessors

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Titel
Among Empires. American Ascendancy and Its Predecessors


Autor(en)
Maier, Charles S.
Erschienen
Cambridge, MA 2006: Harvard University Press
Anzahl Seiten
384 S.
Preis
€ 25,80
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Anne Friedrichs, Zentrum für Höhere Studien, Universität Leipzig Email:

Texte auf Schutzumschlägen haben etwas Seltsames: „This is a truly masterly essay,“ und „I cannot praise it too highly“, liest man im vorliegenden Fall etwa von Niall Ferguson, der wiederholt über die historische Analogie zum britischen Empire für eine konsequentere Imperialpolitik der Vereinigten Staaten argumentiert hat.1 Auch wenn dieses Lob für Maier keineswegs zu niedrig gegriffen erscheint, so fragt man sich dennoch etwas erstaunt, aus welchem Zusammenhang der Verlagslektor diese Äußerung Fergusons gerissen haben mag. Denn was Maier mit diesem Buch vorlegt, ist pointiert formuliert ein ‚Anti-Ferguson’, genauer gesagt: eine deutliche Erinnerung an die Kosten und strukturelle Ungleichheit, die ein Imperium bei allen materiellen und politisch-psychologischen Gewinnen mit sich bringt.

Maiers Studie ist jedoch mehr. Zum einen sticht sie durch starke analytische Passagen hervor, in denen Maier ältere Forschungskenntnisse pointiert und unter neuen oder leicht verlagerten Gesichtspunkten präsentiert, und damit sein Buch zu einer nützlichen Fundgrube für den vergleichenden Empire-Historiker macht. Zum anderen bietet Maier ein breit angelegtes historisches Narrativ über die konjunkturelle Entwicklung US-amerikanischer Vorherrschaft für die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts an. Freilich dürfte der Leser, der eher nach einer systematisch-tiefgreifenden Untersuchung statt nach anregender Lektüre sucht, kaum mit dieser Studie glücklich werden, handelt es sich doch sowohl ihrem eigenem Anspruch nach als auch in der Durchführung deutlich um einen ausgeweiteten Essay.

Rhetorisch geschickt setzt Maier zwei zentrale Fragen an den Beginn seiner Studie, nämlich: erstens, ob es sich bei den heutigen Vereinigten Staaten um ein Empire im klassischen Sinne handele, sowie zweitens welche langfristigen Folgen dieses gegebenenfalls gerade für die US-amerikanische Gesellschaft habe. In der Diskussion dieses Anliegens geht Maier in zwei großen Teilen vor: Arbeitet er im ersten Abschnitt überwiegend allgemeine Grundzüge der historischen Imperien im Vergleich zu den Vereinigten Staaten heraus, konzentriert sich der zweite Teil seines Buches auf die Erzählung der konjunkturellen Entwicklung der US-amerikanischen Vorherrschaft nach 1945.

Die Empire-Definition, die Maier dazu im ersten Teil des Buches entwickelt, ist streng genommen nicht neu, besticht jedoch durch ihre analytische und argumentative Schärfe. Maier trennt hierzu präzise imperialen Expansionsprozess und Herrschaftsstruktur voneinander ab, wobei er letztere als das entscheidende Kriterium bestimmt, nach dem ein Staat als Imperium zu definieren sei. Jene imperiale Herrschaftsstruktur aber sei erstens dadurch charakterisiert, dass sie auf einem institutionalisierten Netzwerk transnationaler Eliten beruhe. Gerade dieses ausgeprägte hierarchisierende Element führe jedoch dazu, dass sich langfristig elitäre Institutionen gegenüber egalitären Strukturen durchsetzten und ein auffälliges soziale Gefälle sowohl zwischen Metropole und Peripherien als auch zwischen den Gesellschaftsschichten produzierten.

Zweitens arbeitet Maier die entscheidende Institution der imperialen Grenze in ihren Funktionen, Typen und Grenzregimen heraus. Drittens geht Maier schließlich auf die charakteristische Gewalttätigkeit von Imperien ein, wie sie besonders stark in den Grenzregionen zum Ausdruck käme. Anders als die Hegemonialmacht basiere ein Imperium, so Maier, nämlich nie allein auf weichen Machtfaktoren, sondern stets auch auf militärischer Gewalt. Kurzum: Imperien zeichneten sich bei all ihren Unterschieden durch gemeinsame Grundstrukturen – institutionalisierte transnationale Elite-Netzwerke, imperiale Grenzregime und ein Gewalt-Repertoire – aus.

Stellen die Vereinigten Staaten nach diesem Merkmalskatalog ein klassisches Imperium dar? So klar Maier diese Frage auch formuliert, so unklar bleibt er in seiner Antwort. Kündigt er noch in der Einleitung an, „the United States reveals many, but not all – at least not yet – of the traits that have distinguished empires” (S.3), hindert diese Aussage ihn offenbar wenig daran, den Begriff des Empires immer mal wieder für die Vereinigten Staaten zu verwenden. Und auch wenn Maier jene Grundzüge im Vergleich zu den Vereinigten Staaten diskutiert, stellt er doch hauptsächlich ihre Ähnlichkeiten heraus. Klar bleibt in diesem Sinne nur, dass die Ausbildung eines Imperiums nicht nur positive Folgen, sondern auch langfristig eine deutliche Hierarchisierung, soziale und geographische Ungleichheit, den Kontrollverlust über Krieg und Frieden sowie erhöhte Gewalt in den Grenzregionen mit sich bringen werde.

Standen im ersten Teil des Buches noch allgemeine Charakteristika der Imperien im Vordergrund, wendet sich Maier im zweiten Teil primär der Aufgabe zu, die 2. Hälfte des 20. Jahrhundert als wechselhafte Konjunktur der US-amerikanischen Vorherrschaft zu erzählen. Während er zunächst in einem Kapitel zentrale Grenzziehungen, die Bedingungen westlicher Verteidigungsallianzen sowie die Herausforderungen der Grenzen von sowjetischer Seite vor dem Hintergrund des Kalten Krieges beschreibt, konzentrieren sich die weiteren beiden Kapitel auf Aufstieg, Krise und Wiederaufstieg der amerikanischen Dominanz. Während zwischen den 1940ern und 60ern ein erster Höhepunkt über ein ‚empire of production’ entstehe, breche dieses zwar in den 70ern deutlich ein, um zugleich jedoch einen neuen Aufschwung zu einem erneuerten ‚empire of consumption’ in den 80er Jahren vorzubereiten. Maiers zentrales Argument ist dabei, dass jener amerikanischer Aufstieg nicht durch den Erwerb oder die Eroberung fremder Gebiete zu erklären sei. Was sich hingegen als entscheidend erweise, sei erstens die potentielle Kontrolle anderer Gebiete, zweitens die starke ökonomische Position sowie drittens Amerikas kulturelle Attraktionen und Ideologien. Schließlich – hier ganz Paul Kennedy folgend – bilde die relative Schwäche der anderen Staaten im 20. Jahrhundert eine entscheidende Hintergrundfolie.

Maiers Anspruch, nicht mehr als einen ausgeweiteten Essay liefern zu wollen, lässt Kritikpunkte, die man bei der Lektüre hier und dort anzubringen gedenkt, in der Regel als unangemessen erscheinen. So könnte die Beziehung zwischen erstem und zweitem Teil der Monographie für den Leser einsichtiger herausgestellt sein. Überdies ist auffällig, dass auch Maier ein weiteres Mal das römische und britische Imperium – neben mitunter noch dem französischen Fall – vorrangig für die Herausbildung der imperialen Charakteristika sowie als Vergleichsgrundlage für die Vereinigten Staaten heranzieht.

Kritisch scheint aber besonders, dass Maier, die eigene Frage, ob es sich bei den Vereinigten Staaten der Gegenwart um ein Imperium handele, nicht deutlich beantwortet und Aussagen und begrifflich-konzeptionelle Umsetzung mitunter ein merkwürdiges Spannungsverhältnis eingehen. Ein Grund mag darin bestehen, dass möglicherweise nicht-kommunizierte Annahmen konträr zum theoretisch-intellektuellen Anliegen stehen, die Gegenwart als offene und wandlungsfähige Situation zu präsentieren.

Historiker haben sich immer mit großangelegten Essays und Synthesen in die politischen Debatten gemischt – und Maier ist mit seinem Buch in der Tat eine kluge Alternativposition zu Ferguson gelungen. Doch wird abzuwarten bleiben, wer jene politischen Botschaften, die diese historiographische Textgattung besonders deutlich transportiert, in ihren grundlegenden weltanschaulichen Unterschieden entziffern mag. Möglicherweise sind gerade Autoren wie Ferguson daran weniger interessiert.

Anmerkungen:
1 Vgl. insbes. Ferguson, Niall, Colossus. The Rise and Fall of the American Empire, London 2004 (in den USA erschienen als: Colossus. The Price of America’s Empire, New York 2004; deutsch: Das verleugnete Imperium. Chancen und Risiken amerikanischer Macht, Berlin 2004). Siehe auch ders., Empire. How Britain Made the Modern World, London 2003 (in den USA erschienen als: Empire. The Rise and Demise of the British World Order and the Lessons for Global Power, New York 2003).

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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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