S. Cormack: The space of death in Roman Asia Minor

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Titel
The Space of Death in Roman Asia Minor.


Autor(en)
Cormack, Sarah
Reihe
Wiener Forschungen zur Archäologie 6
Erschienen
Anzahl Seiten
352 S.
Preis
€ 69,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Oliver Hülden, Historisches Seminar, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Seit 1985 war Sarah Cormack an diversen Surveys in Pisidien beteiligt. Sie hat sich seitdem intensiv - und nicht zuletzt im Rahmen ihrer Dissertation 1 - mit den dortigen Nekropolen beschäftigt. Mit "The Space of Death" knüpft Cormack nun unmittelbar an ihre Dissertation an, freilich nicht ohne den Hinweis, dass das jüngste Werk eine konzeptionelle wie empirische Weiterentwicklung darstellt (S. 11). Und tatsächlich befasst sie sich nicht mit typologischen oder anderen spezifisch archäologischen Fragen, sondern möchte die Gräber in ihren vielfältigen Beziehungsgeflechten betrachten und interpretieren. Dieses Ziel versucht sie in acht Kapiteln zu erreichen, an die sich ein Katalog der zugrunde gelegten Gräber anschließt.

Mit dem Titel "Historical background" ist Kapitel 1 überschrieben. Der Leser erfährt hier jedoch nur sehr wenig über die historischen Hintergründe, vor denen das Entstehen und die Ausbreitung der 'Tempelgräber' in Kleinasien erfolgten. Vielmehr bietet das sehr knapp gehaltene Kapitel einen wenig systematischen Abriss über die Grabarchitektur und -kultur im vorkaiserzeitlichen Kleinasien. Während ein Großteil (S. 18-22) der ausgewählten Beispiele aus Lykien stammt, werden die durchaus unterschiedlichen Entwicklungen in anderen Regionen allenfalls am Rande besprochen.

Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Lage von Gräbern. Dabei liegt der Schwerpunkt der Betrachtung einerseits auf Gräbern innerhalb ummauerter Bezirke (periboloi) und andererseits auf dem Phänomen intramuraler Grabanlagen. Cormack arbeitet hier durchaus interessante Sachverhalte heraus, versäumt es aber, auch andere Formen der Platzierung von Gräbern in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. So werden etwa die Integration von Grabanlagen in Gräberstraßen (beispielsweise in Elaiussa-Sebaste) oder größere Nekropolenareale nicht thematisiert. Darüber hinaus wäre in diesem Kapitel eine Beachtung regionaler Unterschiede und Traditionen sinnvoll gewesen.2

In ihrem dritten Kapitel befasst sich Cormack mit den architektonischen Charakteristika der Gräber. Sie behandelt jedoch nicht alle baulichen Gestaltungselemente, und es bleibt unverständlich, weshalb die Untersuchung einiger Komponenten, wie etwa der Unterbauten bzw. Podien, fehlt. Zwar werden zu Recht immer wieder der Eklektizismus und ebenso die lokalen Unterschiede und Traditionen bei der Gestaltung der 'Tempelgräber' betont, der Leser kann sich - nicht zuletzt mangels eines chronologischen Gerüsts - aber kaum ein umfassendes Bild der disparaten Materialbasis verschaffen. Im Übrigen werden ihm die regionalen Traditionsstränge weitgehend unsystematisch präsentiert 3, auch fehlt eine Skizzierung möglicher baulicher Veränderungen und Weiterentwicklungen im Verlauf der Kaiserzeit.

Kapitel 4 betrachtet die Darstellung des Verstorbenen, wobei die Unterteilung des Kapitels nicht recht einleuchten will und zu Überschneidungen und Wiederholungen führt. Nicht anzulasten ist der Autorin freilich der Umstand, dass die Materialbasis für konkretere Aussagen zur Ausstattung der Grabanlagen mit Bildnissen der Verstorbenen sehr gering ist. Da zudem keines der Statuenfragmente in situ gefunden wurde, kann über ursprüngliche Aufstellungsorte allenfalls spekuliert werden. Auch die Inschriften vermögen mit ihren eher unspezifischen Angaben in diesen Fragen kaum weiterzuhelfen.

Der weiteren bildlichen Ausstattung der Gräber und deren Bedeutung ist das fünfte Kapitel gewidmet. Im ersten knappen Abschnitt wird die vergleichsweise seltene politische Symbolik im Dekor abgehandelt, was mit dem zweifelhaften Ergebnis endet: "That alluding to a form of apotheosis was privileged over the commemoration of a successfull political career." (S. 80) Im Folgenden werden mehr oder weniger ausführlich die Darstellungen von Waffen, Löwen, Stieren, des Gorgoneions und mythologischen Motiven behandelt. Dem schließen sich Ausführungen zu weiteren selteneren Motiven und ein Abschnitt zur Malerei sowie zu Bildern an, die man im Grabkontext vielleicht erwarten würde, die aber offensichtlich fehlen.

In Kapitel 6 steht der Totenkult mit seinen Ritualen im Mittelpunkt, wobei insbesondere auf die Interaktion zwischen den Lebenden und den Verstorbenen abgehoben wird. Das Kapitel beginnt mit der Darlegung von Kriterien, die eine Identifizierung kultischer Aktivitäten im archäologischen Befund zulassen (S. 106). Anschließend erfolgt in zwei getrennten Abschnitten eine Gegenüberstellung der Bestattungssitten und des Totenkultes im Westen und im Osten des Römischen Reiches. Auch hier sind wiederum eine mangelnde Systematik sowie die zu geringe Berücksichtigung regionaler Entwicklungen und Traditionen zu beklagen. Zuletzt ist die Übertragung jüngerer philosophischer Denkansätze (Michel Foucault) auf die antiken Verhältnisse zwar nicht unpassend (S. 106f., 122), trägt aber wenig zu deren besseren Verständnis bei.

Die mit den Gräbern verbundenen Inschriften hat Kapitel 7 zum Inhalt, das sich in weiten Teilen mit Fluchformeln und Strafandrohungen auseinandersetzt. Cormack stellt hier die sakrale Komponente der Inschriften zu stark in den Vordergrund, wenn sie beispielsweise das Auftauchen des Begriffes hierosylos (Tempelräuber) als Beleg für die Ansprache der Gräber als "sacred spaces" anführt (S. 127). Demgegenüber kommt der Urkundencharakter vieler Grabinschriften im Sinne juristischer Texte deutlich zu kurz. Etwas unglücklich ist hier - wie an anderen Stellen (etwa S. 115, 160) - auch die Anwendung des Begriffes "locus religiosus", da die Übertragung dieses primär rechtlichen Begriffes aus dem römischen Westen auf die Gräber im Osten sicherlich nicht unproblematisch ist. Ein zweiter Teil dieses Kapitels ist der Differenzierung nach Geschlecht und sozialem Status in den Inschriften gewidmet, wobei sich Cormack hauptsächlich mit den Frauen beschäftigt und die Rolle der Männer offensichtlich als weitgehend bekannt voraussetzt. Ein letzter Abschnitt hat die ästhetische Komponente der Inschriften zum Inhalt.

Das abschließende achte Kapitel fasst Cormacks Ergebnisse unter dem Motto "dignitas non moritur" zusammen. Überraschenderweise werden erst jetzt Definitionen der zuvor schon permanent verwendeten Begriffe "Heros" und "Heroon" nachgeliefert (S. 147ff.). Insbesondere Cormacks Schlussfolgerungen bezüglich des Stellenwertes dieser Begrifflichkeiten in der Kaiserzeit und insofern auch ihre pauschale Deutung der entsprechenden Heroa sind hier in Zweifel zu ziehen. Beendet wird das Kapitel mit dem Versuch, die Rolle der untersuchten Gräber durch einen eklektischen Griff in die soziologische Theorie (Pierre Bourdieu) zu erklären (S. 158f.). Auch bei diesem "Ausflug" in eine andere Disziplin lässt sich zwar das antike Phänomen in die moderne Theorie einpassen, dadurch wird jedoch keineswegs eine tiefergehenden Erkenntnis über die antiken Verhältnisse gewonnen.

An den Text schließt sich der verhältnismäßig gut strukturierte Katalog an, mit dem sich der Leser rasch einen umfassenden Überblick über die einzelnen Gräber und ihre Ausstattung verschaffen kann; bei einigen Datierungen ist allerdings Vorsicht geboten. Im Übrigen ist seine durchwegs gute Bebilderung lobend hervorzuheben.

Wie sich bei der Besprechung der einzelnen Kapitel schon abgezeichnet hat, bleibt "The Space of Death" hinter dem angepeilten Ziel zurück, die Gräber in ihren vielfältigen Beziehungen zu ihrer Umwelt zu untersuchen. Dafür ist in erster Linie Cormacks häufig unsystematische und zu stark verallgemeinernde Vorgehensweise verantwortlich. Der Sinn generalisierender Darstellungen ist freilich nicht zu bestreiten; sie müssen sich aber innerhalb eines klar definierten Rahmenwerks bewegen. Bei Cormack macht sich dagegen fast durchgängig das Fehlen eines chronologischen Gerüsts ebenso bemerkbar wie die weitgehende Absenz einer differenzierenden Betrachtung der einzelnen Regionen Kleinasiens. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls der Mangel an einer deutlicheren Trennung nach Herkunft und konkreter sozialer Stellung der Bestatteten zu beklagen (beispielsweise eine Unterscheidung in Angehörige der Reichsaristokratie und Angehörige lokaler Eliten). Das Buch ist also leider trotz seiner ansprechenden Aufmachung sowohl für einen Leserkreis ohne als auch mit entsprechenden Vorkenntnissen nur bedingt verwendbar. Seine aufgezeigten Schwächen treten insbesondere im Vergleich mit der 2003 erschienen Dissertation von Christof Berns zu den frühkaiserzeitlichen Grabbauten Kleinasiens zu Tage 4, auf deren Ergebnisse Cormack nicht mehr zurückgreifen konnte (S. 12). Eines führt "The Space of Death" jedenfalls deutlich vor Augen: Es zeigt, wie bruchstückhaft der Kenntnisstand zur antiken Grabarchitektur und -kultur in Kleinasien nach wie vor ist und wie vorsichtig der Umgang mit dieser fragmentarischen Überlieferungssituation sein sollte.

Anmerkungen:
1 Cormack, Sarah, "Non inter nota sepulcra". Roman Temple Tombs of South West Asia Minor, New Haven 1992.
2 Beispielsweise wird für Lykien schon seit langem das Phänomen der Einbeziehung von Grabanlagen auch einfacheren Typs in den Siedlungsraum kontrovers diskutiert, vgl. schon Benndorf, Otto; Niemann, George, Reisen im südwestlichen Kleinasien, Bd. 1: Reisen in Lykien und Karien, Wien 1884, S. 101; vgl. zuletzt auch Iskan, Havva, Zum Totenkult in Lykien I: Ein datierbares Felsgrab in Patara und Leichenspiele in Lykien, Istanbuler Mitteilungen 52 (2002), S. 273-309, hier S. 274f., Anm. 3.
3 So wäre es beispielsweise für Lykien durchaus erwähnenswert gewesen, dass die Vorbilder der freistehenden Grabhäuser und Fassadengräber klassischer Zeit möglicherweise in der hölzernenen Sakralarchitektur zu suchen sind, vgl. Marksteiner, Thomas, Wohn- oder Sakralbauten. Die Suche nach den hölzernen Vorbildern lykischer Felsgräber, Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts 62 (1993), S. 87-94.
4 Berns, Christof, Untersuchungen zu den Grabbauten der frühen Kaiserzeit in Kleinasien (Asia Minor Studien 51), Bonn 2003.

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