F. Weber: Herodes - König von Roms Gnaden?

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Titel
Herodes - König von Roms Gnaden?. Herodes als Modell eines römischen Klientelkönigs in spätrepublikanischer und augusteischer Zeit


Autor(en)
Weber, Florian
Erschienen
Anzahl Seiten
123 S.
Preis
€ 40,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Julia Wilker, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Die Person Herodes' des Großen hat in der althistorischen Forschung schon immer starkes Interesse gefunden und ist in den vergangenen Jahrzehnten vielfältig behandelt worden.1 Das anzuzeigende Buch von Florian Weber, das auf eine Magisterarbeit zurückgeht, stellt nun die Funktion des Herodes als römischer Klientelkönig in den Mittelpunkt und versucht, sein Denken und Handeln aus dieser Stellung zu erklären (S. 8). Die Untersuchung gliedert sich damit in zwei Hauptteile: Zunächst wird die Institution des Klientelkönigtums in Terminologie, staatsrechtlicher Definition und praktischer Ausgestaltung in allgemeiner Form behandelt, darauf aufbauend soll in einem zweiten Hauptteil Herodes in seiner Eigenschaft als Klientelherrscher und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für seine Herrschaft und deren Bewertung untersucht werden.

Der erste Hauptteil über die Institution des römischen Klientelkönigtums (S. 13-52) beginnt mit der terminologischen Problematisierung. Weber folgt hier der überwiegenden Forschungsmeinung, dass eine Übertragung des privatrechtlichen Klientelbegriffs auf die staatsrechtliche Ebene dem Charakter der abhängigen Herrschaft kaum gerecht wird, auf den Terminus des Klientelkönigs jedoch allein aus Konvention und Mangel an Alternativen nicht verzichtet werden kann. Es folgt eine Untersuchung der Aufgaben und „Rechte" von Klientelherrschern (S. 20-41). Als wesentliche Funktionen der Klientelstaaten gegenüber Rom macht Weber zunächst die Sicherung der Grenzen sowie Hilfsleistungen und die Unterstützung bei militärischen Operationen aus, hinzu kommen die allgemeine Ausrichtung der Innenpolitik im Rahmen der römischen Vorgaben, eventuelle Tributzahlungen, eine Forcierung der Romanisierungsbestrebungen und schließlich die Informationsbeschaffung. Als wichtige „Rechte", die sich für die Klientelherrscher aus der Beziehung zu Rom ergeben, sieht Weber die Verleihung des römischen Bürgerrechts, von Ehrentiteln und ähnlichen Ehrgeschenken, die weitgehende innenpolitische Selbstständigkeit sowie die militärische und politische Garantie der eigenen Position durch Rom an.

Diesen Teil über das römische Klientelkönigtum im Allgemeinen schließt ein chronologischer Überblick über die Entwicklung dieser Institution von der späten Republik bis zu den Flaviern ab. Durch die Politik des Pompeius und des Antonius wurde die Etablierung abhängiger Herrscher zum dominierenden Kontrollinstrument im Osten des Römischen Reiches; ein System, dass Octavian/Augustus nach der Schlacht von Actium im Wesentlichen übernahm. Durch das neue Herrschaftsverständnis des augusteischen Prinzipats wurden die Klientelstaaten allerdings nun als Teil des Reiches angesehen 2 und die Klientelbeziehungen in der Person des Princeps monopolisiert; die Klientelstaatenpolitik stabilisierte damit auch die innerrömischen Machtverhältnisse (S. 42f.). Obwohl die abhängigen Herrscher und ihre Reiche damit als integraler Bestandteil römischer Herrschaftspolitik der augusteischen Zeit angesehen werden müssen, verloren sie bis zum Ende des ersten Jahrhunderts n.Chr. zunehmend an Zahl und Wichtigkeit - eine Entwicklung, die Weber in Übereinstimmung mit den dominierenden Forschungstendenzen vor allem auf die römische Integrationspolitik und Zentralisierungsbestrebungen unter Claudius und Vespasian zurückführt (S. 46ff.). Das vorliegende Buch liefert somit einen kompakten Überblick über die rechtlichen und realen Beziehungen zwischen der römischen Zentralmacht und den abhängigen Herrschern und wägt ihre jeweiligen Vor- und Nachteile ab.

Der zweite Hauptteil widmet sich der Person des Herodes, der hier als Modell eines abhängigen Herrschers verstanden wird. In den Mittelpunkt dieser Untersuchung stellt Weber die Auswirkungen, die dieses Abhängigkeitsverhältnis auf signifikante Bereiche der herodianischen Politik ausübte. Dabei wird zunächst die Zeit der Konsolidierung herodianischer Herrschaft in Judäa bis 30 v.Chr. dargestellt, es schließt sich eine eher strukturell orientierte Behandlung charakteristischer Züge der Regentschaft des Herodes an (S. 53-83; S. 84-110). Weber beschreibt die ersten Phasen der Herrschaft des Herodes als unsicher und von der gesamtrömischen Entwicklung abhängig. Zunächst von Cassius unterstützt wandelte sich Herodes nach der Schlacht von Philippi zum engen Parteigänger und Protegé des Antonius, bis er sich nach dessen Niederlage Octavian unterwarf. Octavian/Augustus erkannte die Vorteile, die ihm ein ergebener Klientelkönig wie Herodes bot, und bestätigte ihn daher nicht nur in seiner Stellung, sondern vergrößerte sukzessive auch seinen Machtbereich. Die unbedingte Loyalität des Herodes und die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Klientelkönig und Princeps verstärkten das Verhältnis zunehmend. Weber zeigt in diesem kurzen Kapitel die große Abhängigkeit der Klientelherrscher von der Entwicklung der gesamtrömischen Machtverhältnisse: Nur durch politisches Geschick und wechselnde Koalitionen konnte der König seine Herrschaftsstellung bewahren und sichern.

Als Charakteristika der herodianischen Herrschaft wählt Weber schließlich das Verhältnis des Herodes zu Hellenismus und Judentum sowie die Regelung seiner Nachfolge aus. Das hellenistische Denken und Handeln des Herodes manifestierten sich Weber zufolge insbesondere im Regierungsstil, den Städtegründungen und der Baupolitik und schließlich dem herodianischen Militärwesen. An dieser Stelle wäre ein Bezug auf die seit mehreren Jahren andauernde Diskussion, ob die Regierung und insbesondere die Kulturpolitik des Herodes explizit hellenistische Formen aufgriff oder sich direkt am römischen Vorbild orientierte, wünschenswert gewesen, doch wird diese Thematik leider vollständig ausgespart.3 Auch die Analyse der herodianischen Baupolitik, die mit ihren Großprojekten ein prägendes Kennzeichen dieser Epoche in Judäa darstellt, bleibt eher oberflächlich und ignoriert die insbesondere auf diesem Gebiet so zahlreichen Forschungsarbeiten der letzten Jahre.4

Das ambivalente Verhältnis des Herodes zum Judentum fasst Weber schlüssig zusammen, wusste Herodes doch einerseits Provokationen und Konflikte mit seinen jüdischen Untertanen und den jüdischen Gesetzen weitgehend zu vermeiden, beseitigte aber gleichzeitig durch die politische Entwertung des Hohepriesteramtes die traditionelle jüdische Theokratie und damit die religiös legitimierte Konkurrenz zu seiner Herrschaft. Weber charakterisiert damit die Politik des Herodes als Ausgleichsversuch zwischen Hellenismus und Judentum, die er in den zeitlich nahezu parallel ausgeführten Großbauprojekten der Stadt Cäsarea und des jüdischen Tempels in Jerusalem versinnbildlicht sieht (S. 101f.). Die Zwänge und Abhängigkeiten, denen Herodes als Klientelherrscher unterworfen war, spiegeln sich nach Weber insbesondere in der Nachfolgeregelung und den damit verbundenen Wirren innerhalb der herodianischen Dynastie wider, lag die endgültige Entscheidung doch stets in den Händen des Princeps als Oberherrn.

Das Fazit, das Weber aus dieser Untersuchung der Regierung des Herodes zieht, kann jedoch kaum überzeugen. Seiner Analyse der Abhängigkeit des Königs von Rom zufolge ist die Förderung und Hinwendung des Herodes zu beiden Kulturen, der hellenistisch-römischen und der jüdischen, weitgehend als Mittel zum Zweck für die Stabilisierung seiner Herrschaft zu begreifen (S. 101f., 113f.). Dies jedoch wird der Identität des Königs als loyaler Römer und als - wenn auch umstrittener - Jude kaum gerecht. Trotz der angemerkten Mängel und Kritikpunkte stellt das Werk von Florian Weber einen stringenten Überblick über die Institution des Klientelkönigtums und das Beispiel des Herodes dar und bietet eine Einführung in das Thema und die Problematik.

Anmerkungen:
1 Vgl. als neuere allgemeine Veröffentlichungen u.a. Richardson, Peter, King of the Jews and Friend of the Romans, Columbia 1996 (von Florian Weber nicht aufgeführt) und die Neuauflage des opus magnum von Schalit, Abraham, König Herodes. Der Mann und sein Werk. Mit einem Vorwort von Daniel R. Schwartz, Berlin 2001.
2 Vgl. Suet. Aug. 48; Strab. 17,3,24.
3 Vgl. u.a. Shatzman, Israel, The Armies of the Hasmoneans and Herod. From Hellenistic to Roman Frameworks, Tübingen 1991, bes. S. 175ff.; Geiger, Joseph, Herodes Philorhomaios, AncSoc 28 (1997), S. 75-88.
4 Vgl. u.a. Roller, Duane W., The Building Program of Herod the Great, Berkeley 1998; Lichtenberger, Achim, Die Baupolitik Herodes des Großen, Wiesbaden 1999; Japp, Sarah, Die Baupolitik Herodes' des Großen. Die Bedeutung der Architektur für die Herrschaftslegitimation eines Klientelkönigs, Rahden 2000.

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