Cover
Titel
Medieval Women and Their Objects.


Herausgeber
Adams, Jenny; Bradbury, Nancy Mason
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 294 S.
Preis
$ 70.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Romedio Schmitz-Esser, Institut für Geschichte, Karl-Franzens-Universität Graz

Dieser Carolyn P. Collette gewidmete Sammelband behandelt das Verhältnis zwischen Frauen und Objekten im spätmittelalterlichen Frankreich und England. Den Forschungsschwerpunkten Collettes folgend, liegt der Schwerpunkt auf Arbeiten zur Wechselwirkung der beiden angesprochenen Aspekte in der spätmittelalterlichen, englischen Literatur. Insofern ist der Titel sowohl in disziplinärer als auch geographischer Hinsicht deutlich breiter gewählt als es dann der Inhalt des Sammelbandes einlöst. Das mag bei diesen umfassenden Themen – einer genderorientierten Geschichte von Frauen im Mittelalter und der materiellen Kultur – ohnedies nicht überraschen, doch ermöglicht erst diese genauere Kenntnis des Inhalts die Einordnung des Bandes in das breitere Forschungsfeld.

Nach einer konzisen Einführung der Herausgeberinnen, die eben eine solche Verortung vornimmt, folgen die zwölf Beiträge des Sammelbandes. Ein großer Teil davon beschäftigt sich mit der Perspektive auf weibliche Gesellschaftsrollen bei Geoffrey Chaucer. Die Frage, welches „Ding“ es ist, das Frauen am meisten begehren, findet sich bereits in den „Canterbury Tales“ und Susanna Fein widmet sich der zugehörigen Episode aus der „Wife of Bath's Tale“, um deren Nähe zu den französischen Fabliau herauszustreichen. Ein düsteres Bild der Rolle der Frau vor spätmittelalterlichen Gerichten in England zeichnen die „Franklin's Tale“ und die „Physician's Tale“, denen sich Eleanor Johnson widmet; sie beschreibt dabei Chaucers Blick auf eine letztlich unausweichliche Objektivierung von Frauen vor Gericht. In einer anderen Episode im Opus magnum dieses Dichters erzählt der Mönch von der Niederlage der Königin Zenobia von Palmyra. Nancy Mason Bradbury beleuchtet die zentrale Rolle, die Objekte in dieser Erzählung spielen: In der Niederlage muss Zenobia ihren Helm gegen einen anderen Kopfschmuck (ein bereits sprachlich etwas unklares „vitremyte“) und ihr Zepter gegen einen Spinnrocken eintauschen; ihre männlichen Herrschaftssymbole werden also gegen Objekte der weiblich konnotierten Häuslichkeit ausgetauscht, was ihre Absetzung als Herrscherin eindrücklich ins Bild setzt. Doch der Beitrag möchte zeigen, dass diese gängige Deutung alleine eine zu negative Perspektive des Objekttauschs wäre, denn Zenobia wird hier auch mit Gegenständen ausgestattet, die ihre weiblichen Tugenden unterstreichen.

Drei zentralen Objekten aus der Erzählung von Chaucers Priorin widmet sich Howell Chickering: Dem Leichnam des von den Juden ermordeten Jungen; dem Korn, das ihm die Jungfrau Maria schenkt und das ihm wundersam zu singen erlaubt; und die Zunge des toten Jungen. Dabei zieht er auch die Parallele zwischen dem Motiv des in den Mund gelegten Gegenstands und der vom Dichter der Priorin in den Mund gelegten Geschichte. Dem Bild der Königin beim Schach, deren Verlust der Schwarze Ritter in Geoffrey Chaucers „Book of the Duchess“ symbolisch für seine verstorbene Geliebte beweint, geht Jenny Adams nach; dabei wird auch die bekannte Veränderung des Geschlechts dieses zentralen Stückes am Schachbrett – von einem Wesir zu einer Königin – diskutiert.

Aber nicht der ganze Sammelband ist Geoffrey Chaucer und seinen Werken gewidmet. Ein zweiter Teil der Beiträge geht weiblichen Frömmigkeitsidealen und religiösen Frauenrollen nach. So skizziert ein umfangreicherer Beitrag von Michael T. Davis die Gründung des Collège de Navarre in Paris durch Königin Jeanne 1305. Auf Anna von Böhmen und ihr höfisches Umfeld in England geht Lynn Staley ein; dabei steht das Verhältnis der Luxemburgerin zur Literatur im Mittelpunkt des Beitrags. Wie ein Stundenbuch zugleich mehrere Nutzungsabsichten in sich vereint, zeigt Jill C. Havens am Beispiel des Psalters der Mary de Bohun, der heute in der Bodleian Library aufbewahrt wird. Er diente zugleich als Geschenk zur Hochzeit, als moralische Richtlinie im Leben der Besitzerin wie als Memorialzeugnis, das für künftige Generationen allein schon in Form der Figur der knienden Besitzerin im Dedikationsbild seinen Ausdruck fand.

Die persönlichen Beziehungen und weiblichen Frömmigkeitsformen des Spätmittelalters behandelt auch Jocelyn Wogan-Browne in ihrem Beitrag, der von einem Buch handelt, das die Gräfin von Oxford, Elizabeth de Vere, 1474 an die Mönche von Barking Abbey schenkte. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von 28 französischen Traktaten mit religiösem Inhalt, die heute in der Bibliothek des Magdalen College in Oxford aufbewahrt wird. Zwei Beiträge widmen sich schließlich der herausragenden Schriftstellerin Christine de Pizan: Nadia Margolis bespricht Christine de Pizans „Livre des Fais et bonnes meurs du sage roy Charles V“ von 1404 und überlegt, inwiefern diese Biographie von der fähigen Autorin zugleich als exemplum für den idealen christlichen König angelegt wurde. Der Auseinandersetzung zwischen Christine de Pizan und Jean de Meun über die literarische Qualität und moralische Verwerflichkeit des „Roman de la Rose“ geht Robert R. Edwards nach.

Den Abschluss des Bandes bilden die Reflexionen von C. David Benson über Frauenstatuen in Rom: Die Beobachtung einer Venusstatue durch Magister Gregorius in der hochmittelalterlichen „Narracio de Mirabilibus Urbis Romae“ führt ihn über das mittelenglische Gedicht „Stacions of Rome“ zu Stefano Madernos barocker Statue der namensgebenden Heiligen in S. Cecilia in Rom.

Die bereits eingangs erwähnte inhaltliche Begrenztheit des Sammelbandes ist zugleich seine Stärke und seine Schwäche; ein noch breiterer Blick in den Diskurs um Objekte in den Nachbardisziplinen hätte aber vielleicht doch dazu geführt, dass neue Impulse aus der jüngeren Forschung stärker berücksichtigt werden. Kann man beispielsweise Leichen aus mittelalterlicher Sicht überhaupt als Objekte bezeichnen, wo doch die gängige Bezeichnung zumindest in den lateinischen Quellen das „corpus“ ist? Und lassen sich Anna von Böhmen und ihr Umfeld am Hofe Richards II. in einem solchen Band über weibliche Objekte tatsächlich behandeln, ohne eingehender auf das gut erforschte Schatzverzeichnis Richards II. oder Annas kunstvolle, heute in München aufbewahrte Krone einzugehen? Und kann man panegyrische, ja hagiographische Literatur wirklich mit dem Wort „Reliquiar“ besser und treffender fassen, wie es schon einer der Titel suggeriert?

Der „material turn“ der letzten Jahre hat uns doch gezeigt, wie fruchtbar – wenn auch mitunter anstrengend – eine engere Zusammenarbeit der Disziplinen sein kann, wenn es um das materielle Erbe der Vergangenheit geht; ein so geschärfter Blick sollte aus Sicht des Rezensenten dann doch über die Konzept- und Begriffsverwendung alleine hinausgehen. Der mehrfach gezogene Rückgriff auf den einschlägigen Band von Caroline Walker Bynum zur „Christian Materiality“ gibt dem Band zumindest einen gemeinsamen Fokuspunkt, ebenso wie der knappe gemeinsame Index.

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