I. Kralli: Hellenistic Peloponnese

Cover
Titel
The Hellenistic Peloponnese. Interstate Relations. A Narrative and Analytic History, from the Fourth Century to 146 BC


Autor(en)
Kralli, Ioanna
Erschienen
Anzahl Seiten
XXXIII, 556 S.
Preis
€ 69,89
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Philip Egetenmeier, Alte Geschichte, Fachbereich Geschichte, Universität Hamburg

Mit der vorliegenden Monographie hat sich Ioanna Kralli das Ziel gesetzt, eine umfassende Analyse der zwischenstaatlichen Beziehungen auf der Peloponnes in hellenistischer Zeit zu bieten. Krallis Studie will nicht primär von den Großmächten ausgehen, sondern multiperspektivisch insbesondere die Interessen und Abhängigkeiten auch der mittelgroßen und kleinen Poleis beleuchten. Für die Peloponnes verortet sie die „hellenistische Periode“ in den Zeitraum zwischen der Schlacht von Leuktra (371 v.Chr.) und der römischen Dominanz nach dem Achäischen Krieg (146 v.Chr.).

Das ausführliche Inhaltsverzeichnis erlaubt dem Leser, sich schnell zurechtzufinden. Von den neun Kapiteln stellen die ersten acht die Ereignisse chronologisch dar, während das letzte Kapitel von „friendly intra-Peloponnesian relations“ handelt. Wenn im Fließtext auf Quellen oder Forschungsmeinung verwiesen wird, folgen die entsprechenden Belege im Kurzzitat. Weiterführende Diskussionen finden sich in den Endnoten eines jeden Kapitels. Quellenzitate werden im griechischen Original mit einer englischen Übersetzung wiedergegeben.

Für die zwischenstaatlichen Beziehungen sieht sich Kralli mit einer schwierigen Quellenlage konfrontiert. Die literarischen Quellen seien „superficial or unreliable“ (S. XXI) und bezüglich der Inschriftenpraxis der Städte könne eher von „epigraphic mood“ (S. XXXII) als von „epigraphic habit“ gesprochen werden. Phasenweise ist die Überlieferungslage besonders schlecht (zum Beispiel bei dem Krieg des Areus oder dem Chremonideischen Krieg). Hier muss Kralli ihre Argumentation vor allem auf Plausibilitäten gründen, wobei sie sehr vorsichtig vorgeht und aufzeigt, wo Spekulationen beginnen. Im Umgang mit dem polybianischen Geschichtswerk als Hauptquelle, von der auch spätere Autoren abhängen, zeigen sich Krallis Analysen als sehr reflektiert und kritisch (zum Beispiel S. 150f. oder 215f.). Insbesondere die Tendenz des Polybios, Entscheidungen auf einzelne (missliebige) Individuen zurückzuführen, sowie seine Abneigung gegenüber Sparta erschweren die Analyse von Handlungskomplexen im Rahmen der zwischenstaatlichen Beziehungen.

Im chronologischen Teil (Kapitel 1–8) stellt Kralli detailliert und aus verschiedenen Blickwinkeln die politische Geschichte der Peloponnes dar, wobei der Schwerpunkt immer auf der Perspektive der beteiligten Poleis beruht. Bestimmte Verhaltensmuster einzelner Poleis werden dabei erst in der Gesamtschau der zwischenstaatlichen Verflechtungen nachvollziehbar. Als zentrale Wendepunkte, welche die weitere Geschichte der Peloponnes in hellenistischer Zeit prägten, sieht Kralli das Ende der spartanischen Hegemonie nach der Schlacht von Leuktra sowie die Neuordnung der Grenzverläufe nach der Schlacht von Chaironeia. Für eine inhaltliche Diskussion einzelner Aspekte und Episoden in dieser Rezension ist das Buch zu umfangreich, weshalb im Folgenden lediglich besondere Schwerpunkte aus Krallis Darstellung hervorgehoben werden. Ausführliche Behandlung findet das Arkadische Koinon (Kapitel 1), dessen Gründung von Anfang an unter schlechten Vorzeichen stand. Die Beziehung der Mitgliedstaaten untereinander war aufgrund alter Rivalitäten und mikro-imperialistischer Ambitionen problematisch. Zur Zeit Philipps II. (Kapitel 2) bestimmte vor allem die Einstellung gegenüber Sparta das Verhalten der Städte. Gerade die kleinen und mittelgroßen Poleis verblieben aber in einer „wait-and-see attitude“ (S. 51) aus Angst vor Zerstörung bei einer falschen Positionierung für oder gegen die Makedonen.1 Für die Diadochenzeit (Kapitel 3) zeigt Kralli die unterschiedliche Beteiligung der Poleis an antimakedonischen Erhebungen auf und erklärt die Motive dahinter. Prägend waren weiterhin die Angst vor Zerstörung („It had come down to choosing the right Macedonian in order to avoid annihilation“, S. 93) sowie die Einrichtung von Garnisonen. Bereits in dieser Periode wird erkennbar, was Kralli auch für die spätere Zeit betont: die militärische Schwäche und das Fehlen von fähigen Anführern in den peloponnesischen Staaten. Mit dem Wiedererstarken Spartas (Kapitel 4) etablierte sich ein Gegengewicht zur makedonischen Herrschaft, was viele Städte wieder in das spartanische Lager führte – auch traditionelle Feinde wie Argos und Messene. Besonders ausführlich wird der Achäische Bund präsentiert (Kapitel 5), der aber nur eine trügerische Vormachtstellung auf der Peloponnes erwarb, da er sich auf die Kräfte anderer stützen musste. Aufgrund mangelnder militärischer Erfahrung und Schwäche der traditionellen Bundes-Poleis wurden Strategen von außerhalb berufen und die meisten neu eingegliederten Städte waren von ihrer Bundeszugehörigkeit wenig begeistert. Bei Krallis Ausführungen zum Krieg des Kleomenes III. (Kapitel 6) sind insbesondere ihre schlüssigen Erklärungsversuche zum wechselhaften Verhalten der Argiver (S. 231–236) hervorzuheben. Der Fokus beim Bundesgenossenkrieg (Kapitel 7) liegt auf der Feindschaft zwischen Elis und dem Achäischen Bund sowie der Regelung inner-peloponnesischer Verhältnisse durch Philipp V. Auch hier betont Kralli deutlich das militärische Unvermögen des Achäischen Bundes. Die Vereinigung der Peloponnes unter dem Achäischen Bund (Kapitel 8) führte dann zur Eroberung durch die Römer, nicht zuletzt weil „the Achaian Confederacy, or at least its Megapolitan leaders, appear obsessed with Sparta to the exclusion of everything else“ (S. 312).

Bei der Darstellung der Ereignisse geht Kralli regelmäßig auch auf die inneren Verhältnisse einzelner Poleis ein (besonders infolge einer Stasis). Dabei eruiert sie die Motivlagen und Handlungen unterschiedlicher Parteiungen vor Ort und im Exil. Weitere Schwerpunkte bilden rechtliche Streitfälle zwischen den Städten, die Behandlung von Städten als Geschenke sowie Überlegungen im militärischen Bereich (Truppenstärke, Geographie).

Ergänzend zu der auf kriegerische Auseinandersetzungen fokussierten Darstellung der politischen Geschichte folgt ein langes Kapitel zu Aspekten friedlicher und freundschaftlicher Koexistenz peloponnesischer Poleis, das primär auf epigraphischem Material basiert. Konkret geht es um die Teilnahme an Festen und Verbindungen peloponnesischer Staaten über Ehrendekrete und Proxenie-Listen. Das große Verdienst dieses Kapitels besteht in der umfangreichen Materialsammlung, die in vielen Tabellen übersichtlich arrangiert wurde. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen überzeugen jedoch nicht immer. So eignen sich Ehrendekrete für Einzelpersonen, die zudem aufgrund ihrer „uniformative, fairly routine contents“ (S. 401) meist keine Rückschlüsse auf die Hintergründe der Ehrung zulassen, wie Kralli selbst feststellt, nur sehr bedingt für Aussagen über die Beschaffenheit zwischenstaatlicher Beziehungen. Auch die Verwendbarkeit der Siegerlisten überregionaler Feste für Fragestellungen dieser Art ist diskussionswürdig.

Am Ende folgen eine Zusammenfassung der Ergebnisse und eine ausführliche Bibliographie, welche die Arbeiten der gängigen Sprachen der europäischen Altertumswissenschaften berücksichtigt. Ein Inschriftenindex und ein allgemeiner Index (Orte, Personen und Themen), der für einzelne Schlagworte noch weiter untergegliedert ist, erleichtern dem Leser die Suche. Ebenfalls von praktischem Nutzen sind die Tabellen in den ersten acht Kapiteln. Sie erlauben einen schnellen Überblick über die wechselhaften und oft schwer zu überschauenden Entwicklungen. Die Karte der Peloponnes (S. XII) hingegen ist zu klein beschriftet und Ortsbezeichnungen sind teils mit bloßem Auge nicht zu lesen.

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass Kralli mit diesem umfangreichen Werk ihr angestrebtes Ziel durchaus erreicht hat. Sie hat eine solide, forschungs- und quellenorientierte Studie mit eigenen Positionierungen vorgelegt, die sich gut lesen lässt und eine fundierte erste Anlaufstelle für alle bildet, die sich in die Geschichte der Peloponnes in nach-klassischer Zeit intensiv einarbeiten möchten.2

Anmerkungen:
1 Wenig überzeugend ist der Erklärungsversuch im Rahmen der Erhebung des Agis III. zusammen mit weiteren peloponnesischen Poleis gegen die Makedonen im Jahr 331 v.Chr.: „Alongside the ‚it’s now or never‘ factor, we have to bear in mind that in the eyes of the Greeks the regent Antipatros, in charge of Macedon then, was not a monarch, he was simply a high-ranking military official, no matter if he was regent, and therefore perhaps not so frightening“ (S. 70).
2 Ergänzend, da mit anderen Schwerpunkten angelegt, wird man gerne zurückgreifen auf die jüngst erschienene Monographie: Graham Shipley, The Early Hellenistic Peloponnese. Politics, Economies, and Networks 338–197 BC, Cambridge 2018.

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