Cover
Titel
Gift and Gain. How Money Transformed Ancient Rome


Autor(en)
Coffee, Neil
Reihe
Classic Culture And Society
Erschienen
Anzahl Seiten
XIV, 296 S.
Preis
€ 62,95; £ 19.84
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mareike Tonisch, Institut für Numismatik und Geldgeschichte, Universität Wien

Die hier zu besprechende Studie aus der Reihe „Classical Culture and Society“ schließt thematisch an das 2009 erschienene Werk des Autors „The Commerce of War: Exchange and Social Order in Latin Epic“ an.1 Während Neil Coffee dort die Reflexionen der komplexen wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb der römischen Gesellschaft in der lateinischen epischen Literatur untersuchte, widmet er sich in dem vorliegenden Buch der Entwicklung des Spannungsverhältnisses von ‚Gift‘ (Geschenk/Gabe) und ‚Gain‘ (Profit) von den Anfängen Roms bis zur frühen Kaiserzeit.

Im ersten Abschnitt seiner Arbeit (S. 1–21) gibt Neil Coffee bereits einen kurzen Einblick in die gesellschaftlichen Entwicklungen, die er in den folgenden Kapiteln detailreich herleitet (S. 7–11). Diese bettet er daneben in soziologische Ansätze ein, die sich mit der Bedeutung des Gabengebens beschäftigt haben und zeigt auf, wo diese Probleme bereiten, um die römische Gesellschaft angemessen zu analysieren. So fehle beispielsweise Pierre Bourdieu bei seiner Darlegung des soziologischen Kapitals das Konzept der Großzügigkeit, das Geben um des Gebens Willen ohne eine spätere Gegenleistung zu erwarten, ein Prinzip, das – zumindest ideologisch – dem römischen Grundsatz der liberalitas innewohne (S. 11–14). An dieser Stelle erscheint Coffee Max Webers Ansatz, dass einem Geschenk auch emotionale Motive zu Grunde liegen können, besser geeignet (S. 14–15). Der letzte Abschnitt des ersten Kapitels ist den Methoden gewidmet, wobei sich Coffee der Auswertung auf zwei Wegen annähert: Einerseits durch eine quantitative Analyse des verwendeten Vokabulars einer Auswahl von lateinischen Autoren, andererseits durch die detaillierte Auswertung einzelner Werke und Autoren, die die gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen exemplarisch repräsentieren (S. 16–21). Darüber hinaus teilt er die im Verlauf der Studie zu zeichnende Entwicklung grob in vier Phasen („[the] archaic Foundation period“, „[the] middle Republican Adaption period“, „[the] Exploitation Period in the late Republic“ und „[the] Seperation period of the early Empire“, siehe S. 21) ein, die zugleich die Gliederung des Buches vorgeben.

Der kurz gehaltene zweite Abschnitt „Early Rome: Foundation“ (S. 23–30) zeigt die Ausgangslange auf, von der aus Neil Coffee seine Untersuchung unternimmt: Innerhalb der römischen Gesellschaft befanden sich in der frühen Republik die mit Gaben(-tausch) und Kommerz verbundenen wirtschaftlichen Konzepte – zumindest aus der Retrospektive – in einem Gleichgewicht. Dieses geriet mit der Ausweitung des Römischen Reiches und der damit einhergehenden Zunahme der wirtschaftlichen Aktivität der Römer in eine Schieflage zu Gunsten des Gewinnstrebens. Diese Entwicklung führte während der mittleren Republik (S. 30–85) zu dem Versuch durch verschiedene gesetzliche Regelungen die Tradition der reziproken (Geschenk-)Beziehungen zu bewahren und vor einer Kommerzialisierung zu schützen. Dabei zeigt Coffee nachdrücklich, dass dieses Unterfangen jedoch nicht nur dem Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung diente, sondern auch der Wahrung der Machtverhältnisse innerhalb des politischen Gefüges, das durch die Anhäufung von Vermögen in der Hand einzelner Senatoren gestört werden könnte (S. 39–40). Interessanter noch als die Auswertung der Gesetze ist allerdings Neil Coffees neuartiger Ansatz die Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderungen auf die Sprache der lateinischen Autoren mittels einer quantitativen Auswertung bestimmter Wörter und Wortstämme (liberaliter, liberalitas, avaritia, lucrum, pecunia, faenus und andere) zu untersuchen: Hierfür analysierte er das sich im Verlaufe der Zeit verändernde Vorkommen dieser Vokabeln innerhalb der Werke von über 40 lateinischen Autoren von der Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. bis zum 2. Jahrhundert n.Chr. und setzt dieses mit den jeweiligen wirtschaftlichen und damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Entwicklungen in Verbindung.

Dies ermöglicht beispielsweise die Herausarbeitung der unterschiedlichen Konnotation, die liberalitas und liberaliter – obwohl grundsätzlich von gleicher Bedeutung – offenbar hatten: Während liberaliter tendenziell eine emotionale Bindung zwischen Geber und Empfänger einer Gabe nahelegt, die nicht zwangsläufig eine Gegengabe nötig machte, deutet liberalitas eine soziale Verpflichtung zum Geben an, deren Befolgung öffentlich dargestellt wurde und eine Gegenleistung erwarten ließ. Auf diesen feinen Unterschied führt Coffee auch die Tatsache zurück, dass das Wort liberaliter zunehmend aus der Literatur verschwindet, während der Gebrauch des Wortes liberalitas – wenn auch nicht gradlinig – zunimmt. Gleichzeitig spiegelt sich in dem geänderten Gebrauch der Wörter auch ein sich veränderndes Verhältnis der Römer zur Tradition des Gebens – man erwartete sich immer stärker einen Gewinn davon (S. 70–78).

Endgültig in eine deutliche Schieflage gerät das Schenken dann in der späten Republik (S. 87–134), als Gaben nicht mehr vornehmlich als Akt der Großzügigkeit gemeint waren, sondern verstärkt der politischen Einflussnahme dienten. Gleichzeitig nimmt die Involvierung der Senatorenschicht in Geldgeschäften und dem Handel weiter zu, so dass sich ein Ungleichgewicht der Ressourcen einstellt. Ebenso werden die Gesetze der frühen Republik zum Schutz der Geschenk- und Patronatsbeziehungen – so zum Beispiel das Verbot als Anwalt für seine Dienste eine Bezahlung zu erhalten – zunehmend ausgehöhlt. Diese Entwicklung spiegelt sich sowohl in der Gesetzgebung – in dieser Zeit wurden acht Gesetze gegen Bestechung erlassen – als auch im verwendeten Wortschatz in der Literatur wider. So steigt nicht nur der Gebrauch des Wortes liberalitas mit seiner eher negativen Konnotation an, sondern auch die Wörter Gier (avaritia) und Geld (pecunia) nehmen in dieser Zeit stark zu – der geführte Diskurs über das gesellschaftlich zulässige Verhalten der politischen Schicht nimmt die Veränderungen somit auf und ist uns in der Literatur in Teilen überliefert.

Die bereits in der frühen Republik geäußerte Sorge, dass die Konzentration umfangreicher Geldmittel in der Hand Einzelner zu einer Verschiebung der Macht führen würde, bestätigt sich schließlich in der Zeit der Bürgerkriege, als die Protagonisten ihre enormen wirtschaftlichen Ressourcen nutzten, um ihre Armeen aufzustellen und die Anhänger der Gegner durch (Geld-)geschenke abzuwerben. Der weitgehende Kollaps der Geschenktradition in dieser Zeit wird erst in der frühen Kaiserzeit wieder geheilt – wenn auch unter veränderten Vorzeichen (S. 136–164): So waren öffentliche Wohltaten in der Stadt Rom von nun an auf den Kaiser und sein engstes Umfeld konzentriert. Und obwohl Augustus auf diese Weise zum Vorzeigebeispiel für liberalitas wurde, ist dieses Attribut ihm erst später beigegeben worden, als es die negative Konnotation der ausgehenden Republik verloren hatte und gleichsam zu einer Kaisertugend mit einer positiven Bedeutung geworden war.

Das vorliegende Werk bildet insbesondere durch den innovativen Ansatz der quantitativen Analyse des von den lateinischen Autoren verwendeten Vokabulars eine Bereicherung bei der Untersuchung des Verhältnisses von Gabentausch und Handel in der römischen Gesellschaft. Auf diese Weise werden die Beobachtungen, die Neil Coffee bei einzelnen Autoren treffend herausarbeitet, auf eine breitere Basis gestellt und es wird deutlich, dass erkennbare Verschiebungen bei Wortbedeutungen und sich verändernde Bewertungen von Handlungen, die mit wirtschaftlichen Tätigkeiten in Beziehung stehen, nicht nur die Meinungsäußerung eines Einzelnen, sondern eine größere gesellschaftliche Veränderung spiegeln. Diese Ergebnisse bettet er gekonnt in die historischen Ereignisse ein und zeichnet so ein facettenreiches Bild der römischen Gesellschaft mit ihrem sich verändernden Verhältnis zu Geschenken und Profit.

Nicht immer gelingt ihm dabei allerdings die Gradwanderung zwischen dem Anliegen Aus- und Rückblicke zu den einzelnen Entwicklungen zu geben, die an anderer Stelle detailliert hergeleitet werden, um größere Zusammenhänge aufzuzeigen, und der angestrebten chronologischen Bearbeitung des Untersuchungsgegenstandes. Einerseits führt dies zwischen den einzelnen Kapiteln zu kleineren Zeit- und Gedankensprüngen, auf die man sich bei der Lektüre erst einmal einstellen muss, sowie zu inhaltlichen Wiederholungen. Andererseits ermöglicht es aber auch, dass man einzelne Abschnitte unabhängig voneinander lesen kann und der gerade zu behandelnde Gegenstand bleibt dennoch in einen größeren Kontext eingebettet. Ob man dies als Gewinn sieht oder ermüdend findet, ist dabei stark vom Leser abhängig. Der inhaltlichen Qualität der Studie tut dies insgesamt jedoch kaum einen Abbruch.

Ein letzter Kritikpunkt gilt der Konzipierung des Buches mit Endnoten: Diese machen es für den Leser deutlich umständlicher der weiterführenden Literatur und den Anmerkungen des Autors zu folgen. Seitens des Verlages hat man zwar versucht, das Auffinden der entsprechenden Anmerkungen durch die Angabe der Seitenzahlen in der Kopfzeile, auf die sich die jeweiligen Endnoten beziehen, zu erleichtern, doch bleibt die Gefahr bestehen durch das Hin- und Herblättern den Faden bei der Lektüre zu verlieren.

Anmerkung:
1 Neil Coffee, The Commerce of War: Exchange and Social Order in Latin Epic, Chicago 2009.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch