A. de Leseleuc: Tétricus, empereur gaulois

Cover
Titel
Tétricus, empereur gaulois. De l’Aquitaine à Rome et à la Lucanie


Autor(en)
Leseleuc, Anne de
Erschienen
Anzahl Seiten
129 S.
Preis
€ 12,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Tetricus, der letzte Kaiser des „Gallischen Sonderreiches“ (271–274), gehört nicht unbedingt zu den antiken Personen, denen man eine romanhafte biographische Darstellung für ein breiteres Publikum widmen würde; über diesen ephemeren Herrscher und seine Regierung liegen nur wenige Angaben vor. Anne de Leseleuc hat dies dennoch gewagt: In dreizehn Kapiteln, die in ihrer Kürze und gut verständlichen Sprache eine leicht zu bewältigende Lektüre bilden, zeichnet sie Leben und Aufstieg des Tetricus nach, ergänzt durch reichhaltiges Bildmaterial als Anhang. Dass umstrittene Fakten – etwa die Verwandtschaft mit seinem Vorgänger Victorinus – als Tatsachen vorausgesetzt werden oder gelegentlich das historische Geschehen durch Dialoge und erfundene Personen (so der Julia Donata, der Frau des Postumus, S. 26) „aufgefüllt“ wird, ist selbst bei historischen Gestalten, deren Leben erheblich besser dokumentiert ist, für eine glatte Erzählung ohne Bruchstellen unumgänglich (man denke etwa an Gore Vidals „Julian“).

Wissenschaftliche Einzelkritik (die möglich wäre) verbietet sich bei einem derartigen Werk. Allerdings hätte die längst widerlegte Charakterisierung des Sonderreiches als separatistische Bewegung, in der von Anfang an Victorina1, die Mutter des Sonderkaisers Victorinus, eine tragende Rolle gespielt habe („Nationaliste passionnée elle s’était promis de rendre à la Gaule son autonomie“, S. 19), vielleicht besser durch eine andere Handlungsmotivation der Sonderkaiser ersetzt werden können; manche Mythen sind eben schwerer aus dem allgemeinen Gedächtnis zu schaffen als andere.

Einige Punkte zu den Quellen und der Literatur seien noch ergänzt: Man kann darüber streiten, ob auf die Standardwerke von Ingemar König und John F. Drinkwater, die in deutscher und englischer Sprache abgefasst sind, hätte verwiesen werden sollen2; eine Literaturliste aus drei Titeln erscheint aber etwas mager, zumal auch einige französische Klassiker fehlen, so etwa Camille Jullians „Histoire de la Gaule“.3 Die Nennung von zwei Werken aus dem 18. Jahrhundert (Brequignys „Histoire de Postume“ und Gibbon in französischer Übersetzung) ist dagegen angesichts zunehmender Digitalisierung älterer Werke nicht so abwegig, wie dies vielleicht auf den ersten Blick scheint.

Das Quellenverzeichnis hätte den Bedürfnissen der im Zweifelsfall wenig mit den alten Sprachen vertrauten Adressaten mehr entgegen kommen können. Für Eutropius wären die französischen Übersetzungen von Joseph Hellegouarc’h und Stéphane Ratti zu nennen. Bei Dexippos und Zonaras wären Verweise auf die Übersetzungen von Gunther Martin (deutsch) sowie von Thomas M. Banchich und Eugene N. Lane (englisch) hilfreicher als auf die einsprachigen Ausgaben von Jacoby und Dindorf. Eine Edition der Epitome de Caesaribus Eadies (S. 110) existiert nicht – dies ist eine Edition des Festus, dessen Breviarium zudem in der französischer Übersetzung Arnaud-Lindets vorliegt; eine französische Übersetzung der Epitome de Caesaribus wurde aber von Michel Festy angefertigt.4 Angesichts des schlechten Erhaltungszustandes der abgebildeten Münzen (S. 125) wären einige Hinweise auf die vielen reichhaltig bebilderten Internetseiten von Auktionshäusern oder Münzsammlern nützlich gewesen.

Anne de Leseleucs romanhafte Biographie stellt insgesamt einen interessanten Versuch dar, diese selbst in der Altertumswissenschaft nur wenig behandelte Herrscherpersönlichkeit einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Interessierten Laien allerdings, die sich darüber hinausgehend informieren wünschen, wird dies nicht ganz einfach gemacht; eine Prüfung der Quellen- und Literaturliste durch einen Fachmann hätte manches Problem beseitigen können. Der Grundgedanke dieser populären Darstellung ist aber keineswegs verkehrt.

Anmerkung:
1 Die hier verwendete Namensform erklärt sich aus der Identifikation der Victoria der lateinischen literarischen Quellen mit einer Victorina in einer außerhalb dieses Namens keine weiteren Informationen nennenden Inschrift (S. 122f.). Angesichts dessen, dass selbst die erheblich mehr auf Victoria deutende Inschrift von Langres stark verdächtig ist (dazu Ingemar König, Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis Tetricus, München 1981, S. 158, Anm. 2), ist dies eine mehr als gewagte These.
2 König, Usurpatoren; John F. Drinkwater, The Gallic Empire, Stuttgart 1987. Vgl. auch Thomas Fischer (Hrsg.), Die Krise des 3. Jahrhunderts n. Chr. und das Gallische Sonderreich, Wiesbaden 2012; Andreas Luther, Das gallische Sonderreich, in: Klaus-Peter Johne (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser, Berlin 2008, S. 325–341.
3 Camille Jullian, Histoire de la Gaule, 8 Bde., Paris 1908–1926.
4 Joseph Hellegouarc’h (Hrsg.), Eutrope, Abrégé d’histoire romaine, Paris 1999; Stéphane Ratti (Hrsg.), Les empereurs romains d’Auguste à Dioclétien dans le Bréviaire d’Eutrope. Les livres 7 à 9 du Bréviaire d’Eutrope, Paris 1996; Gunther Martin (Hrsg.), Dexipp von Athen. Edition, Übersetzung und begleitende Studien, Tübingen 2006; Thomas M. Banchich / Eugene N. Lane, The History of Zonaras. From Alexander Severus to the death of Theodosius the Great, London 2009; John W. Eadie (Hrsg.), Festus, Breviarium, London 1967; Marie-Pierre Arnaud-Lindet (Hrsg.), Festus, Abrégé des hauts faits du peuple romain, Paris 1994; Michel Festy (Hrsg.), Pseudo-Aurélius Victor, Abrégé des Césars, Paris 1999.

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