D. S. Bachrach: Warfare in Tenth-Century Germany

Cover
Titel
Warfare in Tenth-Century Germany.


Autor(en)
Bachrach, David S.
Reihe
Warfare in History
Erschienen
Woodbridge 2012: Boydell & Brewer
Anzahl Seiten
324 S.
Preis
€ 79,28
Rezensiert für H-Soz-Kult von
David Crispin, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Der US-amerikanische Militärhistoriker David S. Bachrach legt nach dem 2003 erschienenen „Religion and the Conduct of War“ bereits den zweiten Band in der etablierten Reihe „Warfare in History“ vor.1 Von letztgenanntem Werk, das einen breiten Überblick über die Rolle von Religion in der Praxis der Kriegführung von der Spätantike bis ins 13. Jahrhundert bietet, unterscheidet sich die vorliegende Studie schon durch ihren begrenzten zeitlichen Fokus auf die Regierungszeit Heinrichs I. und Ottos des Großen. Bachrachs Ansatz, die unter den ersten beiden ottonischen Herrschern erfolgte Reichsbildung vor allem unter klassischen militärgeschichtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen, antwortet auf ein Desiderat in der jüngeren Forschung. So ist etwa den ungeschriebenen Regeln der Konfliktführung und der Bedeutung symbolischer Kommunikation in den Auseinandersetzungen des 10. Jahrhunderts gewiss mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden als den praktischen und materiellen Facetten der Vorbereitung und Durchführung von Kriegszügen.

Bachrach widmet sich derartigen Aspekten nach einem chronologischen Überblick über die kriegerischen Unternehmungen Heinrichs und Ottos (Kapitel eins und zwei) in einer Reihe thematisch gegliederter Kapitel. Behandelt werden Fragen der militärischen Organisation und Ausbildung (Kapitel drei und vier), Waffenausrüstung und Kampftraining (Kapitel fünf), Moral und Taktik auf dem Schlachtfeld (Kapitel sechs und sieben) sowie der „Bürgerkrieg“ von 953–54 als Beispiel einer militärischen Kampagnenstrategie (Kapitel acht). Neben Anmerkungsapparat, Bibliographie und Index wird der Text durch einen praktikablen Anhang ergänzt, in dem sämtliche in der narrativen Überlieferung nachweisbare Belagerungen und Schlachten mit den entsprechenden Quellenverweisen aufgeführt sind.

Einleitend formuliert Bachrach grundlegende Thesen, die zeigen, dass sein Anliegen trotz des militärgeschichtlichen Blickwinkels über die Betrachtung der Kriegspraxis hinausweist: Indem er Ausmaß und Komplexität der Kriegführung aufzeigt, will er Argumente dafür liefern, dass das unter den ersten ottonischen Königen etablierte Reich politisch und vor allem administrativ in wesentlich höherem Maße entwickelt gewesen sei als es die etablierte Forschung postuliere. Zentral ist hierbei die Annahme, dass die zahlenmäßige Stärke der ottonischen Aufgebote wesentlich höher gewesen sei als vielfach behauptet. Dies baut auf einer weiteren These auf, nach der Heinrich und Otto von vornherein eine imperiale Strategie verfolgten, die auf langfristigen Gebietsgewinn abzielte. Folglich habe sich die Kriegführung primär um die Einnahme von Burgen und befestigten Orten gedreht, für die wiederum sehr große Heere nötig gewesen seien. Hieraus folgt für Bachrach notwendigerweise, dass die für die Aushebung und Versorgung der militärischen Aufgebote benötigten finanziellen, menschlichen und materiellen Ressourcen nur aufgebracht werden konnten, da Heinrich und Otto auf Basis ihres karolingischen Erbes über eine umfangreiche institutionelle Administration, ja geradezu eine „bureaucracy“ (S. 256), verfügten.

Damit wendet sich er gegen ein „traditional model of discontinuity with the Carolingian past“ (S. 4), das die Sicht auf das Reich der Ottonen dominiere und diesem einen archaischen Charakter zuschreibe. Diese Einschätzung der Forschungslage wirkt allerdings stark zugespitzt. Formulierungen, wie die von der „Königsherrschaft ohne Staat“ (G. Althoff), gegen die sich Bachrach entschieden wendet, verweisen schließlich zunächst nur auf die Andersartigkeit der Funktionsweisen von Herrschaft und Ordnung im 10. Jahrhundert, die sich mit den Kategorien moderner Staatlichkeit nicht hinreichend beschreiben lassen. Dass es sich beim Reich der Ottonen um eine „primitive society“ (S. 256) gehandelt habe, die den für umfangreiche Kriegszüge nötigen Aufwand nicht hätte bewältigen können, wird dadurch kaum impliziert.

Auch die These von einer vor allem auf langfristigen Gebietsgewinn abzielenden militärischen Planung erscheint problematisch. Bachrach zufolge agierten Heinrich und Otto nach einer klaren Mittel- und Langzeitstrategie, die zunächst auf eine Reetablierung königlicher Kontrolle über das Gebiet der Francia orientalis und anschließend auf die Erneuerung des Imperiums Karls des Großen abgezielt habe. Die Bemühungen Heinrichs, den ostfränkischen Reichsteil zu stabilisieren, sowie wiederholte Anknüpfungen an das Vorbild Karls des Großen durch Otto sind zwar kaum von der Hand zu weisen, jedoch erscheint die Annahme einer von Beginn an verfolgten militärisch-imperialen Strategie zu linear. Faktoren, wie simple dynastische Zufälle und die dadurch entstehenden Konflikte oder adelige Gruppenbindungen und die aus ihnen folgenden Verpflichtungen, konnten das kriegerische Geschehen maßgeblich beeinflussen, werden von Bachrach jedoch zugunsten des Langzeitstrategiekonzeptes vernachlässigt. Letztlich sieht er bereits in dem offensichtlichen Ergebnis der Etablierung des Reiches einen ausreichenden Beweis für eine eindeutige Planung, die diesem Erfolg zugrunde liegen müsse. Überzeugende Quellenbelege bleibt er in diesem Zusammenhang weitgehend schuldig.

Auch in den thematischen Kapiteln, die Ausmaß und Komplexität der Vorbereitung und Durchführung von Kriegszügen veranschaulichen sollen, zeigt sich ein stellenweise problematischer Umgang mit dem Quellenmaterial. Exemplarisch kann hierfür die Behandlung der militärischen Ausbildung stehen, in der Bachrach ausführlich für eine entscheidende Rolle von angewandtem Buchwissen argumentiert. Der Feststellung, dass die Kommandeure des 10. Jahrhunderts wohl kaum lediglich auf Basis von angeborenem Talent und Mutmaßungen agierten, ist sicherlich zuzustimmen. Bachrach geht aber noch einen großen Schritt weiter und konstruiert ein ganzes Curriculum, das sich unter anderem aus militärischen Handbüchern wie Vegetius' Epitoma rei militaris und verschiedenen historischen Werken zusammengesetzt habe. Hierbei greift er angesichts der oft spärlichen zeitnahen Überlieferung wiederholt auf Beispiele aus karolingischer Zeit zurück und geht von vergleichbaren Verhältnissen im frühen 10. Jahrhundert aus. Dies vermag zwar stellenweise durchaus zu überzeugen, insgesamt ist er allerdings zu schnell bereit, auf Basis früherer Quellen und vereinzelter zeitnaher Nachrichten eindeutige Kontinuitätslinien anzunehmen. Ob sich zudem aus der Existenz zeitgenössischer Vegetius-Kopien schließen lässt, dass dessen Anweisungen tatsächlich in der Kriegspraxis umgesetzt wurden, ist eine schwierige Frage, die nicht nur in Bezug auf das 10. Jahrhundert mit Recht kritisch diskutiert worden ist.2 Grundsätzlich scheint Bachrach allzu sehr darauf aus, hinter dem offensichtlichen Erfolg Heinrichs und Ottos ein überlegt angelegtes System zu erkennen, das auf die Optimierung militärischer Effektivität angelegt war. Diese Tendenz schlägt sich auch in der Darstellung weiterer Maßnahmen nieder, die zur Formung der „formidable military machine“ (S. 5) der Ottonen beigetragen hätten und führt zu einer wiederholten Überstrapazierung der Überlieferung.

Ungeachtet dieser Kritikpunkte lässt sich der Band mit Gewinn lesen. Der Fokus auf die organisatorischen und materiellen Realitäten der Kriegführung ist in der aktuellen Forschung zweifelsohne unterrepräsentiert. Vor allem die Einbeziehung archäologischer Erkenntnisse, mit denen er unter anderem überzeugend dafür argumentiert, die Größe von Belagerungsheeren nicht zu unterschätzen und dabei die Bedeutung von Fußtruppen gegenüber der Reiterei hervorhebt, ist aufschlussreich. Auch wenn Bachrach verschiedene, bislang wenig beachtete Aspekte neu akzentuiert, hätte man sich insgesamt eine ausgewogenere Darstellung gewünscht, die die zahlreichen Faktoren, von denen die Kriegführung der Zeit geprägt wurde, nicht auf strategische Langzeitplanung und die systematische Optimierung militärischer Effektivität verengt.

Anmerkungen:
1 David S. Bachrach, Religion and the Conduct of War, c. 300–c. 1215, Woodbridge 2003.
2 Vgl. zusammenfassend Helen Nicholson, Medieval Warfare. Theory and Practice of War in Europe, 300–1500, New York 2004, S. 13–21. Ausführlich zur Vegetius-Rezeption im Mittelalter siehe Christopher Allmand, The De Re Militari of Vegetius. The Reception, Transmission and Legacy of a Roman Text in the Middle Ages, Cambridge 2011, und dazu die Rezension von Malte Prietzel, in: H-Soz-u-Kult, 13.03.2013, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-1-166>.