S. N. Vaughn: Archishop Anselm of Canterbury (1093–1109)

Cover
Titel
Archbishop Anselm 1093–1109. Bec Missionary, Canterbury Primate, Patriarch of Another World


Autor(en)
Vaughn, Sally N.
Reihe
The Archbishops of Canterbury Series
Erschienen
Farnham 2012: Ashgate
Anzahl Seiten
XXI, 287 S.
Preis
€ 31,26
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefanie Schild, Hilden

Die neue Serie des Ashgate-Verlags über die Erzbischöfe von Canterbury richtet sich mit ihrer Kombination aus Biografie und Quellenausschnitten nicht nur an ein Fachpublikum, sondern soll auch als Nachschlagewerk für Studierende dienen. Der erste Band ist Erzbischof Anselm von Canterbury gewidmet. Mit Sally N. Vaughn haben sich die Herausgeber zudem für eine Autorin entschieden, die in den letzten 30 Jahren mehrere thematisch einschlägige Aufsätze und Monografien veröffentlichte. Vor diesem Hintergrund und angesichts des regen Interesses, das Anselm in den letzten Jahren erneut in der Forschung gefunden hat, konnte man erwarten, dass viel Neues ans Tageslicht kommt. Eine Erwartung, das sei vorweggenommen, die nicht in allen Punkten erfüllt wird.

Das Buch gliedert sich in eine biografische Darstellung und einen Quellenabschnitt. Dabei enthält der Quellenteil ausgewählte Stellen der Vita Herluini sowie illustrative Briefe Anselms aus der Handschrift Lambeth 59 in Latein und englischer Übersetzung. Im Darstellungsteil beleuchtet Sally N. Vaughn, wie schon in ihren früheren Publikationen, Anselms Episkopat vor allem aus dessen eigener Sicht mit Hilfe der überlieferten Briefsammlung Anselms, zieht aber auch weitere Quellen wie die Werke Eadmers und Wilhelms von Malmesbury heran. Zwei einleitende Kapitel über die bisherige Forschung, Probleme und Perspektiven des Untersuchungsgegenstandes sowie eine Schilderung des Netzwerkes der Abtei Bec eröffnen den ersten Hauptteil. Während seiner Zeit als Prior und Abt von Bec entwickelte Anselm seine Reformvorstellungen, beeinflusst von Lanfrank, seinem Vorgänger als Prior von Bec und Erzbischof von Canterbury. Lanfrank hatte nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Canterbury 1070 wesentlich die englische Kirche und ihr solides Verhältnis zum englischen König geprägt. Bereits diese beiden Kapitel zeigen, dass Vaughn sich vor allem mit der anglo-amerikanischen Forschung auseinandersetzt.

Die Jahre von Anselms Episkopat bilden den eigentlichen Schwerpunkt der Untersuchung (S. 49–166). Anselms Wahl wird in den Kontext der Beziehungen zwischen dem Königtum und dem Erzbischof von Canterbury gesetzt. Sie dient damit zugleich als Einführung in dessen Ansicht über dieses Verhältnis. Anselm selbst hatte seine Auffassung in das Gleichnis der zwei Ochsen gekleidet, die gemeinsam einen Pflug ziehen: König und Erzbischof sollten in Eintracht England regieren – der eine im weltlichen und der andere im geistlichen Bereich. Als Vorbilder für diese Zusammenarbeit dienten ihm hierfür insbesondere König Edgar und Erzbischof Dunstan sowie König Wilhelm I. und Erzbischof Lanfrank. Diese laut Vaughn bereits in Bec entwickelte Theorie (S. 23) bestimmte im Wesentlichen das Verhalten Anselms gegenüber Wilhelm II. nach seiner Bischofserhebung und war neben Anselms Versuchen, die Rechte und Privilegien Canterburys zu bewahren, eine Ursache für die Konflikte mit dem König bis 1100. In der Schilderung dieser Konflikte versucht die Verfasserin − Frank Barlow und Emma Mason folgend 1 − Wilhelm II. von der überwiegend negativen Beurteilung der Quellen zu lösen und ein objektiveres Bild zu zeichnen.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit Anselms Exil und den Umständen von Wilhelms Tod. Dabei betont Sally N. Vaughn die Möglichkeit, dass Wilhelms Tod kein Unfall, sondern ein Mordkomplott war, bei dem der Kreis um Anselm sowie das Papsttum die stärksten Motive besaßen und Hugo von Die als Verschwörer am wahrscheinlichsten in Betracht kommt (S. 123). Diese These basiert jedoch nicht auf Quellenbelegen, sondern allein auf der Annahme, dass Wilhelm II. keine der vom Reformpapsttum geforderten Reformen in der englischen Kirche durchgeführt hätte, solange er lebte. Im folgenden Kapitel ist es Sally N. Vaughns primäres Anliegen zu zeigen, dass Anselm ein geschickter Taktiker und keinesfalls ein frommer, weltfremder Mönch war, wie noch Richard W. Southern meinte.2 Ein gutes Beispiel dafür ist der Ausbruch des Investiturstreits. Anselm erkannte, dass sich Heinrich bei seiner Thronbesteigung 1100 in einer weit schwächeren Situation als sein Bruder Wilhelm befand und deshalb ihm und dem Papst gegenüber zu Kompromissen gezwungen war. In der Folge wird der englische Streit um das königliche Investiturrecht deshalb auch nicht als ein Streit zwischen „Staat” und „Kirche”, sondern als ein „Dreier-Konflikt“ zwischen Papst, König und Anselm über die Rechte jedes Einzelnen und gegen die Ansprüche des Anderen beschrieben, da Anselm nicht blind den Anweisungen des Papstes folgte, sondern auf die Wahrung der Rechte Canterburys bedacht war (S. 162). Zum Schluss wird deutlich, dass es Anselm gelang, seine Ziele durchzusetzen und er in großer Unabhängigkeit vom Papsttum in Eintracht mit dem König England beherrschte. Auch seine Fähigkeiten in der alltäglichen Administration des Erzbistums zeigen, wie berechtigt es ist, ihn als gestaltenden Politiker zu deuten: „[...] Anselm applied his great intelligence and knowledge to meet the king in the end into compliance with Anselm's episcopal vision of king and archbishop ruling jointly in nearly every aspect. …he marshalled his Episcopal powers to make sure that he claimed and obtained every iota of Canterbury privilege.” (S. 157f.).

Anselms theologische Werke werden jeweils an entsprechender Stelle im Text mit behandelt und so in einen Kontext mit den politischen Ereignissen gebracht.

Es ist Sally N. Vaughn gelungen, dem Leser die Person Anselms unter Berücksichtigung der (anglo-amerikanischen) Forschungslage nahezubringen. Dass nicht alle Aspekte, wie beispielsweise der Primatsstreit zwischen Anselm und den Erzbischöfen von York in entsprechender Tiefe behandelt werden, ist dem Format des Studienbuches geschuldet. Als solches und als Einführung in die (anglo-amerikanische) Forschungsdiskussion rund um Anselm von Canterbury ist es jedoch nicht zuletzt aufgrund der zweisprachigen Quellenexzerpte gut geeignet.

Anmerkungen:
1 Vgl. Frank Barlow, William Rufus, London 1983; Emma Mason, William Rufus and the Historians, in: Medieval History 1.1 (1991), S. 6–22.
2 Richard W. Southern, Saint Anselm and his Biographer. A Study of Monastic Life and Thought (1059–c.1130), Cambridge 1966.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension