H. Zimmermann u.a. (Hrsg.): Key Controversies in European Integration

Cover
Titel
Key Controversies in European Integration.


Herausgeber
Zimmermann, Hubert; Dür, Andreas
Reihe
The European Union Series
Erschienen
Anzahl Seiten
262 S.
Preis
£26.99 / € 33,02
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Henrich-Franke, Historisches Seminar, Universität Siegen

Die Finanzkrise der vergangenen Jahre hat die Debatte über die Entwicklungsperspektiven der Europäischen Integration neu entfacht. Welche institutionellen Strukturen die Europäische Union benötigt, um den zukünftigen Herausforderungen einer Gemeinschaft mit mittlerweile 28 Mitgliedsstaaten gerecht werden zu können, ist Gegenstand kontrovers geführter Diskussionen. Doch nicht nur die institutionelle Struktur auch die Frage, welche Politikbereiche sinnvollerweise vergemeinschaftet werden sollen, steht zur Debatte. Grundsätzliche Einigkeit besteht eigentlich nur darin, dass die Europäische Union nach den Erweiterungsrunden der letzten zehn Jahre einer Reform bedarf.

Der hier zu diskutierende Sammelband greift diese Debatte auf und stellt die jeweils konträren Positionen zu einzelnen Aspekten der EU-Reformdebatte gegenüber, um so die öffentliche wie wissenschaftliche Diskussion über das Thema zu befruchten. Dazu kommen für unterschiedliche Themenfelder der Europäischen Union – das institutionelle Design ebenso wie einzelne Politikfelder – jeweils ein EU-Befürworter und ein EU-Skeptiker zu Wort. Einleitende Kommentare der Herausgeber runden die jeweilige Gegenüberstellung ab.

Insgesamt werden 14 Themenfelder betrachtet, die entweder übergeordnete Systemfragen wie die Machtverteilung zwischen nationalen Regierungen und supranationalen Einheiten, die politische Effizienz und die demokratische Legitimität der Europäischen Union behandeln, oder einzelne Politikfelder wie die Wirtschaftspolitik, den Euro, die Agrarpolitik und die Kohäsionspolitik. Darüber hinaus werden Fragen wie eine europäische Armee, der Beitritt der Türkei oder die Europäische Union als normative Macht im globalen Umfeld thematisiert. Freilich kann der Band nicht alle Kontroversen behandeln, die innerhalb und um ein so komplexes Gebilde wie die Europäische Union herum geführt werden. Doch berühren die 14 ausgewählten Themenfelder die Kernbereiche der wissenschaftlichen wie öffentlichen Debatte.

Das Konzept des Bandes überzeugt, da es nicht nur einen guten Überblick über die aktuelle Diskussion gibt, sondern auf eine informative Art und Weise die einzelnen Themenfelder betrachtet. Hierzu trägt auch die Komposition von insgesamt 30 renommierten Beiträgern bei, die für ein durchweg hohes inhaltliches Niveau der Beiträge sorgen. Positiv hervorzuheben ist die strikt neutrale Positionierung der Herausgeber, die sich weder auf die Seite der EU-Kritiker noch auf die Seite der EU-Befürworter schlagen. Der Band kommt von seiner Konzeption als klassischer Sammelband daher und bietet inhaltlich doch mehr. Er verbindet die Vorteile eines Sammelbands, das heißt die Zusammenführung der relevanten Expertise mit einem inhaltlich kohärenten und verklammerten Konzept, wie es meist nur eine Monografie bietet.

Bei der Lektüre der einzelnen Beiträge fällt auf, wie sehr die Diskussion über die Europäische Union auf einem ‚methodologischen Nationalismus‘ beruht. Ob die Europäische Union ein Gebilde ‚sui generis‘ ist, welches in seiner langen Entwicklungsgeschichte die ‚Staatlichkeit‘ des traditionellen Nationalstaat längst transformiert hat, wird mitunter ebenso vernachlässigt wie die Frage, ob die für das westfälische System seit dem 17. Jahrhundert konstitutive Unterteilung der europäischen Staatenwelt von Innen- und Außenpolitik überhaupt noch Gültigkeit besitzt. An die Europäische Union wird dabei viel zu oft eine Messlatte angelegt, die von einem Antagonismus zwischen ‚Intergouvernementalismus‘ und ‚Supranationalismus‘ ausgeht. Apodiktisch steht Intergouvernementalismus für weniger Integration und Supranationalismus für mehr Integration. Dass beide Gestaltungsprinzipien der zwischenstaatlichen Beziehungen keine Antagonismen sein müssen, zeigt der erhellende Beitrag von Uwe Röhner, der argumentativ überzeugend nachweist, dass die Stärkung der intergouvernementalen Entscheidungsstrukturen nicht zwangsläufig in eine Schwächung der Europäischen Union resultiert. Im Gegenteil, sein Konzept des ‚New Intergovernmentalism in EU governance‘ verweist auf den Punkt, dass es bei den institutionellen Reformen der Europäischen Union, insbesondere in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, auch darum geht, „to pool national and supranational resources more efficiently in a given situation“ (S. 58). Die intergouvernementale Fortentwicklung der Europäischen Union wird dabei als explizite Stärkung der Europäischen Integration in Bereichen interpretiert, innerhalb derer die supranationale Gemeinschaftsmethode (derzeit) keine realistische Option darstellt.

Alles in allem muss man den Herausgebern ein großes Lob für einen konzeptionell überzeugenden und inhaltlich zur Diskussion anregenden Sammelband aussprechen, der ein großes Potential hat, um die Debatte über die Zukunft der Europäischen Union zu befruchten. Der Band bietet viele Anknüpfungspunkte für kontroverse Diskussionen und eignet sich deshalb besonders gut für den Einsatz in der universitären Lehre. Der Rezensent jedenfalls hat den Band mit viel Gewinn gelesen und dabei manch eine Aufgabe liegen gelassen, deren dringliche Erledigung eigentlich angestanden hätte.

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