B. Faehmel: College Women in the Nuclear Age

Titel
College Women in the Nuclear Age. Cultural Literacy and Female Identity, 1940–1960


Autor(en)
Faehmel, Babette
Erschienen
Chapell Hill 2011: Rutgers University Press
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
$49.95 / € 40,71
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sandra Kraft, Neuere und Neueste Geschichte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Wer sich mit amerikanischer Frauen- und Geschlechtergeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigt, kommt an der Lektüre von Betty Friedans „The Feminine Mystique“1 nicht vorbei. So bahnbrechend war der Erfolg dieses Buches, dass es nicht nur als Startschuss für die feministische Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre gesehen wurde, sondern Friedans Version vom tristen Hausfrauendasein dominierte lange Zeit auch die Geschichtsforschung der konservativen 1950er-Jahre. Mittlerweile jedoch existiert eine ganze Reihe von Untersuchungen, die das starre Bild der streng definierten Geschlechterrollen und der vorwiegend häuslichen Rolle der amerikanischen Frau in der Nachkriegszeit in Frage stellen.2 Babette Faehmels Buch versteht sich als Beitrag zur revisionistischen Literatur und der Relativierung von Friedans „Feminine Mystique“. Im Gegensatz zu anderen Untersuchungen setzt Faehmels Kritik allerdings nicht bei der Auswahl von Friedans Untersuchungsobjekten an. Sondern wie Friedan auch, so richtet Faehmel ihr Interesse auf junge Frauen (der amerikanischen Mittelschicht), die mit ehrgeizigen Karriereplänen ihr Studium begannen und dann doch (zunächst) als Hausfrauen und Mütter in den amerikanischen Vororten landeten. Anders als Friedan macht Faehmel aber nicht vorwiegend ein von Frauenzeitschriften und der amerikanischen Werbelandschaft gesellschaftlich propagiertes „häusliches Ideal“ für das Los der jungen Frauen verantwortlich, sondern argumentiert, dass sich die jungen Frauen in einem individuellen Entwicklungsprozess mit der Frage nach ihrer Geschlechterrolle auseinandersetzten und sich in einem bewussten Schritt für die (frühe) Ehe und gegen die Karriere entschieden.

Anhand der Tagebücher und Briefe von siebzehn Frauen – von denen sich allerdings nur zehn eigneten, tiefere Schlussfolgerungen über den Zusammenhang von persönlichen Erfahrungen und dem Einfluss öffentlicher Debatten und Geschlechtervorstellungen anzustellen – versucht Faehmel, die (individuellen) Beweggründe und Motive der Frauen zu diesem einschneidenden Schritt zu rekonstruieren. Welche Faktoren und Erfahrungen während ihrer Zeit am College waren dafür verantwortlich, dass diese jungen Frauen sich zunächst von ihren rein intellektuellen Zielen abkehrten und sich dem Ideal einer erfüllenden Liebesbeziehung zuwendeten? Warum betrachteten sie in zunehmendem Maße eine Heirat und Kinder als Bedingung für ein ausgefülltes Leben? In weitaus geringerem Maße als angenommen, so Faehmel, waren dafür die „Feminine Mystique“ und die starren Geschlechterrollen der 1940er- und 1950er-Jahre verantwortlich, wohl aber ein überhöhtes – und im öffentlichen Diskurs stark propagiertes – Ideal des Individualismus. Eindrücklich zeigt Faehmel, wie sich die jungen Frauen in einem Zwiespalt zwischen äußeren Erwartungen an das weibliche Geschlecht und an sich selbst gestellten Anforderungen einer individualistischen Persönlichkeit aufrieben. Letzten Endes, so die These, konnten die Frauen diesem Anspruch nicht gerecht werden. In der Furcht zu scheitern, da sie sich selbst nicht als „außergewöhnliche“ Persönlichkeit empfanden, gaben sie hochfliegende Karrierepläne auf oder passten ihre Ziele niedrigeren Erwartungen an.

Das Buch selbst bewegt sich in (grob) chronologischen Bahnen. Mit dem Kapitel „Campus in Crisis“ erfolgt der Einstieg in die Collegelandschaft während der Kriegsjahre und endet mit dem vom Antikommunismus geprägten Klima der späten 1950er-Jahre. Die persönlichen Erfahrungen der Studentinnen entfalten sich vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen. Zugleich aber folgt der Aufbau des Buches auch aus der Perspektive einer inneren Entwicklung der Studentinnen, bei der die einzelnen Kapitel unterschiedliche Stufen der emotionalen und intellektuellen Entwicklung der Protagonistinnen repräsentieren. So führt Faehmel die Leser/innen durch die Collegezeit der Krisenjahre, beschreibt, wie die jungen Frauen, mit größerer Entfernung von ihrem früherem sozialen Umfeld, sich sowohl intellektuell als auch emotional weiterentwickelten und wie dieser Loslösungsprozess selbst zu Konflikten mit der Familie führen konnte. Gerade das an der Universität gelehrte kritische Denken und der Kontakt mit neuen philosophischen, psychologischen und literarischen Ideen führten zu mehr intellektueller Unabhängigkeit der jungen Frauen. Gleichzeitig aber bedeutete der Beginn der Universitätszeit auch den Beginn neuer Abhängigkeiten: Nicht mehr die Familie, sondern die dominante Collegekultur bildete den Referenzrahmen für die jungen Studentinnen. Dieser war geprägt von den sogenannten „Coeds“, also jungen Frauen, vorwiegend aus wohlhabendem Elternhaus, für die weniger die akademische Ausbildung im Vordergrund stand als das Ziel, einen (angemessenen) Ehemann zu finden.

So standen die jungen Frauen auch unter dem Druck der „Peer Culture“. Um dazuzugehören, vernachlässigten einige junge Frauen ihre Studien und widmeten sich ganz den sozialen Aktivitäten, während andere das Gefühl hatten, nie richtig dazuzugehören. Doch einige der jungen Frauen schafften zunächst den Spagat, ihren intellektuellen Wissensdurst zu stillen und sich gleichzeitig bei Tanz- und Sportveranstaltungen zu amüsieren. Mehr noch, die Tagebucheinträge und Briefe verdeutlichen, dass selbst die Erfahrungen mit der prominenten „Dating Culture“ die Ambitionen der jungen Frauen nicht unbedingt schmälern mussten. Im Gegenteil, wie das Beispiel von Margaret Hall zeigt – die gleich nach Beginn der Aufnahme ihres Studiums ihre Verlobung löste – fühlte sich diese von mehreren ihrer männlichen Kommilitonen und Partner in intellektueller Hinsicht bestärkt (S. 101). So ist auch nachvollziehbar, wie sich die jungen Studentinnen mit der Zeit in romantischen Träumen über Ehe und Familie verlieren konnten, ohne das Gefühl zu haben, ihre eigene Ziele aufgeben zu müssen. Dass sie dabei das Bild von der modernen, kameradschaftlichen Ehe – die auf intellektueller Gleichberechtigung beruhen sollte – im Sinn hatten, erklärt weiterhin, wie später auch der Rückzug aus der akademischen Welt legitimiert werden konnte.

Darüber hinaus, so Faehmel, übte das College selbst einen ambivalenten Einfluss auf die Studentinnen aus. Einerseits wurden die jungen Frauen in ihrer Individualität und in den eigenen Fähigkeiten bestärkt, doch gleichzeitig wurde ihnen vermittelt, dass sie vor allem in der Rolle als Mutter und Ehefrau ihre erworbene Bildung zum Nutzen der Gesellschaft einsetzen sollten (S. 56f.). Hinzu kamen praktische Barrieren, die es Frauen schwer machten, in etablierten Disziplinen an der Universität Fuß zu fassen und Karriere zu machen. Nur ausgesprochen ambitionierte und talentierte Frauen schafften es, sich in der Männerwelt zu behaupten. Diese Erkenntnis war es auch, die Studentinnen wie Alice Gorton und Margaret Hall an ihren eigenen Talenten zweifeln ließ und sie dazu bewogen, sich immer stärker der potenziellen Ehe zuzuwenden und ehrgeizige Berufspläne zu revidieren. Anders als von Friedan behauptet, war laut Faehmel also nicht die völlige Abwesenheit von Frauen in öffentlichen Positionen Schuld am häuslichen Rückzug, sondern vielmehr der Eindruck, dass nur besonders talentierte und außergewöhnliche Frauen in der Männerwelt mithalten konnten.

Das Buch selbst liest sich kurzweilig und spannend, und gerade weil die Studie oftmals – wie die Autorin selbst schreibt – auf „anekdotischem“ Material beruht, ergibt sich ein anschauliches Bild von der Erfahrungswelt der Collegestudentinnen in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Dieser anekdotische Eindruck ist einerseits die große Stärke des Buches, weist aber gleichzeitig auch auf eine methodische Schwäche hin, die sich durch die geringe Zahl der Untersuchungsobjekte ergibt. Dass Faehmel nur siebzehn persönliche Hinterlassenschaften lokalisieren konnte ist dabei nur eine Seite des Problems. Die Tatsache, dass von diesen siebzehn nur zehn alle Anforderungen erfüllten, räumt auch die Autorin als problematisch ein; dem Vorwurf, dass die Auswahl dieser zehn – vorwiegend der weißen Mittelkasse entstammenden – Studentinnen als wenig repräsentativ gelten kann, begegnet Faehmel bereits im Vorfeld (S. 8). Tatsächlich ist die Gruppe sogar weniger privilegiert, als es zunächst den Anschein hat: die Mehrzahl der Protagonistinnen entstammte der neuen Mittelklasse und nicht etwa den alteingesessen Eliten Neu-Englands. Unter ihnen befanden sich mindestens fünf Frauen, die sich ihr Studium ohne ein Stipendium finanziell nicht hätten leisten können. Wie aus den ersten Kapiteln hervorgeht, spielten solche (Klassen-)Unterschiede eine große Rolle bei der Selbstfindung der Studentinnen. Wenn überhaupt ist die Frage zu stellen, ob nicht gerade die Andersartigkeit der Protagonistinnen stärker hätte problematisiert werden müssen, bevor generalisierende Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können.

Der größte methodische Schwachpunkt liegt allerdings darin begründet, dass das Buch beim Lesen den Eindruck erweckt, tatsächlich der inneren und äußeren Entwicklung mehrerer junger Frauen zu folgen. Das Problem dabei ist, dass wir nur von drei Studentinnen überhaupt etwas zu diesen Beweggründen erfahren – andere, deren Tagebucheinträge in den ersten Kapiteln ausführlich besprochen werden, tauchen in der zweiten Hälfte des Buches überhaupt nicht mehr auf. Hinzu kommt, dass in einem der späten Kapitel die Tagebucheinträge eines männlichen Studenten und die Briefe eines der Verlobten ausführlich herangezogen werden – im ersten Fall ohne konkreten Zusammenhang mit den übrigen Personen. Diese beiden „männlichen“ Gegenstimmen lassen die Leserin etwas über den Druck und eine mögliche (sexuelle) Identitätskrise erfahren, dem die männlichen Studenten dieser Zeit ausgesetzt waren. Doch als Einzelstimmen können sie nicht als Stimmungsbild ihrer Zeit herhalten. Sie lassen allerdings erahnen, welches Potential eine Studie für unser Verständnis der Geschlechterbeziehungen haben könnte, die nicht nur die innere Entwicklung von jungen Frauen, sondern auch von jungen Männern in den 1950er-Jahren berücksichtigt.

Anmerkungen:
1 Betty Friedan, The Feminine Mystique, New York 1963.
2 Joanne J. Meyerowitz (Hrsg.), Not June Cleaver. Women and Gender in Postwar America, 1945–1960, Philadelphia 1994. Vgl auch Daniel Horowitz, Betty Friedan and the Making of the Feminine Mystique. The American left, the Cold War and Modern Feminism, Amherst 2000.

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