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Titel
Arc of Empire. America's Wars in Asia from the Philippines to Vietnam


Autor(en)
Hunt, Michael H.; Levine, Steve
Erschienen
Anzahl Seiten
340 S.
Preis
€ 30,48
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Georg Schild, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

In den Jahren 1898 bis 1973 haben die Vereinigten Staaten vier Kriege in Asien geführt, die von der Geschichtsschreibung bisher vornehmlich separat betrachtet worden sind. Der Krieg um die Philippinen war ein traditioneller imperialistischer Konflikt um Territorien und Märkte. Die imperialistische Phase der US-Außenpolitik erstreckte sich nach bisheriger Auffassung jedoch nur über wenige Jahre. Die Wilson-Administration nutzte den Ersten Weltkrieg nicht zu territorialen Erweiterungen. Im Gegenteil wandte sich Wilson mit Entschiedenheit gegen alle imperialistischen Bestrebungen der Alliierten. Auch die Administration Franklin D. Roosevelts war Ende der dreißiger und Anfang der 1940er Jahre nicht an einem Krieg in Asien interessiert. Erst der japanische Überfall auf Pearl Harbor änderte die Stimmung in einem überwiegend isolationistisch eingestellten Land (und Kongress) und machte dem Präsidenten den Kriegszug gegen den Aggressor möglich. In den Jahren des Kalten Krieges führten die USA zwei erfolglose Kriege in Korea und Vietnam, die den USA aufgezwungen erschienen, weil Nordkorea im Sommer 1950 den Süden des Landes angegriffen hatte und weil das kommunistische Nordvietnam das kapitalistische amerikafreundliche Südvietnam zu unterminieren drohte.

Das Buch „Arc of Empire“ besteht im Hauptteil aus vier hervorragend recherchierten und gut geschriebenen Einzelstudien über die Erfahrungen der USA in den vier genannten Kriegen in Asien. Eingerahmt werden diese Kapitel durch eine Einleitung und einen Schlussteil, die die These der Autoren darlegen und ihr methodisches Vorgehen erläutern. Für Hunt und Levine sind die genannten Kriege eben nicht unverbundene Ereignisse, sondern gehören zusammen. Gemeinsam bilden sie einen „imperialen Bogen“ (Arc of Empire) der amerikanischen Politik vom späten 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre. Die Kriege bilden demnach die den jeweiligen Zeitumständen angepassten Versuche, in Ostasien eine Vorherrschaft zu errichten. Erst die Niederlage in Vietnam in den frühen siebziger Jahren hat nach Auffassung der Verf. diese Phase des Imperialismus beendet.

Der Gebrauch des Begriffs „empire“ im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und den Kriegen in Korea und Vietnam mag überraschen. Die Verf. definieren deshalb, wie sie ihn im Buch verwenden. Ihr Imperialismusbegriff setzt sich aus vier Komponenten zusammen. Da ist zunächst ein starker ideologischer Impuls, der „Träume von Vorherrschaft“ (dreams of dominance) inspirierte. Dazu kommt zweitens die Bedeutung des Kolonialismus und des Nationalismus in Staaten der Dritten Welt. Angefangen mit den Philippinen und Japan, haben die USA begonnen, von ihnen abhängige Regime (client regimes) zu schaffen. Das dritte Element sei die militärische Überlegenheit der USA gewesen, die die Unterwerfung „auch des willensstärksten Gegners“ ermöglichte. Viertens schließlich ist die Herausbildung eines stabilen und prosperierenden Ostasien vor dem Hintergrund der genannten Konflikte zu verzeichnen. (S. 4-5)

Keine Bedeutung haben für die Autoren hingegen die unmittelbaren Motive bei der Schaffung eines Imperiums. Für sie ist es nicht einmal von Bedeutung, ob die Imperien in bewusster Absicht kreiert worden sind. Auf Grundlage dieser Definition kommen die Autoren zu der Überzeugung, dass die USA in Asien ein Imperium errichtet hätten, das im Fall von Japan sieben Jahre und bei den Philippinen vier Jahrzehnte angedauert hat.

Das Ende des amerikanischen Imperialismus fällt für die Autoren zusammen mit einer neuen Wahrnehmung der Grenzen der Macht des Landes. Als Dokument des neuen Denkens eines begrenzten amerikanischen Einflusses zitieren die Verf. eine Pressekonferenz Präsident Richard Nixons vom 6. Juli 1971. Zwei Jahre vor dem Abzug der letzten amerikanischen Einheiten aus Vietnam erklärte der Präsident, dass sich der Kalte Krieg von einem Konflikt um Leben und Tod zwischen zwei Antagonisten zu einem Wettbewerb zwischen fünf Mächten entwickelt habe. In diesem Wettbewerb würden die USA nicht länger dominieren. Die bisherigen „Klientenstaaten“ (client states) wurden zu Alliierten. (S. 261-62)

Das Buch von Hunt und Levine ist ein interessanter und anregender Beitrag zur Historiographie der US-Außenpolitik des 20. Jahrhunderts, weil es den Kalten Krieg in eine größere Narration zum Thema „amerikanisches Imperium“ zu integrieren sucht. Was jedoch nicht deutlich wird, ist, in welchem Verhältnis Imperialismus und Kalter Krieg zueinander stehen. Da der Imperialismus älter ist, wäre anzunehmen, dass der Ost-West-Konflikt für die Autoren nur eine Spielart dieses ursprünglicheren Konfliktes ist. Die Kapitel zu den einzelnen Kriegen widersprechen dem jedoch und stellen traditionelle Vorstellungen von antikommunistischer Furcht in den Jahren des Kalten Krieges in den Vordergrund. So heißt es in der Zusammenfassung zum Kapitel über den Koreakrieg: „They [amerikanische Politiker] increasingly feared communist-inspired and assisted revolutionary wars in eastern Asia and elsewehere in the third world. They looked to reliable anticommunist nationalists … to keep the communists at bay.” (S. 184) Damit wird der Krieg gerade nicht im Hinblick auf die Schaffung einer imperialistischen Einflusssphäre interpretiert, sondern sehr traditionell als Abwehr einer kommunistischen Bedrohung.

Bei allen Gemeinsamkeiten der untersuchten Kriege fallen Unterschiede zwischen ihnen auf. Mit Ausnahme des Krieges auf den Philippinen waren den USA alle Konflikte aufgezwungen worden. Korea und Vietnam waren darüber hinaus zwei Staaten, an denen die USA vor Beginn der jeweiligen Kriege kein großes Interesse gezeigt hatten. Im Gegenteil war es gerade die von Außenminister Dean Acheson im Januar 1950 zu Protokoll gegebene Indifferenz gegenüber Korea, die den nordkoreanischen Diktator Kim Il-Sung zur Aggression veranlasst hatte.

Schließlich bleibt zu fragen, warum sich der amerikanische Imperialismus in Asien gerade durch Kriege manifestieren sollte. Das Kennzeichen der amerikanischen Vormachtstrategie in Europa war nach dem Zweiten Weltkrieg die der wirtschaftlichen Dominanz. Es ging um die Schaffung eines informellen Imperiums, bei dem Staaten politisch unabhängig, aber wirtschaftlich eng mit den USA verflochten wurden.

Die Kriege in Korea und Vietnam stellen für den Amerikahistoriker einen schwierigen Untersuchungsgegenstand dar, weil sich die Truman- und Johnson-Administrationen unvorhersehbar verhalten haben. Warum trug Truman den Krieg über den 38. Breitengrad in Richtung chinesischer Grenze, wenn er keine Auseinandersetzung mit der Volksrepublik China riskieren wollte? Warum entsandte Johnson amerikanische Soldaten nach Vietnam, ohne eine klare Vorstellung von einem Sieg in diesem Krieg zu haben? Die Vorstellung, dass all dem eine bestimmte politische Absicht zu Grunde liegt, ist attraktiv. Ob der militärische Imperialismus jedoch diese einigende Theorie ist, muss noch genauer untersucht werden.

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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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