M. Tziatzi-Papagianni (Hrsg.): Theodori Metropolitae Cyzici Epistulae

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Titel
Theodori Metropolitae Cyzici Epistulae. Accedunt epistulae mutuae Constantini Porphyrogeniti


Herausgeber
Tziatzi-Papagianni, Maria
Reihe
Corpus Fontium Historiae Byzantinae. Series Berolinensis 48
Erschienen
Berlin 2012: de Gruyter
Anzahl Seiten
112*, 243 S.
Preis
€ 109,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Grünbart, Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Im Rahmen des Corpus Fontium Historiae Byzantinae erscheinen regelmäßig auch Briefausgaben wie die hier vorzustellende Edition der Sammlungen des Theodoros von Kyzikos aus dem 10. Jahrhundert. Über das Leben des Epistolographen ist nur wenig bekannt: Nach einer guten Ausbildung in Konstantinopel wirkte er während der Amtszeit des Patriarchen Theophylaktos (938–956) an der Hagia Sophia in der Hauptstadt. Von 941 bis 959 war er in Kyzikos ungern Bischof und versuchte 958/959 gemeinsam mit dem Kaiser Konstantinos VII. (944–959) erfolglos gegen die Bestellung des Patriarchen Polyeuktos (956–970) zu intrigieren; er wurde daraufhin nach Nikaia exiliert, wo sich seine Spuren verlieren. Erhalten geblieben sind neben den Briefen Verse über die acht Modi der byzantinischen Musik und ein Enkomion auf den Heiligen Blasios.

Tziatzi-Papagianni, ausgewiesene Philologin1, unterzog sich der mühsamen Nachkollationen der vier Handschriften des Briefœuvres des Metropoliten (Athos Laura Omega 126 und Vindobonensis graecus 3242; nur kleine Teile im Baroccianus graecus 131 und Vaticanus graecus 924; Beschreibung derselben auf S. 20*–51*). Die Ordnung der Sammlung vom Berg Athos ist chronologisch (33 Briefe), bei dem Wiener Textzeugen (59 Briefe) lässt sich keine logische Abfolge erkennen. Dazu kommen verstreute Briefe von (einer in der Sammlung des Symeon Magistros) und an Theodoros (zwei von Theodoros von Nikaia sowie fünf anonyme Schreiben), die die Editorin in einer Appendix zusammenfasst.

Tziatzi-Papagianni belässt die beiden Sammlungen als Einheiten und folgt „bei der Orthographie und der Akzentuierung hauptsächlich den modernen editorischen Regeln“, die „die Interpunktion der Handschriften in manchen Fällen“ berücksichtigen (S. 61*).3

Der Intention der Reihe entsprechend werden die Briefe nach historischen Fakten durchforstet. Die Angaben zum Leben des Autors sind dünn, man weiß, dass er Metropolit von Kyzikos war und eine sehr enge Beziehung zu Konstantin VII. hatte. Die Freundschaft der beiden spiegelt sich in einer (für die byzantinische Brieftradition) einzigartigen Korrespondenzkette wieder, die aus insgesamt 18 Briefen besteht. Man kann also Brief und Gegenbrief untersuchen. Theodoros befindet sich auf dem bithynischen Olymp, der zu den wichtigsten Mönchsbergen im Weichbild Konstantinopels zählte. Kleine Gefälligkeiten werden ausgetauscht, die Innigkeit der Zuneigung wird durch das Übersenden persönlich berührter Gegenstände betont. Das schönste Stück ist ein arabischer Kelch, den Theodoros dem Kaiserspross übersendet (hier hätte man beim Kommentar auf die Kunstsinnigkeit Konstantins und des Kaisers Freude an orientalischen Gegenständen hinweisen können4). Abgesehen von ihrem prosopographischen Wert bietet die Sammlung keinerlei weiteren historischen Fakten, abgesehen von kultur- und realiengeschichtlichen Nachrichten.5

Den Briefen wurden regestenartige, teilweise den griechischen Text paraphrasierende Zusammenfassungen vorangestellt, die eine erste Orientierung bieten. Ist die Editorin darauf bedacht, alle philologischen Details akribisch genau zu beachten und zu bewerten, so unterlässt sie die literaturwissenschaftliche Interpretation der Sammlungen. Ebenso wundert man sich, dass grundlegende Arbeiten zur byzantinischen Epistolographie nicht genannt werden. Margaret Mullett etwa hat Theodoros in ihrer Untersuchung zum Topos des Exils mitberücksichtigt.6 Gerade bei diesem Autor ließe sich das Motiv des locus amoenus im Gegensatz zum unangenehm empfundenen Aufenthaltsort außerhalb Konstantinopels breitgefächert und variantenreich beleuchten.

Breiter Raum wird dem Nachweis von Zitaten gewidmet, wobei der Betrachter bei stichprobenartiger Kontrolle seine Skepsis gegenüber der Fülle an Identifikationen nicht ablegen kann. Ab welchem Übereinstimmungsgrad zweier Passagen kann man von einem Zitat sprechen, wann handelt es sich um eine Spontanparallele, wann um den gewöhnlichen Wortschatz eines Gebildeten der Zeit?7 Ist zum Beispiel der anaphorische Briefbeginn von Leon von Synada (ep. 52, 2f. Vinson), „eidon dia graphēs tēn sebasmian emoi kai tripothēton kephalēn su, eidon“, wirklich eine Imitation von Theodoros von Kyzikos A 17, 6 „aspazomai tēn tripothēton mu ek Theu estemmenēn su kephalēn“ (kursiv die übereinstimmenden Wörter)?

Interessant scheint das Ergebnis, dass Michael Choniates (12. Jahrhundert) als ein Imitator des Theodoros anzusehen ist. Er habe sich in einer ähnlichen Lebenssituation befunden (S. 54*) und deswegen Formulierungen seines Vorbildes gut verwenden können. Wenn man sich Brief 1 der Wiener Sammlung, der in sechs Fällen (S. 54*) Parallelstellen mit Choniates aufweise, genauer ansieht, muss man feststellen, dass es hier über Einzelwortübereinstimmungen nicht hinausgeht, einmal eine homerische Formulierung steht, einmal ein Zitat aus dem Alten Testament. Die Frage hier wäre eher, ob dies nicht dem Standard der rhetorischen Erziehung in Byzanz entspricht. Auch die Übereinstimmungen von Theodoros von Kyzikos A Nr. 12,19–22 mit Michael Choniates 173, 22–25 erweisen sich höchstens als Motivparallelen.

In Brief 3.3. wird von dem Schreiber das Motiv des pythagoreischen Schweigens eingeführt – ein in der Briefliteratur öfters vorkommendes Bild, siehe etwa Ioannis Tzetzae epistulae, ed. Leone 1972, epp. 15 (28, 5s.), 32 (47, 21), 39 (57, 21).

Kleinigkeiten: Gerard van Swieten (nicht Schwieten) war Bibliothekar Maria Theresias (S. 30*f. passim). – Von Athena Kolia-Dermitzake gibt es mittlerweile auch das Buch zum Heiligen Krieg in Byzanz.8 – Dem Rezensenten nicht ganz klar ist die Verwendung des Wortes „königlich“ und „Königtum“, wenn es doch eindeutig um den byzantinischen Kaiser geht (S. 95*, 100*). – Dass Konstantinos VII. als ein „gestürzter Kaiser“ „am Leben gelassen“ wurde, verblüfft (S. 96*).

Die Edition der Briefe selbst ist fehlerfrei und stellt eine wesentliche Verbesserung der bisher zu benützenden Ausgaben von Spyridon Lampros und Jean Darrouzès dar.9

Anmerkungen:
1 Die Edition ist schon länger angekündigt, siehe Maria Tziatzi-Papagianni, Die Epistel Nr. 3 (ed. Lampros) des Theodoros, Bischofs von Kyzikos, im Codex Vind. Phil. Gr. 342, in: Wolfram Hörandner / Michael Grünbart (Hrsg.), L’épistolographie et la poésie épigrammatique. Actes de la 16e table ronde du XXe Congrès Internationale des Études Byzantines (Dossiers byzantins 3), Paris 2003, S. 103–120; dies., Die Korrespondenz des Theodoros von Kyzikos im Codex Laura Omega 126. Textkritische Beiträge, in: Byzantinische Zeitschrift 96 (2003), S. 223–268; dies., Hē epistolē ar. 6 Darrouzès tu Theodōru Kyziku ston kōd. O 126 tēs Monēs Megistēs Lauras, in: Logia kai dēmōdes grammateia tu Hellēniku Mesaiōna, Thessalonike 2002, S. 124–138.
2 Zu der Komposition dieser Handschrift jetzt Michael Grünbart, Byzantinische Briefflorilegien. Kopieren und Sammeln zur Zeit der Makedonenkaiser, in: Peter van Deun / Caroline Macé (Hrsg.), Encyclopedic trends in Byzantium? Proceedings of the international conference held in Leuven, 6–8 May 2009, Leuven 2011, S. 77–88.
3 Auf die momentan rege Diskussion innerhalb der byzantinischen Studien, wie ein Text ediert werden soll, wird nicht hingewiesen, s. z.B. zuletzt Antonia Giannouli / Elisabeth Schiffer (Hrsg.), From manuscripts to books. proceedings of the International Workshop on Textual Criticism and Editiorial Practice for Byzantine Texts (Vienna, 10–11 December 2009) = Vom Codex zur Edition. Akten des internationalen Arbeitstreffens zu Fragen der Textkritik und Editionspraxis byzantinischer Texte (Wien, 10.–11. Dezember 2009), Wien 2011.
4 Anthony Cutler, Les échanges de dons entre Byzance et l’Islam (IXe-XIe siècle), in: Journal des Savants (1996), S. 51–66, hier S. 57; Maria Parani, On the Personal Life of Objects in Medieval Byzantium, in: Anthony Cutler / Arietta Papaconstantinou (Hrsg.), The Material and the Ideal. Essays in Medieval Art and Archaeology in Honour of Jean-Michel Spieser, Leiden 2007, S. 157–176, hier S. 166, Anm. 23.
5 Man erfährt einiges über Briefbeigaben und ihren symbolischen Stellenwert (z.B. Fische). Warum die Untersuchung von Apostolos D. Karpozilos, Realia in Byzantine epistolography X–XII c., in: Byzantinische Zeitschrift 77 (1984), S. 20–37 nicht mitberücksichtigt wurde, bleibt unklar.
6 Margaret Mullett, Originality and Byzantine letter-writing. The case of exile, in: Anthony R. Littlewood (Hrsg.), Originality in Byzantine Literature, Art and Music, Oxford 1995, S. 39–58.
7 S. Diether Roderich Reinsch, Zum Edieren von Texten. Über Zitate, in: Elizabeth Jeffreys (Hrsg.), Proceedings of the 21st International Congress of Byzantine Studies, London 21–26 August 2006, Bd. 1, Aldershot 2006, S. 299–309.
8 Athena Kolia-Dermitzake, O byzantinos „ieros polemos“ ē ennoia kai ē probolē tu thrēskeutiku polemu sto Byzantio [= The byzantine „holy war“], Athen 1991.
9 Spyridon Lampros, Epistolai ek tu Biennaiu kōdikos Phil. Gr. 342, in: Neos Hellēnomnēmōn 19 (1925), S. 12–29 und Jean Darrouzès, Épistoliers byzantine du Xe siècle, Paris 1960.

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