Titel
Equal Time. Television and the Civil Rights Movement


Autor(en)
Bodroghkozy, Aniko
Reihe
The History of Communication
Erschienen
Champaign, Illinois 2012: University of Illinois Press
Anzahl Seiten
280 S.
Preis
$50.00 / € 42,52
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andre Dechert, Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe „Familienwerte im gesellschaftlichen Wandel: Die US-amerikanische Familie im 20. Jahrhundert“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

„Die Geschichte moderner Gesellschaften kann nicht geschrieben werden, ohne die zunehmend einflussreichen audiovisuellen, elektronischen Massenmedien als Quelle und Faktor zur Kenntnis zu nehmen.“1 In einer aktuellen Ausgabe des „Journal of Modern European History“ betont die Zeithistorikerin Christina von Hodenberg nicht nur die Bedeutung der Massenmedien, sondern sie hebt insbesondere die Rezeptions- und Wirkungsprozesse des Fernsehens als wichtigen Analysegegenstand der Zeithistorie hervor, der bisher in der Forschung vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren hat. Dies liegt wohl nicht zuletzt in den methodischen und theoretischen Fallstricken begründet, denen sich Historiker/innen – vor allem in interdisziplinärer Hinsicht – in diesem Zusammenhang stellen müssen.

Mit Aniko Bodroghkozys „Equal Time. Television and the Civil Rights Movement“ ist nun ein Buch erschienen, das die Frage der Wirkung des Fernsehens untersucht. Bodroghkozy befasst sich konkret mit den Thematisierungen des Civil Rights Movement in Nachrichtenformaten und Unterhaltungsserien des amerikanischen TV. Dabei richtet sie ihren Blick sowohl auf Produktion und Inhalt der TV-Sendungen als auch auf deren zeitgenössische Rezeption in den USA.

Bodroghkozy hat ihr Buch in zwei Teile gegliedert. Während der erste Teil Nachrichtenformate im Zeitraum von 1957 bis 1965 betrachtet, untersucht der zweite Teil drei Unterhaltungsserien im Zeitraum von 1968 bis 1979. Als Einstieg präsentiert sie ein Kapitel zu der TV-Sitcom „Beulah“ (ABC, 1950–52). Darin argumentiert sie, das in der Ära des Civil Rights Movement in Network News und TV-Serien dominante „black and white together theme“ habe bereits in „Beulah“ eine erste Anwendung erfahren. Diese Entwicklungslinie sei jedoch in der Forschung bisher nicht hinreichend beachtet worden.

In ihrer Betrachtung der Nachrichtenformate knüpft Bodroghkozy an diesen Befund an. Anhand der Analyse von „prestige documentaries“, Nachrichtensendungen und Live-Berichterstattung der Networks zeigt sie das Bestreben der Verantwortlichen auf, einen gesellschaftlichen Konsens abzubilden, der den Kampf des Civil Rights Movement um Gleichberechtigung und Integration als von weißen Amerikanern unterstützten „admirable progress“ (S. 119) präsentierte. Maßgeblich sei dies wohl in dem Bestreben der Sender begründet, ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Bodroghkozy arbeitet heraus, dass dennoch die Einschätzung, das TV habe der Bürgerrechtsbewegung generell wohlwollend gegenübergestanden, zu relativieren ist. Aufgrund einer ausgeprägten Skepsis gegenüber Bürgerrechtsorganisationen stuften einige Verantwortliche sogar die NAACP als radikal ein. Dies sei auch ein Grund für die Fokussierung der Nachrichtenformate auf Individuen. Durch einen Perspektivwechsel von der Ebene der Darstellung auf die der Rezeption gelingt es Bodroghkozy bereits in diesem ersten Hauptteil die Bedeutung und Wirkung der vom Fernsehen angebotenen Repräsentationen auf Zuschauer aufzuzeigen. Anhand der Analyse von Zuschauerbriefen, Presse (inklusive dort veröffentlichter Leserbriefe) und Beständen der NAACP legt Bodroghkozy nicht nur vielfältige, teils konträre Lesarten weißer und schwarzer Amerikaner/innen dar. Sie zeigt ebenfalls konkrete Wirkungen der Nachrichtensendungen auf die Zuschauer auf. So hätte zum Beispiel die Berichterstattung über die Protestmärsche der Bürgerrechtsbewegung in Selma, Alabama, von März 1965 angesichts der deutlich sichtbaren weißen Brutalität gegenüber schwarzen Demonstranten zahlreiche Bürger/innen aus den gesamten USA veranlasst, sich den Protesten in Selma anzuschließen. Weiterhin habe die Berichterstattung unter weißen Bürgern Alabamas ein Überdenken der eigenen Einstellung verursacht, wie in Zeitungen veröffentlichte Leserbriefe implizieren. Angesichts solcher Ergebnisse ist es zu bedauern, dass Bodroghkozy in diesem ersten Teil des Buches nicht die Rezeption jedes Fallbeispiels untersucht.

Im zweiten Teil ihres Buches wendet sich Bodroghkozy den Unterhaltungsserien des US-amerikanischen Fernsehens in der Prime Time zu: der Drama-Serie „EastSide/WestSide“ (CBS, 1963–64) sowie den Sitcoms „Julia“ (NBC, 1968–71) und „Good Times“ (CBS, 1974–79). Im Gegensatz zum ersten Teil des Buches analysiert Bodroghkozy in den einzelnen Kapiteln jeweils alle drei Untersuchungsachsen – Produktion, Inhalt und Rezeption. Die Kapitel dieses Teils erscheinen so in sich kohärenter. Die Auswahl dieser drei Serien als Untersuchungsgegenstände ist insofern signifikant als sie einen chronologischen Bogen von der durch friedlichen Protest und gewaltlosen Widerstand geprägten Civil-Rights-Ära hin zu der konfrontativen Politik der Black-Power-Bewegung schlagen. „EastSide/WestSide“ veranlasste die Zuschauer mittels der Darstellung von schwarzer Armut und eines Zuzugs von Afro-Amerikanern in zuvor „weiße“ Wohngegenden, ihre Einstellung bezüglich tatsächlicher Gleichberechtigung und Integration kritisch zu hinterfragen. Die Darstellung einer vollständig integrierten schwarzen, alleinerziehenden Mutter in der von weißen Amerikanern produzierten Serie „Julia“ traf in der afro-amerikanischen Gesellschaft auf starke Kritik. Die Welt von „Julia“ entspräche nicht der sozialen Realität, lautete diese oftmals – eine soziale Realität, die in Folge der Watts Riots von August 1965 in Nachrichtenformaten zunehmend als durch Gewalt, Aufruhr und Verzweiflung gekennzeichnet dargestellt wurde. Diese veränderte Darstellung fasst Bodroghkozy jedoch leider nur knapp auf der Basis von Forschungsliteratur zusammen. Mit der Analyse von „Good Times“ wagt Bodroghkozy einen Ausblick in die 1970er-Jahre und zeigt, dass schwarze TV-Produzenten den Forderungen der Kritiker von „Julia“ zu entsprechen suchten, indem sie eine Serie schufen, welche eine arme, schwarze Familie darstellte. Unter vehementer Kritik der beteiligten afro-amerikanischen Schauspieler kehrte die Serie jedoch zu einer stereotyperen Darstellungen zurück, eine Entwicklung, für die sich weiße Produzenten verantwortlich zeigten.

Bezieht man den Ansatz Bodroghkozys auf die Forderungen deutscher Zeithistoriker/innen wie von Hodenberg, das Fernsehen als Faktor und Quelle zur Kenntnis zu nehmen, so muss das Urteil über die Umsetzung differenziert ausfallen. Auf der einen Seite gelingt es Bodroghkozy überzeugend Wirkungen des Fernsehens auf den Zuschauer mittels der Analyse von Presse und Zuschauerbriefen darzulegen sowie die Wechselwirkungen von Rezeption, Darstellung und Produktion aufzuzeigen. Auf der anderen Seite macht die Studie aber auch die Notwendigkeit eines genauen methodischen Vorgehens und einer exakt begründeten Quellenauswahl deutlich. Aspekte wie Reichweite, „standing“, „agenda setting“ oder „framing“ werden zwar von Bodroghkozy aufgegriffen, doch zeigen sich in der konkreten Anwendung Defizite. So fragt sich der Leser im Kontext des Selma-Campaign-Kapitels, warum Bodroghkozy die Fernsehwirkung anhand der „CBS Evening News with Walther Cronkite“ analysiert. Diese Nachrichtensendung genoss zweifellos eine große Popularität. Der Quellenwert dieser Sendung wird jedoch massiv dadurch geschmälert, dass die Kommentare Cronkites selbst nicht überliefert sind, sondern nur die eingespielten Beiträge. Ebenfalls problematisch ist die chronologische Trennung der zwei Hauptteile, da so Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Darstellung und Rezeption verschiedener Formate aus dem Blick geraten.

Die Lektüre von „Equal Time“ wirft zudem die Frage auf, ob Zeithistoriker/innen dazu gezwungen sind, eine Konfliktgeschichte zu schreiben, insofern sie die Wirkung von TV-Sendungen analysieren möchten und nicht nur deren inhaltliche Ebene. So bleiben Rezeption und Produktion von TV-Sendungen für Historiker/innen aufgrund nicht ausreichend vorhandenen Quellenmaterials oftmals eine black box. Wie leider immer wieder festzustellen ist, bringen zumeist nur Konflikte zu TV-Sendungen größere Mengen von Zuschauerbriefen oder Presseartikeln hervor und motivieren wissenschaftliche Studien einzelner Sendungen. Erschwerend hinzu kommt die mangelnde Zugänglichkeit zahlreicher Archive.2

Insgesamt liefert Bodroghkozy mit „Equal Time“ aber einen anregenden Einblick in die Wirkungsgeschichte des amerikanischen Fernsehens, welcher die Notwendigkeit belegt, sich aus historischer Perspektive der Rezeption von TV-Sendungen zu nähern. Insbesondere die jeweiligen Fallbeispiele können überzeugen. Leser/innen, die eher an detaillierten Ausführungen zu Methodik und Theorie interessiert sind, sollten dagegen eher zu der bereits angesprochenen Ausgabe des „Journal of Modern European History“ greifen.3

Anmerkungen:
1 Christina von Hodenberg, Expeditionen in den Methodendschungel. Herausforderungen der Zeitgeschichtsforschung im Fernsehzeitalter, in: Journal of Modern European History 10,1 (2012), S. 24–48, hier S. 24.
2 Kirsten Moritz, Tagungsbericht HT 2012: Zeitgeschichte ohne Ressourcen? Probleme der Nutzung audiovisueller Quellen. 25.09.2012–28.09.2012, Mainz, in: H-Soz-u-Kult, 18.10.2012, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=4417> (09.11.2012).
3 Dort auch: Christina von Hodenberg (Hrsg.), Roundtable. Writing (Media) History in the Age of Audio-Visual and Digital media, in: Journal of Modern European History 10,1 (2012), S. 98–116.

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