T. Perucci: Paul Robeson and the Cold War Performance Complex

Titel
Paul Robeson and the Cold War Performance Complex. Race, Madness, Activism


Autor(en)
Perucci, Tony
Erschienen
Anzahl Seiten
232 S.
Preis
€ 23,96
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Holder, International Graduate Centre for the Study of Culture, Justus Liebig Universität Giessen

Die Historiographie des McCarthyismus und des frühen Kalten Krieges hat sich in den letzten zehn Jahren verstärkt kulturhistorischen Fragestellungen zugewandt und durch einen Fokus auf Analysekonzepte wie z.B. ‚Geschlecht‘ und ‚Rasse‘ das historische Verständnis des virulenten Antikommunismus der US-amerikanischen Gesellschaft der 1940er- und 1950er-Jahre um zentrale Aspekte erweitert.1 Tony Peruccis 2012 erschienene Monographie „Paul Robeson and the Cold War Performance Complex: Race, Madness, Activism“ knüpft mit ihrem Fokus auf den afroamerikanischen Künstler, Bürgerrechtsaktivisten und Intellektuellen Paul Robeson, dem wohl am intensivsten verfolgten linkspolitischen Aktivisten in den Vereinigten Staaten zu dieser Zeit, an solche kulturhistorische Forschung an. Peruccis Studie erweitert die bereits existierende Forschung jedoch um eine zusätzliche, bisher lediglich peripher behandelte Dimension, diejenige der Performanz. Die Relevanz gerade dieser Dimension während der McCarthy-Ära wird insbesondere in der kulturellen Wirkmächtigkeit von Kongressausschüssen wie dem HUAC (House Committee on Un-American Activities) deutlich, in dessen Anhörungen die Glaubhaftigkeit der vorgeladenen Individuen und die Produktion ihres Amerikanismus bzw. un-Amerikanismus einen dezidiert performativen und theatralen Charakter besaß.

Dieses Beispiel offenbart bereits den engen Zusammenhang von Performativität und Machtausübung während der McCarthy-Ära, welcher sich ebenfalls in der Stigmatisierung und Pathologisierung Robesons widerfindet und, wie Perucci ausführt, eine Kultur der Performanz veranschaulicht „where a politicized discourse of psychopathology operated as a part of a constellation of ‘performance complexes’ that regulated American life” (S. 2). Perucci identifiziert einen sogenannten „Cold War Performance Complex“ als zentrales Machtdispositiv während der McCarthy-Ära, welches sowohl performative Machttechniken des Staates (z.B. Kongressausschüsse wie HUAC) und solche der Zivilbevölkerung zusammenführte (z.B. die Überwachung von Mitbürger/innen). Dieser „Cold War Performance Complex“ verband diese Machttechniken mit einem Diskurs, der ‚Verrat‘ mit den Signifikanten ‚Schwarzsein‘, ‚Wahnsinn‘, ‚Homosexualität‘, ‚Kommunismus‘ und einer scheinbar ‚un-amerikanischen‘ Schauspielerei verknüpfte. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses der Studie stehen demzufolge zwei Aspekte. Zum einen zeichnet Perucci die „semiotics of disloyalty“ (S. 2) nach, welche sich um den Konnex von Theatralik, ‚Wahnsinn‘, ‚Kommunismus‘, ‚Homosexualität‘ und ‚Schwarzsein‘ bildeten und in der Figur Robesons als ‚un-amerikanischen‘, mental ‚instabilen‘ und ‚subversiv‘ gebrandmarkten Verräter ihren Ausdruck fanden. Ein zweiter Aspekt widmet sich Robesons Widerstand gegen die Angriffe auf seine Person während der McCarthy-Ära, welcher ebenfalls innerhalb eines solch performativen Kontextes zu verstehen ist. Hier analysiert Perucci zwei Konzerte Robesons aus dem Jahre 1949 sowie seine Vorladung vor das HUAC im Jahre 1956.

Die Einleitung der Studie beschreibt die Konstruktion der Figur Robesons als ‚verrückten‘ und kommunistischen ‚Verräter‘. Diese Pathologisierung von Robesons politischen Aktivismus ist untrennbar mit seiner Rede vor einem pro-kommunistischen Friedenskongress in Paris im Jahre 1949 verbunden, in welcher er angeblich (und wie von der amerikanischen Presse fälschlicherweise verbreitet) behauptete, dass die 15 Millionen in den USA lebenden Afroamerikaner niemals in einen Krieg gegen die UdSSR ziehen würden. Diese Behauptung löste weitreichende Ängste über eine mögliche Illoyalität der afroamerikanischen Bevölkerung aus und ist als maßgeblich für die einsetzende Pathologisierung von Robesons politischem Aktivismus während der McCarthy-Ära anzusehen. Konstitutiv für das Verständnis Robesons in diesem Kontext, wie Perucci an dieser Stelle betont, ist die aufkommende Popularität psychoanalytischer Diskurse in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre Funktion, jegliche Form von politischem Dissens durch eine Psychologisierung und Pathologisierung zu stigmatisieren.

Der Einleitung folgen fünf weitere Kapitel, die sich in zwei Teilen Robesons Vorladung vor das HUAC (Kapitel 1 und 2), sowie seiner beiden Konzerte in Peekskill, New York widmen (Kapitel 3 bis 5). Die ersten beiden Kapitel arbeiten den generellen performativen Charakter solcher Kongressausschüsse wie dem HUAC heraus sowie die Theatralik ihrer Machtbeziehungen. Diese dienten oftmals nicht der Informationsgewinnung über die kommunistische ‚Bedrohung‘, wie hier hervorgehoben wird, sondern vielmehr dazu, die Angst vor dem kommunistischen Feind zu schüren und so ein innen- wie außenpolitisches Krisennarrativ zu reproduzieren, welches dem Erhalt des antikommunistischen Status Quo diente. Darüber hinaus widmen sich diese beiden Kapitel Robesons Strategien des Widerstands in seinem Auftritt vor dem HUAC. Diese identifiziert Perucci insbesondere in einer ‚Gegen-Psychoanalyse‘, mit welcher Robeson den „Cold War Performance Complex” des Staates und seine unterliegenden politischen und ökonomischen Interessen offenlegt: „the ways in which the staging of crisis was supported by the unacknowledged linking of domestic segregation, global colonialism, and Cold War militarism that constituted the performance complex” (S. 19).

Die folgenden drei Kapitel widmen sich den beiden Konzerten Robesons in Peekskill, die zu den größten rassistischen und antikommunistischen Unruhen während des Kalten Krieges in den USA führten. Perucci betont, dass die Gewalt, die Robeson und seinen Zuhörern in Peekskill entgegenschlug, nicht als außergewöhnlich zu verstehen ist, sondern vielmehr paradigmatisch den Zusammenhang von Antikommunismus und Rassismus des „Cold War Performance Complex“ aufzeigt. In diesem Sinne liest Perucci die beiden Auftritte Robesons im Kontext der ansteigenden Lynchmorde der afroamerikanischen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg und führt aus, wie Robeson Teil einer solchen „American lynching imagination“ (S. 100) wurde. Darüber hinaus fokussiert sich seine Analyse auf den Widerstand Robesons während der beiden Konzerte. Dieser zeigte sich nicht nur in seiner eigenen musikalischen Performanz, sondern ebenfalls in einer kollektiven Form. Das Publikum leistete vor allem während des zweiten Konzertes Widerstand gegen die antikommunistischen und rassistischen Angreifer, indem Menschenketten gebildet wurden, um Robeson zu schützen und die erfolgreiche Durchführung des Konzertes zu gewährleisten.

Perucci gelingt es in allen fünf Kapiteln in überzeugender Weise, die Signifikanz Robesons innerhalb eines solchen „Cold War Performance Complex“ zu demonstrieren. Die Herausarbeitung der Verbindungslinien von ‚Schwarzsein‘, ‚Wahnsinn‘ und politischem Dissens, die in der Figur Robesons als ‚un-amerikanischem Verräter‘ ihren metonymischen Ausdruck finden, ist dabei besonders gelungen und trägt wesentlich dazu bei, die Rolle Robesons während der McCarthy-Ära zu präzisieren; nicht nur seine Stigmatisierung und Pathologisierung, sondern ebenfalls seine figurative und performative Bedeutung als Feind des US-Staates, welche dazu diente, den antikommunistischen Status Quo zu reproduzieren. Trotz der recht sinnvollen konzeptionellen Einschränkung auf die beiden Konzerte in Peekskill und auf Robesons Vorladung vor das HUAC im Kontext seines Widerstands gegen seine Stigmatisierung und Pathologisierung hätte ein thematisch weiterer Fokus Peruccis Interpretation noch mehr analytische Schärfe verliehen. So z.B. hätte eine verstärkte Einbeziehung von Robesons 1958 erschienener Autobiographie „Here I Stand“2, welche ebenfalls einen wichtigen Teil seines performativen Widerstands gegen den McCarthyismus ausmachte, Peruccis Argument auf ein noch breiteres Fundament gestellt. Des Weiteren wäre es ebenfalls wünschenswert gewesen, die dezidiert männliche Dimension von Robesons Pathologisierung noch stärker herauszuarbeiten, welche insbesondere in dem Stigma Robesons als „Black Stalin“ zusammenkommt, bei Perucci jedoch oftmals nur implizit angeschnitten wird.

Trotz solch kleinerer Schwächen stellt Peruccis Studie einen innovativen, gelungenen und impulsgebenden Beitrag zur kulturhistorischen Forschung des McCarthyismus und des frühen Kalten Krieges dar. Seine Studie erweitert das historisch-kulturelle Verständnis dieser Ära um einige zentrale Aspekte, vor allem durch den Fokus auf die Funktion der Performanz innerhalb dieses Kontextes. Somit trägt die Studie nicht nur zu einer kulturhistorischen Rekonzeptualisierung des frühen Kalten Krieges und der McCarthy-Ära bei, sondern ebenfalls zu einem weitergehenden Verständnis der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und dem Einfluss des McCarthyismus auf diese.

Anmerkungen:
1 In der US-amerikanischen Forschung sind hier unter anderem zu nennen: Andrea Friedman, The Strange Career of Annie Lee Moss: Rethinking Race, Gender, and McCarthyism, in: The Journal of American History 94.2 (2007), S. 445–68; David K. Johnson, The Lavender Scare. The Cold War Prosection of Gay and Lesbians in the Federal Government, Chicago 2004; Robert J Corber, Homosexuality in Cold War America. Resistance and the Crisis of Masculinity, Durham 1997. In der deutschen Historiographie ist zentral Olaf Stieglitz, Undercover. Die Kultur der Denunziation, Frankfurt am Main 2013.
2 Siehe Paul Robeson, Here I Stand, Boston 1988 (1958).

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