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Titel
Orte für Amerika. Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren


Autor(en)
Kreis, Reinhild
Reihe
Transatlantische Historische Studien 44
Erschienen
Stuttgart 2012: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
424 S.
Preis
€ 56,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gundula Bavendamm, AlliiertenMuseum, Berlin

Das kulturelle Unterfutter der deutsch-amerikanischen Beziehungen nach 1945 ist kein neues Thema der zeithistorischen Forschung. Doch der Wandel von Erkenntnisinteressen und Fragestellungen lässt immer wieder neue Aspekte hervortreten. Drehte sich der akademische Diskurs Mitte der 1990er-Jahre noch um Begriffe wie „Amerikanisierung“ und „Westernisierung“, so wird das Forschungsfeld heute vermehrt durch Ansätze der transnationalen Kulturgeschichte bestimmt. In diesem Kontext widmet sich Reinhild Kreis in ihrer Münchener Dissertation den Amerikahäusern und den Deutsch-Amerikanischen Instituten (DAI) in der Bundesrepublik von Beginn der 1960er-Jahre bis Ende der 1980er-Jahre – eine Forschungslücke, denn ältere Untersuchungen befassten sich vor allem mit der Gründerzeit der Amerikahäuser bis etwa 1955. Der Autorin geht es um die Einflüsse amerikanischer „Soft Power“ in der Bundesrepublik nach der Reeducation-Periode. Kreis fragt insbesondere nach Führung und Partnerschaft zwischen den USA und der Bundesrepublik im Kontext des Ost-West-Konflikts.

Vier Funktionen schreibt die Autorin den Amerikahäusern zu: Sie waren Instanzen der Repräsentation, Instrumente der Sondierung, Austragungsorte für Deutungskonflikte und Symbolorte (S. 14f.), wobei die Trennschärfe der letzten beiden Kategorien eher gering ist. Kreis nimmt die Krise der Amerikahäuser Anfang der 1960er-Jahre zum Ausgangspunkt. Unter John F. Kennedy verlagerte sich das außenpolitische Interesse der USA auf Afrika, Asien und Südamerika. Für Westeuropa wurden die Budgets drastisch gekürzt. Bund, Länder und Kommunen mussten einspringen, um manche der Häuser als binationale Deutsch-Amerikanische Institute zu erhalten. Im Fokus stehen Einrichtungen in Frankfurt am Main, München, Nürnberg, Regensburg, Tübingen und Berlin – nicht zuletzt aufgrund der disparaten Quellenlage. Die Studie ist klar gegliedert: In drei großen Kapiteln werden Strukturen und Aufgaben, Aktionen und Programme sowie die symbolische Dimension der Amerikahäuser in der westdeutschen Kulturlandschaft untersucht und dargestellt.

Im ersten Teil beschreibt Kreis das Wirkungsfeld der 1953 unter Präsident Dwight D. Eisenhower gegründeten USIA (= United States Information Agency). Die Dachorganisation der Amerikahäuser und Deutsch-Amerikanischen Institute war weltweit für die auswärtige Kultur- und Informationspolitik der USA zuständig. „Telling America’s story to the world“ hieß das Motto für die psychologische Kriegführung im Kalten Krieg. Trotz der ambitionierten Anfänge war die USIA stets eine „Behörde zweiter Klasse“ (S. 32). Viele Politiker blieben skeptisch, hatte staatliche Kulturpolitik in den USA doch keine Tradition. Ziele, Methoden und Projekte der Behörde wurden jährlich in „country plans“ definiert. Ein umfangreiches Berichts- und Evaluationswesen änderte nichts daran, dass die Wirkung der Kulturarbeit nach außen nur schwer greifbar war. Eine wichtige Aufgabe der Amerikahäuser war die Informationsgewinnung. Aufsatz- und Malwettbewerbe, etwa zur Person John F. Kennedys, zielten auf die Vorstellungen und Meinungen der Bundesbürger zu Amerika ab. Zu wichtigen Ereignissen oder in Krisenzeiten (zum Beispiel zweite Berlin-Krise 1961, Kuba-Krise 1962, Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit ab 1973) führte die USIA Meinungsumfragen durch.

Überzeugend arbeitet Kreis heraus, wie sich die Haltung der bundesdeutschen Politik zu den Amerikahäusern je nach innenpolitischer Konstellation änderte. 1964 wurden die Zuschüsse auf Antrag eines CDU-Bundestagsabgeordneten ernsthaft in Frage gestellt. Damals kulminierte der außenpolitische Richtungsstreit zwischen „Atlantikern“ und „Gaullisten“. Vor allem die mehrheitlich „atlantisch“ orientierte SPD nutzte die Gelegenheit, um die Deutsch-Amerikanischen Institute zu unterstützen. Unter dem Eindruck von Vietnam kühlte das Verhältnis der Partei zu den Kultureinrichtungen dann allerdings merklich ab.

Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht die eigentliche Programmarbeit – und dies vor dem Hintergrund eines Amerikabildes, das sich langsam eintrübte. Mit Sorge beobachteten die Kulturarbeiter, wie sich im Laufe der 1970er-Jahre eine antiamerikanische Stimmung in der „Successor Generation“ verbreitete. Denn der Blick der Westdeutschen in Richtung Amerika war inzwischen ein anderer: Die USA waren nicht mehr so unerreichbar wie in den 1950er-Jahren und galten auch nicht mehr unhinterfragt als Inbegriff für Bestleistungen.

Ausgelöst durch die Fischer-Kontroverse und die Frankfurter Auschwitz-Prozesse öffneten sich die Institute Anfang der 1960er-Jahre vorübergehend für zeithistorische Themen – allerdings nur mit Blick auf die deutsche Vergangenheit. Der Zweite Weltkrieg, die Besatzungszeit oder die Reeducation-Politik fehlten auf der Agenda der Amerika-Häuser, mit Ausnahme des positiv konnotierten Marshall-Plans. Im assistierenden Wirken bei der deutschen Selbstverständigung erkennt Kreis ein „Versatzstück“ (S. 177) des Belehrungs- und Erziehungsgedankens aus der Reeducation-Periode. Dieser Gedanke taucht später erneut auf. Noch bis etwa 1963 sei die Bundesrepublik aus amerikanischer Sicht „ein lernender Staat“ (S. 216) auf dem Weg in die Demokratie gewesen. Bis dahin waren die internen Papiere der USIA nicht frei von „schulmeisterlich“ klingenden Passagen.

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen bildeten den Rahmen der Kulturarbeit, wobei das Ziel im Grunde unverändert blieb: „Leadership“ im westlichen Bündnis zu demonstrieren. 1963 wurde dies besonders deutlich. Nach der Ratifizierung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags erhielten die Institute den Auftrag, die Vorzüge der transatlantischen Partnerschaft und der NATO herauszustellen. Doch vermieden die Amerikahäuser bewusst den Eindruck von „Propaganda“. Kommunismuskritik erfolgte höchstens indirekt, beispielsweise durch die Verwendung pointierter Zitate von Politikern. Der Ost-West-Konflikt und die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion blieben ausgespart. Das Werben um ein positives Amerikabild stellte das Kerngeschäft der Institute dar.

Nach 1965 war diese Aufgabe immer schwerer zu erfüllen. Die Institute wurden vermehrt zu Foren für massive Kritik am Vietnamkrieg – eine Kritik, der man auf inhaltlicher Ebene aber auswich. Mehr noch: Veranstaltungen über Vietnam argumentierten gemäß der offiziellen Linie des „Amerika-Dienstes“. Im Endeffekt ging es darum, die US-amerikanische Kriegführung zu rechtfertigen. Humanitäre Hilfe für Vietnam oder der Wiederaufbau des Landes sollten das Bild der selbstlosen Schutzmacht transportieren und die bundesdeutsche Bevölkerung zum Spenden motivieren.

Der Erfolg der Amerikahäuser beruhte in hohem Maße auf einer engen Kooperation mit lokalen Partnern, so eine These des dritten Teils der Studie. Dieses Netzwerk zu pflegen und auszubauen war eine Daueraufgabe. Es ging um „soziales Kapital“ (S. 295), um Vertrauen und Glaubwürdigkeit, aber auch um zusätzliche Mittel. In der Regel profitierten beide Seiten. Angesichts der Bedeutung außen- und sicherheitspolitischer Themen war etwa die Bundeswehr ein wichtiger Kooperationspartner. Viele Amerikahäuser gründeten Freundeskreise und Trägervereine, um ihre Basis zu verbreitern.

Etwas komplizierter war die Situation in den binationalen Deutsch-Amerikanischen Instituten. Man konkurrierte mit anderen lokalen Akteuren um städtische Zuschüsse. Außerdem hatten die amerikanischen Vertreter in den gemischten Gremien oft wenig Einfluss, weil die Fluktuation unter Diplomaten und Militärs besonders hoch war. An den binationalen Einrichtungen machte sich aber auch der wachsende Anspruch der bundesdeutschen Seite bemerkbar, die Kulturarbeit mit den Amerikanern partnerschaftlich zu gestalten. Die um 1960 einsetzende Tendenz, Amerikahäuser in „Deutsch-Amerikanische Institute“ umzubenennen, war dafür ein augenfälliges Zeichen. Auch in Personalfragen beanspruchten deutsche Gremienmitglieder vermehrt Mitspracherechte.

Kein anderes Institut in Deutschland wurde so sehr zum Symbolort antiamerikanischer Kritik wie das Amerikahaus in Berlin. Noch im November 1963 hatten dort die Kondolenzbücher für den ermordeten John F. Kennedy gelegen, in die sich Zehntausende eintrugen. Im Februar 1966 flogen erstmals Eier gegen das Gebäude. Als Tabubruch schrieb sich der Eierwurf nicht nur in das Narrativ der Studentenbewegung und der Vietnamproteste ein. In amerikafreundlichen Kreisen wurde umgekehrt die Schutzmachtfunktion der USA gerade für Berlin hochgehalten, die Eieraktion scharf verurteilt.

Reinhild Kreis grenzt sich abschließend von einer „reinen top-level-Institutionengeschichte“ ab (S. 384). Diesen Anspruch löst sie in ihrer ausgewogenen, gut lesbaren Arbeit in zwei Richtungen weitestgehend ein. Zum einen erfolgt die Analyse der Programmarbeit mit ständigem Bezug zu den außen- und gesellschaftspolitischen Konjunkturen – sowohl in der Bundesrepublik als auch in den USA. Zum anderen wird die praktische Arbeit der Kulturinstitute in das lokale deutsche Umfeld eingebettet. Daraus ergeben sich viele erhellende Verflechtungen. Unbefriedigend ist jedoch, dass die Autorin keine Zeitzeugen-Interviews geführt hat, abgesehen von einer Handvoll Gespräche mit ehemaligen Leitern und Mitarbeitern der Amerikahäuser. So bleibt die Rezeption der US-amerikanischen Kulturarbeit durch die deutschen Besucher überwiegend im Dunkeln. Dieses Thema wäre Stoff für ein weiteres Buch.

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