T. von Arnim: „Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen“

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Titel
„Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen“. Der Unternehmer Axel Springer


Autor(en)
von Arnim, Tim
Erschienen
Frankfurt am Main 2012: Campus Verlag
Anzahl Seiten
410 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gudrun Kruip, Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus

Am 2. Mai 2012 wäre Axel Springer hundert Jahre alt geworden. Neben prominenten Festlichkeiten und einer Sonderpublikation seines Verlages sowie einer sehenswerten Ausstellung über Axel Springer und die Juden im Jüdischen Museum Frankfurt am Main sind 2012 wohl nicht zuletzt aus diesem Anlass gleich drei biografisch orientierte Auseinandersetzungen mit dem Verleger auf den Markt gekommen.1 Seit 2005 wurden damit insgesamt fünf Biografien Axel Springers publiziert.2 Man ist geneigt, geradezu von einem Hype zu sprechen, denn in dieser Schnelligkeit und Häufung wurde bislang kaum eine andere deutsche Persönlichkeit biografisch gewürdigt, bei der es sich nicht um einen bedeutenden Staatsmann handelt. Axel Springer, sein Verlag und seine Publikationen polarisieren noch immer und alte Verletzungen sind unvergessen. Geblieben ist aber gleichzeitig eine ambivalente Anerkennung für sein Lebenswerk oder zumindest einiger Aspekte davon, wie unter anderem die Frankfurter Ausstellung differenziert nachzeichnet.

Auch Tim von Arnim streicht in seiner Biografie vor allem einen Aspekt heraus: den des erfolgreichen Unternehmers. Erstaunlicherweise ist dieser zentrale Aspekt des Springerschen Wirkens, für den der Verleger zeitlebens gleichermaßen bewundert und diffamiert worden ist, bislang noch nicht eigens untersucht worden. Allerdings sind der biografische Werdegang des Verlegers, seine publizistischen Innovationen, die Genese seiner politischen Positionen, die ihn schließlich zu einer Figur der Zeitgeschichte werden ließen, und sein wirtschaftlicher Erfolg so eng miteinander verwoben, dass diese Gemengelage in jedem der Bücher über ihn und seinen Verlag zur Sprache kommt. Auch von Arnim beschränkt sich nicht auf die Darstellung von Auflagenzahlen und Bilanzen, sondern bettet diese in die allgemeine Verlagsentwicklung ein. So kann der Autor klar herausarbeiten, dass nicht allein der wirtschaftliche Erfolg einer Zeitung oder Zeitschrift über ihr weiteres Erscheinen bzw. ihre Einstellung entschied, sondern immer wieder auch die politische Bedeutung, die dieser Publikation innerhalb des Verlages beigemessen wurde. „Die Welt“ etwa wurde als politisches Flaggschiff und einzige überregionale Qualitätszeitung des Verlags weitergeführt, obwohl sie jährliche Verluste in Millionenhöhe verursachte. Dagegen half dem Kindler & Schiermeyer Verlag (unter anderem „Eltern“, „Bravo“, „Jasmin“), der seit 1965 Teil des Springer-Konzerns war, sein ökonomischer Erfolg wenig: 1968 verkaufte ihn Springer wieder, um Druck aus der aufgeheizten Debatte um seine Monopolstellung bei den Printmedien und seine daraus vermeintlich resultierende Meinungsmacht zu nehmen.

Wie auch schon die Biografen vor ihm folgt von Arnim einem chronologischen Ansatz. Da es sich explizit um eine Unternehmerbiografie handelt, legt der Autor den Schwerpunkt konsequenterweise auf die Zeit zwischen Springers improvisierten verlegerischen Anfängen um 1945 und den geradezu verzweifelten Bemühungen des erfolgreichen Konzernbesitzers, sein Lebenswerk zu sichern und sich gleichzeitig davon zu distanzieren. Die Ausbildungszeit und die ersten beruflichen Schritte vor 1945 sowie das Privatleben des Verlegers und die zahlreichen Legenden, die sich insbesondere um die verlegerischen Anfangsjahre nach 1945 ranken, streift von Arnim allenfalls am Rande. Da diese Aspekte bereits in anderen Biografien in extenso geschildert werden, ist diese Selbstbeschränkung eine sinnvolle Entscheidung. Für die Argumentationsstruktur der vorliegenden Studie sind die amourösen Wege des Verlegers zumeist von geringer Bedeutung; dies gilt in eingeschränkterer Form auch für seine religiösen Wahnvorstellungen.

Problematischer ist von Arnims Entscheidung, zugunsten einer tendenziell verlagsinternen Darstellung auch die historischen Umstände lediglich kursorisch zu behandeln. Zwar hat Hans Peter Schwarz diese bereits ausführlich thematisiert. Springer ist aber nun einmal als Unternehmer ebenso wie als Figur der Zeitgeschichte mit den Bedingungen seiner Zeit eng verflochten. Und ohne diese werden sowohl sein wirtschaftlicher Erfolg als auch das Phänomen, wie er vom angesehenen Unternehmer zum „Buhmann der Nation“ (Springer) werden konnte, nicht erklärbar. So gilt die frühe Nachkriegszeit in Deutschland geradezu als eine Goldgräberzeit der deutschen Presse, waren doch die Deutschen nach der propagandagetränkten Publizistik und Unterhaltungskultur der nationalsozialistischen Jahre ausgehungert nach sachlichen Informationen und unpolitischer Unterhaltung. Springers „schöpferisches Ingenium“, eine anerkennende Zuschreibung von Rudolf Augstein, auf die sich von Arnim mehrfach bezieht, führte zu Zeitungen, die den neuen Lesebedürfnissen der Zeit entsprachen und folglich auch das Zeitungssterben in den 1950er-Jahren problemlos überstanden. Damit stand Springer zur richtigen Zeit am richtigen Ort – ein Aspekt, der bei seinem rasanten Aufstieg eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte. Von Arnim nennt diese Zusammenhänge, betont aber vor allem das „Ingenium“. Durch den weitgehenden Verzicht auf die Schilderung der historischen Umstände erhält Springers durchaus vorhandenes Gespür für aktuelle Lesebedürfnisse aber ein zu starkes Gewicht. In ähnlicher Weise bleibt auch die zugespitzte Konfrontation zwischen linksorientierten Studenten und Axel Springer ohne die Rückbindung an den politischen und gesellschaftlichen Wandel seit den frühen 1960er-Jahren zu sehr im luftleeren Raum. Da der wirtschaftliche Erfolg der Verlagsblätter eng mit diesen verlagsexternen Entwicklungen verbunden war, wären die Zusammenhänge gerade auch in einer Unternehmerbiografie von Interesse. Demgegenüber versteht sich von Arnims Biografie jedoch eher als wirtschaftshistorisch im engeren Sinne und schildert für die erwähnten Zeitabschnitte anschaulich die Probleme bei den Druck- und Papierkapazitäten nach 1945 oder die Expansion des Verlages in den 1960er-Jahren.

Erstmalig in dieser Deutlichkeit hebt von Arnim hervor, dass Springer nur in Einzelfällen bereit war, bei seinen Publikationen „die materiellen Ziele den ideellen unterzuordnen“ (S. 145). Eine Definition, woraus die ideelle Botschaft der Zeitungen und Zeitschriften des Konzerns genau besteht, findet sich in dem Buch allerdings nicht. Lediglich Berichte über genuin politische Ereignisse spiegeln für den Autor die Orientierung des Verlags wieder. Doch gerade anhand der Publikationen des Springer-Verlags entzündete sich die bis heute immer wieder aufflammende Diskussion, inwieweit auch eine scheinbar unpolitische Berichterstattung metapolitische Botschaften im Bereich der Werte und Einstellungen transportiert. Denn zumindest ein konservatives Weltbild und Zufriedenheit mit den herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen – insbesondere in Abgrenzung zu den Bedingungen in der DDR – wurde in allen Publikationen des Verlags gleichermaßen vermittelt. Der große Erfolg der sogenannten Springer-Presse beruhte nicht zuletzt auf dieser metapolitischen Ebene, der damit ebenfalls ökonomische Bedeutung zukommt.

Die als Dissertation entstandene Studie ist daher vor allem für wirtschaftshistorisch Interessierte eine sinnvolle Ergänzung zu bereits vorliegenden Arbeiten über Axel Springer. Auf knapp 270 Seiten (der Rest sind Anmerkungen) vermittelt sie in kurzen Kapiteln einen guten Überblick über Leben und Werk Axel Springers, behält dabei aber einen betriebswirtschaftlichen Blickwinkel bei. Für eine schnelle Recherche zu Auflagenzahlen oder Umsatz einzelner Publikationen des Verlags leistet das Buch Pionierarbeit. Man hätte dem Buch allerdings eine bessere Lektorierung gewünscht, denn zum Teil stimmen die Informationen im Text nicht mit denen überein, die aus den Grafiken hervorgehen (S. 159f.). Auch etliche Doppelungen hätten so vermieden werden können.

Anmerkungen:
1 Außer der hier rezensierten Biografie erschienen noch: Tilman Jens, Axel Cäsar Springer. Ein deutsches Feindbild, Freiburg 2012; Axel Sven Springer, Das neue Testament. Mein Großvater Axel Springer, Friede, ich und der Strippenzieher. Die wahre Geschichte einer Erbschaft, Hamburg 2012. Dokumentation der Festlichkeiten und Publikationen im Springer-Verlag auf der Verlagshomepage: <http://www.axelspringer.de/artikel/100.-Geburtstag-von-Axel-Springer-2012_2185275.html> (06.08.2012). Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt am Main vom 19.03. bis zum 29.07.2012: „Bild Dir Dein Volk! Axel Springer und die Juden“ (mit Begleitkatalog).
2 Claus Jacobi, Der Verleger Axel Springer. Eine Biografie aus der Nähe, München 2005; Hans-Peter Schwarz, Axel Springer. Die Biografie, Berlin 2008, vgl. Gudrun Kruip: Rezension zu: Schwarz, Hans-Peter: Axel Springer. Die Biografie. Berlin 2008, in: H-Soz-u-Kult, 10.12.2008, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-4-219> (06.08.2012). Hinzu kommen Biografien älteren Datums, z.B.: Michael Jürgs, Der Fall Axel Springer. Eine deutsche Biographie, München u.a. 1995; Henno Lohmeyer, Springer. Ein deutsches Imperium. Geschichte und Geschichten, Berlin 1992 und Gerhard Naeher, Axel Springer. Mensch, Macht, Mythos, Erlangen u.a. 1991, sowie historische, kommunikationstheoretische und unzählige polemische Auseinandersetzungen mit der Programmatik des Verlags bzw. einzelnen seiner Publikationen, in denen in der Regel ebenfalls auf den Verleger eingegangen wird.

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