Cover
Titel
Mothers of Conservatism. Women and the Postwar Right


Autor(en)
Nickerson, Michelle M.
Erschienen
Anzahl Seiten
248 S.
Preis
€ 27,66
Rezensiert für die Historische Bildungsforschung Online bei H-Soz-Kult von:
Miriam Gebhardt, Fachbereich Geschichte und Soziologie, Universität Konstanz

In der US-amerikanischen Diskussion kursiert seit den 1980er-Jahren ein Begriff, der im Deutschen keine Entsprechung hat: „Conservative Feminism“. Damit werden Frauen beschrieben, die in der Tradition der „geistigen Mütterlichkeit“ ihre vermeintlich weibliche Disposition als Heilmittel nationaler und gesellschaftlicher Missstände einbringen und im Sinne eines libertären Staatsverständnisses auf der Ebene der Familie und der Gemeinde gegen den Einfluss aus Washington agitieren.1 Nachdem sich Figuren wie etwa die der Tea-Party nahestehenden Sarah Palin oder Michele Bachmann selbst eine konservative feministische Identität zuschreiben, scheint sich der Begriff diskursiv zu behaupten. Mit „Mothers of Conservatism“ ist nun eine Monographie erschienen, die uns bei der Konturierung des Phänomens „rechter“ Feminismus weiterhelfen will.

Michelle M. Nickerson, Assistenzprofessorin für Geschichte an der Loyola Universität, Chicago, hat am Fall Los Angeles County die Beteiligung der „soccer mom“ an den Anfängen der konservativen Bewegung nach 1945 untersucht. Die Regionalstudie will nicht nur einen Beitrag zur politischen Geschlechtergeschichte der Nachkriegszeit leisten, sondern die „Kategorien und Annahmen US-amerikanischer feministischer und politischer Geschichte“ überprüfen und ein neues Licht werfen auf die „Ambiguitäten und Paradoxien, die konservative Frauen unter einen Hut brachten und für ihre eigenen Interessen nutzten, genauso wie das Suffragetten und anderen talentierten politischen Akteurinnen in der amerikanischen Geschichte bei der Erreichung ihrer Ziele gelang“ (Übers. M.G., S. XXIV). Kurz gesagt, Nickerson widerspricht, wie sie selbst angibt, all jenen Genderwissenschaftlerinnen, die eine Kopplung von Konservatismus und Feminismus für schlichtweg unmöglich hielten. Ob sie allerdings tatsächlich das Phänomen konservativer Feminismus mit ihrer Studie greifen kann, wird noch zu fragen sein.

Die Geschichte der Kalten Kriegerinnen ist schnell erzählt. Nickerson rekonstruiert in ihrem schmalen Buch die Anfänge einer Grassroots-Bewegung aus den Wohnzimmern der weißen Mittelschicht. Anhand einer Handvoll Zeitzeuginnen-Interviews, dem Schrifttum der Aktivistinnen und der medialen Begleitmusik entsteht das Bild einer properen Vorort-Ehefrau im Petticoat, die sich den Bedrohungen ihres Lebens und ihrer Weltordnung entgegen stemmt. Anders als ihren Vorgängerinnen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert geht es ihr dabei nicht darum, den sozial Schwachen mütterlich beizustehen, Alkohol und Prostitution zu bekämpfen oder Zuwanderer zu integrieren. Ihr Anliegen ist vielmehr, die vermeintlichen Bedrohungen ihres Lebensstils zu bekämpfen, als da wären: Kommunismus, Internationalismus, „Rassen“-Vermischung, progressive Erziehung und Sozialtechnik. Ihre Austragungsorte sind Bibliotheken und Schulen, das ideologische Substrat heißt „Hausfrauenpopulismus“. Damit umreißt die Historikerin eine verbreitete Haltung, die den weißen Mittelschichtsfrauen oder „little old ladies“ größere Sensibilität, den nötigen Pragmatismus und vor allem ausreichend Zeit und Geld zusprach für die Verteidigung von Heim und Herd. Vor dem Hintergrund der boomenden Industrie, der Migrantenströme und der Gerichtsurteile bezüglich Rassensegregation hatten sich, laut Nickerson, bis Anfang der 1960er-Jahre im Großraum Los Angeles etwa 2.100 Frauen und etwa 10.000 weniger aktive Mitläuferinnen gefunden, um im Namen einer höheren Moral der konservativen Bewegung auf die Beine zu helfen (S. 19).

Was war der genuin weibliche Anteil an der konservativen Sache? Die Historikerin setzt in den frühen 1950er-Jahren ein, als die weiblichen Grassroot-Bewegten Studienkreise gründeten, Zeitungen druckten, Reden hielten, Briefe und Petitionen schrieben, sich in der Republikanischen Partei engagierten und in die Lokalpolitik einmischten. Marksteine des weiblichen Aktivismus’ waren Debatten um die Schulpolitik und die befürchtete „Gehirnwäsche“ durch staatliche Schul- und Erziehungsbeauftragte, ein Ausgangspunkt die „Pasadena-Affäre“, bei der es um den als zu fortschrittlich empfundenen Schulaufsichtsbeamten Willard Goslin ging, einem Befürworter pädagogischer Reformen und der Desegregation im Schuldistrikt.

Indem sie sich gegen Goslin wenden und ihn letztlich aus dem Amt jagen, entdecken die Frauen nicht nur ihre politische Wirkmächtigkeit auf lokaler Ebene. Sie nutzen den Schwung, um sich auf weiteren Problemfeldern auszuprobieren. Die „rote Gefahr“ im Blick, beginnen sie ihr Nahumfeld mit Argusaugen zu bewachen. Berühmt geworden ist die spionierende Hausfrau Marion Miller, die sich in die kommunistische Partei einschleust. Doch im Allgemein backen die Frauen kleinere Brötchen, verdächtigen Lehrer und Amtspersonen der Einmischung in lokale und familiale Belange. Den konservativen Frauen gelingt es, den Kampf gegen Washington zu „gendern“, indem sie ihre eigene vermeintliche Ohnmacht als Frauen mit der vermeintlichen Ohnmacht der lokalen Gemeinschaft gegenüber dem übermächtigen Staat gleichsetzen. Als übermächtige Gegner wollen ihnen dabei die UNESCO und der Supreme Court vorkommen, die sich um Erziehungsreformen, Sozialarbeit und Desegrationspolitik bemühen. Ein besonders gefürchteter Gegner ist das „mental health establishment“, also Fachleute, die im Bereich psychischer Gesundheit tätig sind.

Aufschlussreich ist die Frage, inwieweit solche Ängste berechtigt waren. Tatsächlich gab es ja eine psychoanalytisch informierte Expertise, allen voran die Frankfurter Erfinder der „autoritären Persönlichkeit“, die übergroßen Nationalismus, Kommunismus- und Fremdenangst auch auf psychische Ursachen zurückführten und mit rigiden Erziehungspraktiken, vor allem aber mit einem spezifischen Versagen der Mütter begründeten. Es lag daher nahe, die Beeinflussung durch Psychologen zu fürchten und Geschichten in Umlauf zu bringen, wonach missliebige Konservative in die Mühlen der Psychiatrie gerieten. An dieser Stelle bildet sich eine Schnittstelle zwischen der linksliberalen Angst vor der Macht der psycho-sozialen Expertise, der aufkommenden Anti-Psychiatriebewegung und den verschwörungstheoretischen Befürchtungen der Konservativen. Man ist versucht zu sagen, manchmal werden Paranoiker eben tatsächlich verfolgt.

Nickerson reißt viele interessante Themen an, bleibt jedoch bei der Durchführung zu vage. Das hat mit dem dürftigen Quellenkorpus zu tun, aber auch mit einer methodischen Halbherzigkeit. Die Historikerin begnügt sich mit einer mittleren Reichweite ihrer Forschung. Sie nutzt nicht die Chancen der Mikroperspektive bei ihrer Quellenarbeit, aber ist auch nicht bereit, den größeren Maßstab anzulegen und Diskurse jener Zeit auszubreiten. So bleiben die von den Kalten Kriegerinnen bekämpften Phänomene ebenso wie die Motive der Angst merkwürdig unscharf.

Würde es die Arbeit bei einer reinen Nacherzählung belassen, wäre das kein Beinbruch. Einen faszinierenden Einblick bietet sie allemal. Der geringe analytische Ehrgeiz macht sich jedoch dort schmerzhaft bemerkbar, wo das Buch mehr als rekapitulieren möchte, namentlich bei der Frage nach dem konservativen Feminismus. Selbst wenn wir den weiter gefassten amerikanischen Feminismusbegriff in Rechnung stellen, bleibt doch die Kategorie selbst zu diskutieren. Welcher Art Feminismus begegnen wir hier? Die Aktivistinnen machen die Geschlechterfrage nicht zu ihrem Anliegen. Sie sind zwar in ihrem Denken und ihrer Lebenspraxis Differentialistinnen, aber das gehört zum konservativen Habitus. Ja, sie halten sich aufgrund ihrer sozialen Privilegien und ihrer vermeintlichen weiblichen Sensibilität für prädestiniert, Kommunisten zu jagen. Aber sie leiten daraus keine positiven Forderungen für das weibliche Geschlecht oder das Zusammenleben der Geschlechter ab. Sie bescheiden sich vielmehr allzu gerne mit der Rolle der Frau im Hintergrund, die bei Vorträgen die Häppchen reicht.

Die Conservative Mothers sind eben nicht die Antagonistinnen der von Betty Friedan aufgerüttelten Mittelschichtsfrauen, die sich, der karitativen Arbeit müde, von den hergebrachten Geschlechterangeboten zu befreien beginnen2, sie beteiligen sich nicht am feministischen Diskurs, geschweige denn, dass sie sich selbst darin verorten würden. Sie sind vielmehr das diskursive Gegenüber der „New Left“, aus der heraus sich die feministische Bewegung erst rekrutieren wird.3

Zwar trifft es zu, dass den Feminismus immer auch widersprüchliche Motive und Haltungen gekennzeichnet haben. So musste er von Beginn an mit den Widersprüchen der universellen Gleichheitsforderung und der partikularen Differenzerfahrung bzw. -sehnsucht leben. Das ist jedoch kein gutes Argument dafür, die konservativen Frauen nachträglich zu ebenfalls ambivalenten Feministinnen zu erheben. Denn anders als Palin oder Bachmann waren die konservativen Mütter an frauen- und geschlechterpolitischen Belangen wie zum Beispiel den klassischen Themen der Sexual Politics nicht interessiert. Sie waren eben nur weibliche Konservative.

Anmerkungen:
1 Vgl. bspw. Richard A. Posner, „Conservative Feminism“, in: University of Chicago Legal Forum 191 (1989), S. 191–217.
2 Betty Friedan, The Feminine Mystique, New York 1963.
3 So war Betty Friedan, bevor sie zur Leitfigur der Frauenbewegung wurde, gewerkschaftlich organisiert an den Gerechtigkeitsdebatten der späten 1940er- und 1950er-Jahre beteiligt, vgl. Daniel Horowitz, Betty Friedan and the Making of the Feminine Mystique. The American Left, the Cold War, and Modern Feminism, Amherst 1998.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit der Historischen Bildungsforschung Online. (Redaktionelle Betreuung: Philipp Eigenmann, Michael Geiss und Elija Horn). https://bildungsgeschichte.de/