Cover
Titel
Die Adoptivkaiser. Nerva, Trajan, Hadrian, Antoninus Pius, Marc Aurel, Lucius Verus und Commodus


Autor(en)
Schipp, Oliver
Reihe
Geschichte kompakt
Erschienen
Anzahl Seiten
VII, 136 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christoph Michels, Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Im Rahmen der Reihe „Geschichte kompakt“ liegen mittlerweile zahlreiche Einführungen zu verschiedenen Aspekten und Persönlichkeiten des Altertums vor. Der nachaugusteische Prinzipat des 1. und 2. Jahrhunderts n.Chr. stand dabei bis vor kurzem noch nicht im Fokus. Nachdem Stefan Pfeiffer jüngst einen Band zur Dynastie der Flavier vorgelegt hat1, wird nun durch Oliver Schipp mit einer Untersuchung zu den sogenannten Adoptivkaisern eine weitere Lücke geschlossen.

Mit dem gewählten Titel ist allerdings bereits ein Problem dieser Einführung verbunden, denn das „Adoptivkaisertum“ ist ein Konstrukt, das vor allem auf Plinius dem Jüngeren (und Tacitus) beruht. Im Panegyricus des Plinius wird jedoch eher eine Form der Selbstdarstellung Trajans bzw. der Kompensation für das Fehlen eines leiblichen Erbens als ein „Adoptionsprinzip“ deutlich (S. 18), das als zukunftsweisende Grundlage zur Bestimmung des Nachfolgers gesehen werden kann (vgl. paneg. 94,5). Die ungebrochene Bedeutung des dynastischen Prinzips bemerkt auch Schipp (S. 18, 55 u. 56–58), doch wäre eine grundlegendere Kritik des Konzepts des Adoptivkaisertums sinnvoll gewesen. Die Entscheidung, Commodus mit in die Abhandlung aufzunehmen (S. 10), ist dabei zwar vertretbar, hätte aber argumentativ erläutert werden müssen, da dieser als leiblicher Sohn Marc Aurels nicht mehr durch Adoption zum Nachfolger bestimmt wurde.

Wie in dieser Reihe zwar häufig, aber keineswegs immer praktiziert, liefert Schipp zunächst eine Übersicht der maßgeblichen Quellen (Kapitel I, S. 1–7) und betrachtet recht selektiv den Forschungsstand (S. 7–9). Wenngleich gerade die Bemerkungen zu den Quellen äußerst nützlich sind, ist doch zu monieren, dass ein guter Teil dessen, was wir als Quellen für diese Zeit fassen können, also etwa Ailios Aristeides, Marcus Cornelius Fronto und Dion von Prusa, hier nicht aufgeführt wird, sondern erst im Abschnitt zur Literatur der Epoche Erwähnung findet (S. 119–126). Dies ist nicht ohne Relevanz, beruhen doch etwa wesentliche Aspekte der modernen Vorstellung einer friedlichen, „goldenen“ Epoche unter den Adoptivkaisern – ein Thema, das auch Schipp immer wieder berührt – auf dem von Aristeides in seiner Rom-Rede präsentierten Bild. Die in der insgesamt äußerst knappen, unkommentierten und letztlich nicht überzeugenden Bibliographie (S. 129–131) speziell zu den Quellen angeführte Literatur ist zudem sehr lückenhaft. Zur Historia Augusta, welche für die Kaiser seit Hadrian eine, wenn nicht die zentrale Quelle ist, findet sich etwa gar nichts.2

Zum Zwecke der Einleitung in das Thema macht Schipp anschließend einige kurze, aber für die historische Einordnung der behandelten Epoche elementare Bemerkungen zu Prinzipat und Adoptivkaisertum (Kapitel II, S. 10–18), deren Ergebnis allerdings – wie bereits angesprochen – problematisch ist. Die eigentliche Darstellung kann dann in einen primär ereignishistorischen Hauptteil (Kapitel III–V, S. 19–83) und einen strukturgeschichtlichen Abschnitt gegliedert werden. Zunächst werden die einzelnen Kaiser behandelt, indem diese in thematische Blöcke geordnet werden: Kapitel „III. Expansion und Stagnation“ zu Trajan und Hadrian, Kapitel „IV. Blüte und Frieden“ zu Antoninus Pius sowie Kapitel „V. Bedrohung und Abwehr“ zu Marc Aurel, Lucius Verus und Commodus. Diskutabel ist dabei die Herangehensweise, die Ereignisse zwar sehr detailliert darzustellen, dem doch primär unter Studienanfängern zu suchenden Leser aber keine Informationen etwa zu Struktur und Charakter des einzigen Konkurrenten Roms im 2. Jahrhundert, dem Partherreich, zu geben. So verliert sich zuweilen die angestrebte Orientierung in Einzelinformationen, während die großen Linien der außenpolitischen Herausforderungen nur bedingt nachvollziehbar werden. Forschungskontroversen sind zwar des Öfteren, jedoch nicht immer als solche gekennzeichnet.3 Dies ist aber auch der Struktur der Reihe anzulasten, die keine Anmerkungen vorsieht, womit die Möglichkeit des Einstiegs in Spezialthemen begrenzt wird.

Obwohl der Anspruch, am Puls der aktuellen Forschung zu sein, mitunter nicht eingelöst wird4, erhält der Leser nichtsdestotrotz einen konzisen Überblick über wesentliche Aspekte der Regierungszeit der behandelten Kaiser. Neueren Tendenzen der Forschung, die Rolle der Augustae stärker in den Fokus zu rücken, trägt ein Kapitel zur älteren und jüngeren Faustina Rechnung (S. 51–55). Schipp geht allerdings zu weit, wenn er betont, mit deren Herausstellung sei „eine neue Dimension kaiserlicher Selbstinszenierung“ erreicht worden (S. 53). Die über Marc Aurel und Lucius Verus fortführende Darstellung endet mit Commodus. Versuche der jüngeren Forschung, dessen von der antiken Überlieferung heftig kritisierte Regierung mit einer neuen Konzeption monarchischer Herrschaft zu erklären, werden relativiert. Schipp lässt den Leser allerdings etwas ratlos zurück, wenn er mit der wenig präzisen Bemerkung schließt, die Prinzipatsideologie sei unter Commodus „zunehmend in eine Sackgasse“ geraten (S. 83).

Es folgen drei Kapitel zum Imperium Romanum in dieser Zeit, die sich mit „der“ römischen Gesellschaft („VI. Zusammenleben und Sozialordnung“), der Wirtschaft (VII.) sowie der Kultur (VIII.) auseinandersetzen. Es ist eine durchaus sinnvolle Gliederung, wie sie beispielsweise auch Karl Christ für seine Ausführungen zu frühem und hohem Prinzipat wählte.5 Es fehlt allerdings die Religion, namentlich die Ausbreitung des Christentums und die Auseinandersetzung des römischen Staats mit dieser Glaubensgemeinschaft; ein Themenkomplex, der bedauerlicherweise überhaupt nicht thematisiert wird.6 Angesichts des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raums wäre diesem Thema wohl gegenüber der Wirtschaft, die hier zweifelsohne schlüssig abgehandelt wird, Vorrang zu geben gewesen, da sich die Einführung dem Titel nach ja primär den Kaisern widmet und diese in ihrer Funktion als pontifex maximus für die Aufrechterhaltung der pax deorum verantwortlich waren. Von einer aktiven Wirtschaftspolitik der Kaiser distanziert sich Schipp dagegen zu Recht (S. 99). Die Ausführungen zur Gesellschaft überzeugen, wenngleich leider mit Provinzialen und Soldaten wesentliche Gruppen keine Berücksichtigung finden.

Kapitel „VIII. Kunst und Kultur: Der Ausdruck einer Epoche“ (S. 110–126) gliedert sich in zwei Abschnitte: Während sich der erste Teil mit der kaiserlichen Baupolitik und Bildersprache beschäftigt, geht Schipp anschließend auf philosophische Strömungen und die Literatur dieser Zeit ein. Nach der Vorstellung wesentlicher Baukomplexe thematisiert Schipp im Abschnitt „Identität und Repräsentation“ Aspekte der durch ausgewählte „Staatsdenkmäler“ transportierten Botschaften. Über Einzelheiten lässt sich hier naturgemäß streiten. Problematisch ist es allerdings, das „Bildprogramm Trajans“ (S. 116f.) auf den Fries seiner Säule zu reduzieren. Einen durchaus anderen thematischen Schwerpunkt setzen ja etwa die Reliefs des Bogens von Benevent. Hier macht sich zudem am deutlichsten die mäßige Ausstattung des Bandes bemerkbar: Gerade bei der Diskussion der Monumente fällt das Fehlen jedweder Abbildungen oder Pläne negativ auf, da Schipp regelmäßig Bezug auf Architektur und Bildwerke nimmt und diese mitunter auch beschreibt (so S. 118 die Basis der Antoninus-Pius-Säule). Obgleich der sparsame Einsatz von Illustrationen typisch für diese Reihe ist, hat diesbezüglich etwa der angesprochene Band Pfeiffers deutlich mehr zu bieten. Angesichts des reichen Angebots an schriftlichen Quellen ist dies eine unnötige Zurücksetzung der von Schipp als ebenfalls bedeutend herausgestellten bildlichen Zeugnisse. Aber auch sonst lässt die grafische Gestaltung zu wünschen übrig: Gerade einmal eine Karte des Imperiums wird beigegeben (S. 132f.). Es finden sich auch keine Stemmata, die angesichts der von Schipp zu Recht in einem separaten Abschnitt thematisierten dynastischen Verflechtungen (S. 56–61) von großem Nutzen gewesen wären. Die Gliederung der Gesellschaft wird ebenfalls nicht grafisch illustriert, was aufgrund des Hinweises des Klappentextes auf „Klar strukturierte Grafiken“ irritiert. In einer kurzen, abschließenden Diskussion zur Bewertung der Epoche seit Gibbon kommt Schipp schließlich mit Einschränkungen zu dem Schluss, diese sei für viele in der Tat ein „goldenes Zeitalter“ gewesen (Kapitel IX., S. 127f.).

Das Buch, dem angesichts zahlreicher Rechtschreibfehler und sprachlicher Unebenheiten ein gründlicheres Lektorat gut getan hätte, hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Als Einstieg in die Ereignisgeschichte bietet sich diese Einführung durchaus an. Die Auswahl struktureller Aspekte ist allerdings zum Teil wenig überzeugend. Die fehlenden Illustrationen tragen ihren Teil dazu bei, dass dieser Band vorhandene Einführungen zwar ergänzt, sie jedoch nicht ersetzen kann.

Anmerkungen:
1 Stefan Pfeiffer, Die Zeit der Flavier. Vespasian, Titus, Domitian, Darmstadt 2009.
2 Zumindest ein Hinweis auf die zahlreichen Bände der Historia-Augusta-Kolloquien hätte sich hier angeboten. Grundlegend zur Hadriansvita ist nun Jörg Fündling, Kommentar zur Vita Hadriani der Historia Augusta, 2 Bde., Bonn 2006. Auch zur Münzprägung dieser Zeit findet sich nichts, vgl. etwa Paul L. Strack, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts, 3 Bde., Stuttgart 1931–1937; Bernhard Woytek, Die Reichsprägung des Kaisers Traianus (98–117), 2 Bde. (= Moneta Imperii Romani 14), Wien 2010. Überraschend ist ferner, dass zu Antoninus Pius nicht ein Titel genannt wird. Hier hätte man doch wenigstens Bernard Rémy, Antonin le Pieux, 138–161, Paris 2005 erwartet. Dies ist nicht allein mit sicher notwendigem Platzsparen zu erklären. Die Auswahl wirkt vielmehr willkürlich, wenn man auf der anderen Seite einen Artikel wie „K. Töpfer, Hadrian auf der Trajanssäule?, in: Römische Mitteilungen 114 (2008), S. 357–388“ geboten bekommt, dessen Ergebnisse zudem nicht angesprochen werden.
3 Dass der Sinn der Alimentarstiftungen seit Nerva in der Forschung durchaus umstritten ist, wird etwa nur bedingt deutlich (S. 30f.).
4 Willkürlich sei hier nur ein Beispiel herausgegriffen: Dass es sich bei der auf S. 48 referierten Nachricht der Historia Augusta (Pius 5,3; 8,6), Antoninus habe Statthalter länger im Amt belassen, um einen Fehler handelt, hat bereits Géza Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen, Bonn 1977, S. 23f. gezeigt.
5 Karl Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin, 6. Aufl., München 2009, S. 350–599.
6 Der bekannte Briefwechsel zwischen dem jüngeren Plinius und Trajan zu diesem Thema wird aus dem Kontext gelöst als Beispiel für die „moderate, sachorientierte Haltung“ (S. 29) des Trajan in innenpolitischen Fragen erwähnt.

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