R. Skobelski: Politik der VR Polen gegenüber den sozialistischen Staaten

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Titel
Polityka PRL wobec państw socjalistycznych w latach 1956-1970 [Die Politik der VR Polen gegenüber den sozialistischen Staaten in den Jahren 1956-1970]. Współpraca – napięcia – konflikty [Zusammenarbeit – Spannungen – Konflikte]


Autor(en)
Skobelski, Robert
Erschienen
Anzahl Seiten
532 S.
Preis
€ 21,22
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dagmara Jajeśniak-Quast, Geisteswissenschaftliches Zentrum für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropa an der Universität Leipzig (GWZO)

Die Geschichte der Volksrepublik Polen ist seit Jahren ein großen Thema der polnischen Historiker.1 Auch die Außenpolitik des vor über 20 Jahren untergegangenen Staates ist inzwischen Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung geworden.2 Trotzdem wissen wir immer noch relativ wenig über viele Facetten der polnischen Außenpolitik zur Zeit des Sozialismus. Allein der ganze Komplex der polnischen Mitgliedschaft im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) wartet immer noch auf eine konzise und auf Archivquellen basierte Analyse. Schon aus diesem Grund kann man die vorliegende Monographie von Robert Skobelski als eine Pionierarbeit bezeichnen. Skobelski, Professor am Institut für Neueste Geschichte der neugegründeten westpolnischen Universität Zielona Góra, setzt sich in fünf Kapiteln und auf über 500 Seiten seiner Monographie mit der Außenpolitik der Ära Gomułka gegenüber den europäischen sozialistischen Staaten und China auseinander. Die polnisch-tschechoslowakischen und polnisch-ostdeutschen Beziehungen werden dabei jeweils in einem gesonderten Kapitel behandelt. Die Stellung der polnischen Emigration zu Gomułkas Politik wurde dagegen gezielt außer Acht gelassen. Auch weitere sozialistische Länder außerhalb Europas wie Nordkorea, Vietnam, Mongolei oder Kuba behandelt Skobelski nicht, obwohl diese vor allem im RGW große Bedeutung durch die Bereitstellung von Rohstoffen und Arbeitskräften erlangten.

Das erste Kapitel zeigt den Einfluss des Polnischen Oktobers 1956 auf die Relationen Polens zu Sowjetunion, DDR, Tschechoslowakei, Albanien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, beleuchtet aber auch die Positionen Chinas und Jugoslawiens gegenüber den Veränderungen in Polen. Skobelski stellt fest, dass die Beziehungen zu fast allen sozialistischen Staaten nach 1956 schlechter wurden. Am „kältesten“ wurden sie mit Albanien, der DDR und Tschechoslowakei. Mit der Reaktion Polens auf die Konflikte in der kommunistischen Bewegung beschäftigt sich das nächste Kapitel. Hier geht es vor allem um die sowjetisch-chinesische Auseinandersetzung sowie um die „Sorgenkinder“ des sozialistischen Lagers Albanien und Jugoslawien. Das dritte Kapitel widmet sich der Zusammenarbeit Polens innerhalb des RGW. Die letzten zwei Kapitel sind dann dem Prager Frühling und der „deutschen Frage“ gewidmet. Der Grundgedanke dieses Buches ist die Aussage, dass die meisten Aspekte der Innen- und Außenpolitik Polens durch den Ersten Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR), Władysław Gomułka, geprägt wurden. Die These lautet, dass die Bemühungen der Außenpolitik Polens und damit auch Gomułkas – des ehemaligen Ministers für die „wiedergewonnenen Gebiete“ – das Ziel verfolgten, die Anerkennung der polnischen Westgrenze an Oder und Neiße zu erreichen (S. 10). So zeigt Skobelski bei der Rekonstruktion der Vorbereitung der Länder des Warschauer Paktes zur gewaltsamen Beendigung des Prager Frühlings, welch großer Befürworter der militärischen Intervention in Prag Gomułka war. Auch hier führte die „ewige“ Angst um die polnische Westgrenze des Ersten Sekretärs der PZPR zu diesem Schritt.

Die Studie basiert vorwiegend auf Quellenmaterial aus dem Archiv der Neuen Akten sowie aus dem Archiv des Polnischen Außenministeriums in Warschau. Neben der einschlägigen Fachliteratur wertet Skobelski unzählige publizierte Quellen wie auch Memoiren aus. Allein die Bibliographie nimmt mit ihren über 700 Positionen 33 Seiten ein. Das ist sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil dieser Arbeit. Dieser Reichtum an Quellen bleibt „polenzentristisch“ und der Leser erfährt wenig über die Sicht der anderen Seiten. Tschechische, deutsche oder bulgarische Quellen bleiben unangetastet. Auf der anderen Seite bekommt man einen Einblick in interessante Details aus den vorwiegend bilateralen Verhältnissen der sozialistischen Länder, die häufig auch noch in Polen unentdeckt in den Archiven lagern. So zum Beispiel die Fakten aus der kaum bekannten Einbeziehung der sozialistischen Staaten in die „exotische“ Weltwirtschaft. Obgleich die sozialistischen Planwirtschaften als autark und abgeriegelt galten, existierte zum Beispiel bereits seit 1951 eine polnisch-chinesische Gesellschaft namens „Chipolbrok“ zum Zwecke der Handelsabwicklung zwischen beiden Ländern. Im Jahre 1967 besaß diese Gesellschaft mit Sitz in Shanghai 16 Schiffe, die unter polnischen und drei Schiffe, die unter der chinesischen Flagge fuhren und mit denen der Warenaustausch zwischen China und allen europäischen sozialistischen Staaten abgewickelt wurde (S. 137).

Im Kapitel über die Probleme der Kooperation Polens im RGW erfährt man interessante Fakten über den Teufelskreis der Autarkie. Das Beispiel der festen Preise im Rat zeigt, wie immer mehr Mitgliedsländer die Handelsbeziehungen nach außen in die nicht-sozialistische Welt suchten, wenn die RGW-Preise entweder höher (Import) oder niedriger (Export) als auf dem Weltmarkt waren (S. 207). Schade nur, dass viele weniger bekannte multilaterale Projekte der sozialistischen Länder nicht weiter behandelt werden und oft nur eine kurze Erwähnung in den Fußnoten erhalten, wie das gemeinsame RGW-Projekt „Donau-Brücke zwischen Rumänien und Bulgarien“ (Fußnote 70, S. 211) oder die Erdölleitung „Freundschaft“ (Fußnoten 80-82, S. 214). Anstelle der Beschreibung der allgemein bekannten Politikgeschichte wäre eine tiefere Erkundung dieser Projekte für den Leser interessanter gewesen und hätten ihn mit weiteren Dankanstößen versorgen können.

Alles in allem liefert Robert Skobelski ein gutes Stück der polnischen Politikgeschichte. Er zeigt sein großes Wissen über die auswärtige Politik Polens der Gomułka-Ära. Vor allem das letzte und umfangreiche Kapitel über die „deutsche Frage“ in den Beziehungen Polens mit den sozialistischen Ländern ist eine wesentliche Stärke des Buches. Hier kann Skobelski an seine vorherige Publikation anknüpfen3 sowie an die lange Forschungstradition zum Thema der polnischen Westgebiete und deutsch-polnischen Verhältnisse an der damaligen Pädagogischen Hochschule Zielona Góra, aus der die heutige Universität hervorging. Die kleinen Unstimmigkeiten, wie das Schreiben über die „Wiedergewonnenen Gebiete“ ohne Anführungszeichen (Ziemie Odzyskane, S. 36, 40 und 517) oder das Fehlen der deutschen Quellen und der neueren deutschsprachigen Literatur zum Thema vor allem von Kapitel V mindern nicht den hohen Wert des hier angezeigten Buches. An Primärquellen reich, ist die Analyse der Beziehungen Polens mit den sozialistischen Ländern einem breitem Leserkreis sehr zu empfehlen.

Anmerkungen:
1 Exemplarisch kann hier auf die Serie des Warschauer Verlages TRIO „W krainie PRL“ [Im Land der VR Polen] hingewiesen werden, in der bereits über 60 Monographien erschienen sind.
2 Siehe u.a.: Wanda Jarząbek, Polska w politycznych strukturach Układu Warszawskiego w latach 1955–1980 [Polen in der politischen Strukturen des Warschauer Paktes 1955–1980], Warszawa 2008.
3 Robert Skobelski, Ziemie Zachodnie i Północne Polski w okresie realizacji planu sześcioletniego 1950-1955 [Die West- und Nordgebiete Polens in der Zeit der Realisierung des Sechsjahrplanes 1950-1955], Zielona Góra 2002.

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