G. Bökenkamp: Das Ende des Wirtschaftswunders

Cover
Titel
Das Ende des Wirtschaftswunders. Geschichte der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Bundesrepublik 1969 – 1998


Autor(en)
Bökenkamp, Gérard
Erschienen
Stuttgart 2010: Lucius & Lucius
Anzahl Seiten
VIII, 569 S.
Preis
€ 59,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rainer Karlsch, Berlin

Gérard Bökenkamp hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Er untersucht die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik in der Bundesrepublik nach dem Ende des „Goldenen Zeitalters“. Der von ihm gewählte Untersuchungszeitraum reicht vom Beginn der sozialliberalen Regierungszeit 1969/70 bis zum Ende der Ära Kohl 1998. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen die Handlungen, Motive und Entscheidungen der politischen Akteure.

Das Buch ist in drei große Kapitel untergliedert: das Jahrzehnt der Illusionen (1970-1980), das Jahrzehnt der unvollkommenen Konsolidierung (1980-1990) und die Bewältigung der Deutschen Einheit (1990-1998). Die Darstellung basiert zum größten Teil auf der Wirtschaftsberichterstattung der großen Wochenzeitungen „Der Spiegel“, „Die Zeit“ und „Wirtschaftswoche“. Zwar zieht Bökenkamp auch Sekundärliteratur und Memoiren von Politikern zu Rate, doch geschieht dies nur sporadisch. Dennoch lohnt die Lektüre, sofern man sich die wichtigsten wirtschaftspolitischen Ereignisse, Debatten und Weichenstellungen zwischen 1969 und 1998 in Erinnerung rufen möchte. Aus marktliberaler Sicht wird geschildert, wie die Politik nach Bökenkamps Auffassung mit unzulänglichen Mitteln versuchte, auf das Ende des Wirtschaftswunders zu reagieren, warum die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht gelang und welche neuen wirtschaftlichen Probleme nach der unverhofften deutschen Einheit hinzukamen.

Im ersten Kapitel geht Bökenkamp hart mit dem „Weltökonomen“ Helmut Schmidt ins Gericht. Die keynesianische Konjunkturpolitik im Innern und die von Schmidt angeregten Weltwirtschaftsgipfel waren die wichtigsten Elemente seiner Politik. Obwohl es der sozialliberalen Koalition in den 1970er-Jahren nicht gelang, mit ihrer Konjunkturpolitik nennenswerte Erfolge zu erreichen – im Gegenteil, die Arbeitslosenzahlen stiegen und die Staatsverschuldung erreichte ein zuvor nicht gekanntes Ausmaß – genoss der Kanzler ein hohes Ansehen. Bökenkamp führt dies allein auf eine geschickte PR-Arbeit zurück.

Weniger hart geht der Autor mit der Konsolidierungspolitik der schwarz-gelben Koalition in den 1980er-Jahren ins Gericht. Zwar stieg auch in diesem Jahrzehnt die Schuldenlast des Staates immer weiter, doch immerhin erhielt die Sanierung der Haushalte eine höhere Priorität als zuvor. Das Jahr 1990 markierte dann einen Endpunkt eines „im Großen und Ganzen positiven Kapitels der Wirtschaftspolitik“ (S. 311).

Ambivalent fällt die Bilanz der Jahre zwischen 1990 und 1998 aus. Während die sozialen Folgen der deutschen Einheit alles in allem gut abgefedert wurden, kamen wichtige Reformprojekte nicht recht voran. In diesem abschließenden Kapitel zeigen sich die methodischen Grenzen des Ansatzes von Bökenkamp. So haben sich mit den Problemen der Transformation der ostdeutschen Wirtschaft Ökonomen ganz unterschiedlicher Couleur, wie Hans-Werner Sinn, Michael Burda, Karl-Heinz Paqué, Rudolf Hickel und Christa Luft befasst, deren zum Teil auch theoretisch gehaltvolle Arbeiten vom Autor kaum zur Kenntnis genommen werden.

Ein Lesevergnügen bietet das Buch wahrlich nicht. Ungeschickte Formulierungen, Wiederholungen und ungewöhnlich viele Druckfehler wären bei einem gründlichen Lektorat sicher zu vermeiden gewesen. Viele der oft detailliert ausgebreiteten Zusammenhänge beispielsweise in den Abschnitten über Haushalts-, Geld- und Lohnpolitik hätten sich mit Hilfe von Tabellen und Diagrammen prägnanter und übersichtlicher darstellen lassen. In jüngster Zeit wird zu Recht das Fehlen von Wirtschaftstheorien beklagt, die in der Lage wären, die Veränderungen in der Weltwirtschaft nach dem Ende des „Goldenen Zeitalters“ und insbesondere die Wirkungen der Entfesselung der Finanzmärkte zu erfassen. Auch Bökenkamps Buch vermag dieses Manko nicht zu beheben.

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