C. Kambas u.a. (Hrsg.): Hellas verstehen

Cover
Titel
Hellas verstehen. Deutsch-griechischer Kulturtransfer im 20. Jahrhundert


Herausgeber
Kambas, Chryssoula; Mitsou, Marilisa
Erschienen
Köln 2010: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
380 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Adamantios Skordos, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig

„Die Modernen Griechen beweisen ihre Unähnlichkeit mit ihren Vorfahren jedenfalls quasi täglich. Das Land, das Sokrates und Platon, Myron und Phidias, Pindar und Sophokles, Pythagoras und Thukydides hervorbrachte, besitzt heute keinen bedeutenden Dichter, Komponisten, bildenden Künstler oder Philosophen. […] Der bekannteste Grieche der Gegenwart indes heißt Otto Rehhagel, das Spiel seiner Mannschaft ist ungefähr so attraktiv wie ein Athener Vorort. […] Die Erniedrigung ist heute beendet, der Niedergang indes allgegenwärtig. […] Feinschmecker machen eher einen Bogen um die griechische Küche. [Und] für jede Art Sodbrennen gut ist, mit wenigen Ausnahmen, auch der griechische Wein. […] Ein Hauptunterschied zwischen Zivilisation und Barbarei bestand für die alten Griechen darin, dass die Barbaren Bier tranken. Heute sind es eher die Barbaren, die griechischen Wein trinken.“

Der oben zitierte Ausschnitt stammt aus einem Artikel der Zeitschrift Focus vom 22. Februar 2010, der den prägnanten Titel trägt: „2000 Jahre Niedergang. Von der Wiege Europas zum Hinterhof Europas“. 1 Sein Verfasser Michael Klonovsky rechnet darin mit dem heutigen, bankrotten Griechenland ab und lässt seiner Enttäuschung und Wut über das zehn Millionen kleine Volk am Rande Südosteuropas, das mit seiner beispiellosen Verantwortungslosigkeit und über seine Möglichkeiten weit hinausgehenden Lebensstill ganz Europa in die Krise trieb bzw. treibt, freien Lauf. Dabei sprach Klonovsky sicherlich vielen Deutschen, die als Rezipienten einer teils sehr polemischen Berichterstattung der deutschen Medien zur Erkenntnis gelangen, dass die heutigen Bewohner der einstigen Heimat Pythagoras’ und Sokrates’ weder mit Zahlen besonders gut umgehen können bzw. wollen noch in ihren Beziehungen untereinander und vor allem zum Staat auf moralische-ethische Werte großen Wert legen, aus der Seele.

Eine Reihe von Beiträgen aus dem hier zu besprechenden Sammelband, der aus einem 2007 in Osnabrück stattgefundenen Symposium hervorgeht, führt uns die Tatsache vor Augen, dass die deutsche Enttäuschung über die Neugriechen, die dermaßen anders als ihre antiken Vorfahren sind, eine große Tradition pflegt. Sie reicht bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zurück, als man deutscherseits im Zuge der (neu-)griechischen Unabhängigkeitsbewegung und Nationalstaatsgründung mit den Nachfahren der ruhmreichen Althellenen in Berührung kam. Bei Einigen, wie den württembergischen, schweizerischen und bayrischen Söldnern, die zwischen 1832 und 1862 im Dienst des ersten griechischen Königs, dem bayerischen Prinz Otto Friedrich Ludwig von Wittelsbach, standen, rief der Kontakt mit den Neugriechen sogar ganz ähnliche Gefühle wie die des besagten Focus-Journalisten Klonovsky hervor. Wie der emeritierte Professor für Byzantinistik und Neugräzistik Hans Eideneier in seinem Beitrag („Wo im kulturellen Europa liegt das moderne Griechenland?, S. 35-50) schreibt, kehrten diese Soldaten von ihren Griechenlandaufenthalten in ihre Heimatorte zurück und berichteten ebenso verärgert wie herablassend von „hinterhältigen Gaunern“, die sich gegen jede altgriechische Ethik, auf jenem edlen Strich Land festgesetzt hätten, sowie von „unsäglichem Schmutz“ und „bedrückender Armut“ (S. 40f). Andere wiederum, insbesondere die deutschen Intellektuellen, die vor 1830 den griechischen Unabhängigkeitskampf gegen die Osmanen leidenschaftlich unterstützt hatten, waren zwar von der neugriechischen Realität ebenso enttäuscht, gingen dennoch mit ihrer Enttäuschung introvertierter um: Laut Eideneier „kehrte die philhellenische Bewegung […] spätestens nach dem Sturz des Wittelsbachers Otto vom griechischen Königsthron wieder in die deutschen Studierstuben und die humanistischen Gymnasien zurück, und blieb für die Zukunft von jeder Annäherung an das reale [Griechen-]Land unbefleckt.“ (S. 41).

Die Aufsätze von Dorothea Ipsen zur „Visionären Aneignung der Antike: Die Wahrnehmung Griechenlands in den Reiseberichten von Gerhart Hauptmann und Isolde Kurz“ (S. 3-13) und von Dieter Werner zu „Theodor Däublers ungeschriebenes Griechenlandbuch“ (S.15-34), die zusammen mit dem besagten Beitrag Eideneiers den ersten der insgesamt vier Teile des Sammelbandes zusammensetzen, offenbaren uns schließlich noch eine dritte deutsche Herangehensweise an das neue Griechenland: Die „triste“ Gegenwart einfach zu ignorieren und stattdessen das antike Griechenland weiterhin so zu imaginieren als ob es noch existiere. Isolde Kurz z. B., deren Reisebuch „Wandertage in Hellas“ in den 1910er und 1920er Jahren große Beachtung geschenkt wurde, überwand die Diskrepanz zwischen antikem und neuem Griechenland, indem sie ihre „Sinne aufs Höchste“ spannte: „Wer aber mit der großen Liebe kommt und alle Sinne aufs Höchste spannt, der findet die alten Götter wieder im ganzen Glanz ihrer Frühzeit, so wie sie in den homerischen Gesängen leben. […]. Darum kann Griechenland nicht allein mit den Augen genossen werden; es gibt ja so viele Dinge auf griechischer Erde, die noch gegenwärtig, aber nicht mehr sichtbar sind.“ (S. 9) Man möchte sich doch fast wünschen, dass die heutigen deutschen Berichterstatter dem Beispiel von Isolde Kurz folgen und ihre „Sinne aufs Höchste“ spannen würden, dann blieben wohl den „Pleite-Griechen“ höhnische Artikel erspart.

Der erste Teil zum „erfahrenen Griechenland“ ist demzufolge sehr brisant – weil darin nämlich aufgezeigt wird, dass die gegenwärtigen Verstimmungen im deutsch-griechischen Verhältnis anlässlich der griechischen Staatsverschuldung nicht ausschließlich auf das gegenwärtige Problem, sondern teilweise auch auf ein kontinuierlich verzerrtes deutsches Bild in Bezug auf die Neugriechen zurückzuführen sind. Wer heute noch nach Griechenland reist und das alte mit dem neuen Hellas vergleicht, um dann den „2000-jährigen Niedergang“ einer Nation – als ob es diese schon in der Zeit Perikles’ gab und seitdem ununterbrochen gibt! – erschrocken zu konstatieren, der erinnert doch sehr an die über die neugriechischen „Gauner“ verärgerten Soldaten von König Otto.

Der zweite Teil des Bandes trägt den Titel „Kulturauftrag während der Besatzung“ und besteht aus vier Beiträgen, die aber allesamt ausschließlich das Thema des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts (DWI) Athens, insbesondere die Tätigkeit des Präsidenten Rudolf Fahrner und seine Beziehungen zu Griechenland während der deutschen Besatzung 1941-1944 thematisieren. Der Germanistik-Professor Fahrner, der aufgrund seiner Mitwirkung am Attentat Claus von Stauffenbergs gegen Hitler über einen begrenzten Fachkreis hinaus zu Berühmtheit gelangte, stellt eigentlich ein weiteres Beispiel für das bereits angesprochene, auf die Antike fixierte und Zeit übergreifende deutsche Griechenlandbild dar. Insbesondere aus dem Beitrag Jan Andres’ („Hellas ewig unsre Liebe“ – Erlesenes und erlebtes Griechenland bei Rudolf Fahrner, S. 73-95) geht hervor, dass selbst ein deutscher Intellektueller wie Fahrner, der für längere Zeit in Griechenland lebte, die neugriechische Sprache erlernte und ein Interesse, ja sogar Gefallen an der zeitgenössischen Kultur des Landes entwickelte, niemals die perspektivverzerrende Brille der Antike völlig ablegen konnte. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist auch der Fall seines Mitarbeiters Rudolf Grimm, des Leiters der akademischen Abteilung des Athener DWI, der, wie er selbst in seinem autobiographischen Beitrag („Geheimes Deutschland“ im besetzten Athen?, S. 95-115) berichtet, sich noch in Deutschland für seinen längeren Griechenlandaufenthalt erst mit einer Sammlung von Gedichten Friedrich Hölderlins einstimmen musste (S. 95) und sodann in Griechenland angekommen die Gewissheit, „doch in Athen und nicht im Orient“ zu sein, nur in dem Moment erlangte, als er die Akropolis vor sich sah (S. 97).

Der zweite Teil des Sammelbandes beinhaltet neben den besagten Beiträgen Andres’ und Grimms einen Aufsatz Frank-Rutger Hausmanns, des DWI-Experten schlechthin („Das Deutsche Wissenschaftliche Institut in Athen“, S. 53-72), und einen semi-autobiographischen Essay von Danae Coulmas, der späteren Ehegattin des wissenschaftlichen Assistenten Fahrners in Athen Peter Coulmas („Athen ’41. Peter Coulmas im ‚Deutschen Wissenschaftlichen Institut’“, S. 117-136). Auch wenn dieser Teil insgesamt aufgrund der ausschließlichen Behandlung des Athener DWI thematisch deutlich zu einseitig ausfällt, ist seine Bedeutung nicht zu unterschätzen. Darin wird nicht nur gezeigt, wie von Seiten des nationalsozialistischen Deutschlands versucht wurde, deutsche Wissenschaft und Kultur in Griechenland zu vermitteln und dann daraus politische Profite zu schlagen, sondern auch, wie von deutscher Seite in das neugriechische Selbstverständnis „eingegriffen“ wurde. Denn Professor Fahrner und seine Mitarbeiter setzten ihre Tätigkeit genau dort an, wo die deutschen Philhellenen des frühen 19. Jahrhunderts aufgehört hatten, nämlich bei der Aufgabe, „den modernen Griechen über die deutsche Antike-Rezeption ihre eigene Vergangenheit als ‚Grundelement ihres gegenwärtigen Lebens’ zu vermitteln“ (S. 85). Diese „zurückstrahlende Hilfe“, wie Fahrner mal die von deutscher Seite initiierte Bekanntmachung der modernen Griechen mit ihren Vorfahren nannte (S. 85), hat allerdings keinen unbedeutenden Anteil daran, dass „die Suche [der Neugriechen] nach der eigenen Identität heutzutage ständig zwischen Gegenwart und Antike schwankt [sodass] die Vergangenheit bei dem Versuch, ein modernes Bewusstsein zu entwickeln, zur unerträglichen Last wird“ – so unlängst der renommierte griechische Geschichtsprofessor Antonis Liakos in Bezug auf das „traumatische“ Verhältnis des modernen Griechen zu „seiner“ Antike in der Frankfurter Allgemeine Zeitung.2

Im dritten Teil des Sammelbandes zur „Kulturpolitik deutscher Staaten gegenüber Griechenland“ tritt das große deutsche Interesse an der Antike noch einmal kurz in den Vordergrund, wenn Phädra Koutsoukou in ihrem Beitrag zur „NS-Kulturpolitik gegenüber Griechenland in der Vorkriegszeit“ (S. 139-155) das persönliche Engagement Hitlers beschreibt, damit die Ausgrabungen in Olympia wieder aufgenommen werden. Hitler kündigte am Tag der Ankunft des olympischen Feuers in Berlin in einer Aktion großer propagandistischer Wirksamkeit seine Entscheidung an, die von dem Deutschen Archäologischen Institut durchzuführenden Ausgrabungen mit 300.000 RM – sie stammten aus den Einahmen seines Buches „Mein Kampf“ – zu finanzieren. Im Allgemeinen geben uns der Aufsatz Koutsoukous und der darauffolgende von Maria Zarifi mit dem Titel „Im Fadenkreuz der NS-Kulturpolitik. Förderstrategien für die Natur-, Technik- und Humanwissenschaften“ (S. 157-174) ein ziemlich akribisches Bild von den verschiedenen Strategien, die das NS-Regime vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verfolgte, um in Griechenland die einheimischen politischen, wirtschaftlichen und geistigen Eliten bzw. ihren Nachwuchs für das Dritte Reich zu gewinnen. Das wichtigste Instrumentarium war beiden Autorinnen zufolge die Vergabe von Stipendien an Griechen, um in Deutschland entweder zu studieren oder zu promovieren. Die deutsche Kulturpolitik der 1930er Jahre in Bezug auf Griechenland schien kurz vor dem deutschen Angriff auf das Land aufzugehen. Nach Angaben von Charikleia Bali, die mit einem Aufsatz zur „direkten und indirekten Einflussnahme auf die Universität Athen während der deutschen Besatzung“ zum Sammelband beitrug (S. 175-189), belief sich die Anzahl der in Deutschland ausgebildeten Professoren an der Athener Universität kurz vor Kriegsbeginn auf 50 Prozent. Andererseits, hält Balli fest, distanzierte sich die überwiegende Mehrheit der griechischen Professoren und Intellektuellen nach dem deutschen Angriff auf Griechenland von NS-Deutschland und brach die bisherige Zusammenarbeit ab. Darunter befanden sich auch zahlreiche in Deutschland studierte und/oder promovierte Wissenschaftler, die an der „Barbarei“ der deutschen Besatzungstruppen ihr geistiges Ideal zerbröckeln sahen.

Der dritte Teil der Aufsatzsammlung „Hellas verstehen“ schließt mit zwei spannenden Beiträgen zu den beiden deutschen Nachkriegsstaaten und ihren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Griechenland ab. Der Aufsatz von Emilia Rofousou „Die Kulturbeziehungen zwischen der SBZ/DDR und Griechenland in der Phase der Nicht-Anerkennung“ (S. 191-203) beschreibt die unter erheblichem Einsatz von Personal und Geld erfolgten Bemühungen Ostberlins, zuerst wirtschaftliche, dann auch kulturelle Beziehungen zu Griechenland aufzubauen, um dann im richtigen Augenblick auch eine völkerrechtliche Anerkennung durch den südosteuropäischen NATO-Staat zu gewinnen.

Der Beitrag des Athener Universitätsprofessoren Hagen Fleischer mit dem Titel „Der lange Schatten des Krieges und die griechischen Kalenden der deutschen Diplomatie“ (S. 205-240) stellt nicht nur einen der anspruchsvollsten Aufsätze des Sammelbandes dar, sondern behandelt u. a. auch ein Thema, das in der ersten Hälfte des Jahres 2010 in der griechischen Öffentlichkeit anlässlich der „Angriffe“ der deutschen Medien auf die „Pleite-Griechen“von großer Brisanz war: Die bis heute zwischen Griechen und Deutschen unaufgearbeitete Erinnerung an die „barbarische“ Besatzung Griechenlands durch die Wehrmacht- und SS-Truppen und die unbezahlten deutschen Reparationen zur Wiedergutmachung der Schäden, die diese dreijährige Besatzung angerichtet hatte. Fleischer zeigt, dass trotz der im Zuge der „kommunistischen Gefahr“ für die „Freie Welt“ sehr schnell eingetretenen Normalisierung der westdeutsch-griechischen Beziehungen die Athener Regierungen immer wieder, auch wenn nicht besonders nachdrücklich Bonn bzw. nach der deutschen Wiedervereinigung Berlin mit der offenen Frage der durch das Londoner Schuldenabkommen von 1953 auf unbestimmte Zeit zurückgestellten Reparationen konfrontierten. Der deutsch-griechische Zeithistoriker macht außerdem deutlich, dass trotz der Vergangenheitspolitik der antikommunistischen Nachkriegsregierungen Griechenlands, die auf Bonner Druck hin auf die juristische Verfolgung von deutschen Kriegsverbrechen verzichteten, in der griechischen Erinnerungskultur, wie etwa in mehreren Kinofilmen, die Erinnerung an die „bösen Deutschen“ erhalten blieb. Demzufolge wird heutzutage von Seiten der Griechen auf das Hakenkreuz als Gegenwaffe zurückgegriffen, wenn sie von den deutschen Medien mit der Infragestellung ihrer althellenischen Abstammung „provoziert“ werden.

Der Sammelband schließt mit einem aus ebenso interessanten wie hoch qualitativen Aufsätzen zusammengesetzten Teil zum Thema „Transferkontext: zeitgenössische neugriechische Literatur. Durch die Beiträge von Marilisa Mitsou („Griechenfreundschaft gegen Philhellenismus. Karl Dieterichs Lyrik-Anthologie als erste Kanonbildung“, S. 243-267), Andrea Schellinger („Zwischen den Stühlen. Der Kulturmittler Alexander Steinmetz“, S. 269-287), Chryssoula Kambas („Athen und Ägypten. Helmut von den Steinen, Übersetzer von Kavafis“, S. 288-328), Maria Oikonomou („Kapital und Alterität. Zwei deutsche Kavafis-Ausgaben“, S. 329-353) und Ulrich Moennig („Über das Wesen des Krieges. Der Roman Η λέσχη von Stratis Tsirkas“, S. 355-368) wird der aus den anderen Sammelbandsteilen gewonnene Eindruck, dass man in Deutschland immer nur ein Auge auf das antike Hellas hatte, etwas relativiert. Die Autorinnen und Autoren präsentieren und analysieren aus literaturwissenschaftlicher Sicht deutsche Übersetzungsversuche neugriechischer Lyrik und Prosa, wobei erfreulicherweise auch die Übersetzer selbst, also die Träger des Transfers, stark berücksichtigt werden. Dennoch sind all diese Transferversuche, mit Ausnahme des ohnehin als Weltbestsellers sehr berühmten Werkes von Nikos Kazantzakis „Alexis Sorbas“, beim deutschen Publikum nur auf ein begrenztes Interesse gestoßen. Die Folgen dieser mangelnden Rezeption neugriechischer Literatur, ja neugriechischer Kulturproduktion allgemein im deutschsprachigen Raum lassen sich bestens im eingangs zitierten Focus-Artikel Klonovskys ablesen. Da der Focus-Reporter selbst keinen zeitgenössischen, bedeutenden griechischen Dichter, Komponisten, bildenden Künstler oder Philosophen kennt, geht er auch davon aus, dass es keine gibt.

Alles in allem ist der von Chryssoula Kambas und Marilisa Mitsou herausgegebene Sammelband ein sehr lesenswertes Buch – nicht zuletzt deshalb, weil es durch seine historische Perspektive zum besseren Verständnis der heutigen deutsch-griechischen Missverständnisse beiträgt. Kritik kann und soll nur in dieser Hinsicht geäußert werden, dass einige spannende Facetten der deutsch-griechischen Kulturtransfergeschichte, wie etwas das Thema der griechischen Bürgerkriegsflüchtlinge in der DDR, unberücksichtigt blieben.3 Aber vielleicht folgen in der Zukunft von Seiten der beiden Herausgeberinnen weitere Arbeiten zur gleichen Thematik, die die bestehenden „Lücken“ noch schließen könnten. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall.

Anmerkungen:
1 Michael Klonovsky, 2000 Jahre Niedergang. Von der Wiege Europas zum Hinterhof Europas: Griechenlands Abstieg ist beispiellos. Wie konnte das passieren?, in: Focus, Nr. 8/10, 22. Februar 2010, S. 132-136.
2 Antonis Liakos, Was es heißt Grieche zu sein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. März 2010, S. 8.
3 Vgl. z. B. Stefan Troebst, Vogel des Südens, Vogel des Nordens, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. September 2003, S. 7; ders., “Grieche ohne Heimat”: Hellenische Bürgerkriegsflüchtlinge in der DDR 1949-1989, in: Totalitarismus und Demokratie 2 (2005) 2 (= Themenheft Fluchtpunkt Realsozialismus – Politische Emigranten in Warschauer Pakt-Staaten, hrsg. v. Katarzyna Stokłosa u. Stefan Troebst), S. 45-271.

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