I. Fees u.a. (Hrsg.): Digitale Urkundenbilder: Papsturkunden

Fees, Irmgard; Roberg, Francesco (Hrsg.): Frühe Papsturkunden (891-1054). . Leipzig 2006 : Eudora, ISBN 978-3-938533-08-6 VIII S., 34 Bl. € 29,90 / 49,90

Fees, Irmgard; Roberg, Francesco (Hrsg.): Papsturkunden des 12. Jahrhunderts: Feierliche Privilegien. . Leipzig 2010 : Eudora, ISBN 978-3-938533-20-8 VIII S., 32 Bl. € 29,90 / 49,90

Fees, Irmgard; Roberg, Francesco (Hrsg.): Papsturkunden der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts (1057-1098). . Leipzig 2007 : Eudora, ISBN 978-3-938533-14-7 VIII S., 32 Bl. € 29,90 / 49,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Harald Müller, Historisches Institut, RWTH Aachen

Abbildungswerke für das Selbststudium und den akademischen Unterricht in Paläografie und Diplomatik weisen meist zwei gravierende Nachteile auf: Sie sind teuer und längst nicht an allen Universitäten vorhanden. Die Bereitstellung im Internet hilft hier kaum weiter. Als Dozent muss man sich deshalb oft mit notdürftig angefertigten Fotokopien behelfen, die in punkto Abbildungsqualität zu wünschen übrig lassen, oder man muss aus dem Fundus eigener Fotografien schöpfen. Insbesondere bei den mittelalterlichen Papsturkunden stehen die Gesamtproduktion der päpstlichen Kanzlei und die Zahl hochwertiger Abbildungen einzelner Originale in einem wenig gesunden Verhältnis zueinander. Abhilfe schafft hier seit wenigen Jahren eine neue Abbildungsserie. In bislang drei Bänden der Reihe ‚Digitale Urkundenbilder aus dem Lichtbildarchiv Marburg‘ liegt nun eine überaus hilfreiche Auswahl von Papsturkunden der frühesten Zeit bis zum Ende des 12. Jahrhunderts vor.1 Aus dem Marburger Bestand von rund 900 Fotografien bis zum Jahre 1250 haben die Herausgeber in gelungener Selektion bislang 73 Papsturkunden aus den Jahren 851–1195 in guter Schwarz-Weiß-Qualität für die Benutzung auf dem heimischen Schreibtisch oder in Seminaren aufbereitet. Es handelt sich dabei in weit überwiegender Zahl um päpstliche Privilegien, doch wird ein abschließender vierter Band auch der Gattung der Litterae angemessene Aufmerksamkeit schenken.

Die ersten beiden Bände sind chronologisch konzipiert. Zunächst wird aus der spärlichen Überlieferung bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts auf 19 Tafeln an Originalen geboten, was deutsche Archive bereithalten. Angesichts dieser „Vollständigkeit“ muss man sich jedoch klar machen, dass wir für diese frühen Zeiten in weit überwiegendem Maße aus zweiter Hand schöpfen, dass die Mehrzahl der bekannten Papsturkunden nur in Kopie überliefert ist. Der zweite Band hält am chronologischen Konzept fest, muss aber für die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts bereits auswählen. Immerhin 24 von 29 bekannten Originalen aus deutschen und schweizerischen Archiven werden hier geboten. Für das 12. Jahrhundert und seine rasant ansteigende Überlieferung sahen sich Irmgard Fees und Francesco Roberg dann gezwungen, die darzubietenden Stücke typologisch zu trennen: 30 feierliche Privilegien in dem 2010 erschienenen Band, eine Auswahl von einfachen Privilegien und Mandaten wird folgen.

Jeder der drei vorliegenden Bände enthält fotografische Tafeln in guter Abbildungsqualität. Dies ist eigens hervorzuheben, denn die Ausgangsfotos weisen zeitbedingt sehr unterschiedliche Aufnahmestandards auf. Bisweilen fehlt deshalb ein Maßstab, mitunter auch eine Seite des Siegels. Wiedergabe in Originalgröße wurde nicht durchgehend angestrebt. Trotz teilweise erheblicher Verkleinerung sind die Urkunden durchgehend lesbar, die grafischen Elemente und deren Anordnung mühelos zu verfolgen. Jedem Band ist eine kurze Einführung vorangestellt, die das Projekt skizziert sowie die jeweiligen Gegebenheiten und Auswahlkriterien benennt. Hier finden sich auch eine Liste der Tafeln, ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur sowie grundsätzliche Bemerkungen zu den wichtigsten Veränderungen im äußeren Erscheinungsbild der Papsturkunden, ohne dass diese den Griff zu einschlägigen Handbüchern ersetzen könnten. Überhaupt sind Ausstattung und Kommentierung bewusst spartanisch gehalten, um das Vorhaben überhaupt realisieren zu können. Die Regesten umfassen selten mehr als einen Satz und kennzeichnen den Inhalt der Texte nur sehr pauschal. Auch die Maße der Urkunden wären auf den Tafeln sinnvoll untergebracht gewesen. Der Benutzer muss diese errechnen bzw. in einigen Fällen in der Einleitung des jeweiligen Bandes nachschlagen sowie sich Sachinformationen zu den einzelnen Stücken anhand der Verweise auf einschlägige Editionen und Regestenwerke selbst beschaffen. Transkriptionen der abgebildeten Stücke werden nicht bereitgestellt.

Dieser Sachverhalt erklärt sich aus der grundsätzlichen Konzeption der Reihe ‚Digitale Urkundenbilder‘, die von Peter Rück initiiert wurde. Er lehrte die Fachwelt, Urkunden nicht nur als Träger inhaltlicher, zumeist rechtlicher Information zu sehen, sondern als grafische Gesamtkunstwerke, die auch dem illiteraten Betrachter einiges mitzuteilen haben. Diesem Geiste verpflichtet, richtet sich das Hauptanliegen der Reproduktionsinitiative über die Bereitstellung der Bilder hinaus auf die visuell wahrnehmbare Entwicklung der Papsturkunde, auf die äußeren Merkmale. Beim sukzessiven Betrachten der Tafeln fallen die Veränderungen ins Auge, ganz gleich ob man sich auf Beschreibstoff und Format, auf die Gestaltung der Siegel oder auf die Entwicklung des Layouts und der Schrift konzentrieren mag. Insbesondere an den dichteren Serien, die den Urkundenbestand von der Mitte des 11. Jahrhunderts an dokumentieren, lässt sich dieser keineswegs linear verlaufende formale Prozess im Detail verfolgen. Mit Spannung legt man die zehn Privilegien Urbans II. nebeneinander und erkennt, wie der insgesamt von der Minuskel bestimmte Duktus der Schrift gelegentlich zu Elementen der römischen Kuriale, etwa dem sehr offenen cc-a oder charakteristischen Ligaturen schwankt (Bd. II, Tafeln 15, 24). Selten sieht man so deutlich, dass die Privilegien Alexanders II. teils in einer diplomatischen Minuskel mundiert wurden (Bd. II, Tafel 4f.), teils jene traditionellen Schriftformen der päpstlichen Kanzlei bewahren (Bd. II, Tafel 7f.), teils mit Rota und Benevalete versehen sind (Bd. II, Tafel 4–6), teils nur mit der Rota (Bd. II, Tafel 7f.), während drei abgelichtete Litterae desselben Papstes mit Fuldaer Betreffen sich in einer klaren Minuskel präsentieren (Bd. II, Tafel 9–11).

Solche Einsichten machen die drei Bände zu einem hochwillkommenen und spannenden Anschauungsmittel für Mediävisten, die an den Produkten der päpstlichen Kanzlei interessiert sind. In der Erschließung und kompakten Bereitstellung von Vergleichsmaterial auf diesem Feld scheint dem Rezensenten daher das Haupteinsatzgebiet der sehr nützlichen Abbildungssammlung zu liegen. Auch für die Qualifizierung schon vorgebildeter Studierender oder Doktoranden, die sich den Wissenskosmos hinter den Fotografien selbstständig oder unter Anleitung zu erschließen vermögen, ist sie geeignet. Vor der Verwendung im elementaren akademischen Unterricht wären dagegen erst einige Klippen zu überwinden. Das Studium der Tafeln macht indes auch schmerzhaft das Fehlen eines aktuellen Handbuchs der Papstdiplomatik für die dynamische Phase des Hochmittelalters deutlich; wie gerne möchte man die visuellen Eindrücke durch einen analytischen Text abgestützt sehen.2 Auch der reiche Korb, der hier geboten wird, ist letztlich nur eine Auswahl, deren repräsentativer Charakter jeweils mit guten Argumenten behauptet und bezweifelt werden kann. Die Herausgeber sind sich dieser Problematik voll bewusst und haben sich dankenswerterweise zu einer pragmatischen Vorgehensweise entschlossen. Die drei vorgelegten Bände bereichern unsere Vergleichsmöglichkeiten enorm, für den angekündigten vierten mit seiner Konzentration auf die gewöhnlich etwas vernachlässigten Litterae steht dies mindestens in demselben Maße zu erwarten. Vielleicht geben diese Bausteine der ‚Digitalen Urkundenbilder‘ auch dem Bemühen um ein papstdiplomatisches Orientierungswerk für diese Zeit frischen Anstoß.

Anmerkungen:
1 In der Reihe sind bisher ferner erschienen: Irmgard Fees / Francesco Roberg (Hrsg.), Die ältesten Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1071–1255), Leipzig 2006; Dies. / Ders. (Hrsg.), Die ältesten Urkunden der Erzbischöfe von Mainz (888–1109), Leipzig 2008.
2 Thomas Frenz, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit, Stuttgart 1986, 2. überarb. Aufl. Stuttgart 2000, legt den Schwerpunkt deutlich auf das spätere Mittelalter. Paulus Rabikauskas, Diplomatica pontificia. Praelectionum lineamenta, 4. Aufl. Rom 1980, ist kaum verbreitet und als lateinisches Vorlesungsmanuskript von Studierenden selten zu verarbeiten.

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