M. Bettini: Classical indiscretions

Cover
Titel
Classical indiscretions. A millennial enquiry into the state of the classics


Autor(en)
Bettini, Maurizio; transl. by John McManamon
Erschienen
London 2001: Gerald Duckworth
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
£ 12,99 / € 22,72
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Charlotte Schubert, Alte Geschichte, Historisches Seminar, Universität Leipzig

"Classical Indiscretions" (1995 in Italien unter dem Titel "I classici nell'età dell'indiscrezione" erschienen) ist weniger für Altertumswissenschaftler als für einen weiteren Kreis von intellektuell und historisch Interessierten gedacht, die vor allem das Bonmot und die Ironie lieben. Sie sollten jedoch über einen nicht gerade kleinen Fundus an Kenntnissen antiker Literatur verfügen, um die vielen Bezüge auch genießen zu können. Da für Bettini offenbar alle Aspekte der klassischen Altertumswissenschaft sowohl zur Diskussion stehen als auch gleichzeitig ihre Unvergänglichkeit zeigen, versucht er in sieben Kapiteln genau diese Ambivalenz anzudeuten. Die Überschriften der Kapitel zeigen diese Thematik schon an: The Age of Futility, The Tyranny of Time, The Urge for Instant Gratification, Belated Invocation, Time and Canon, The Search for the Classics, The Classics in an Age of Indiscretion. Zwischen den Polen der kulturellen Differenz von Gegenwart und Antike einerseits und der Frage nach dem Verhältnis von Text und Rede andererseits versucht er sein Anliegen einzukreisen.

Am Ende kommt er dann zu dem Punkt, dass er einen (fast) unüberwindlichen Gegensatz zwischen dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort annimmt. Er illustriert dies an den für diese Frage natürlich immer angeführten Äußerungen Platons aus dem siebenten Brief (den Bettini für unecht hält) und dem "Phaidros". Im "Phaidros" lässt Platon Sokrates den ägyptischen Mythos von Thoth erzählen, dem Gott, der die Buchstaben des Alphabets erfunden haben soll. Der weise König Thamus soll diese Erfindung mit der Begründung zurückgewiesen haben, dass über die Schrift keineswegs die wirkliche Wahrheit vermittelt werden könne, sondern lediglich ihr Schein. Das geschriebene Wort, so Sokrates, sei unvollständig und irreführend, es simuliere die Realität eben nur. Eine solche Zurückhaltung gegenüber den Wirkungen von Geschriebenem sieht Bettini als Grundzug der klassischen Texttradition, die heute jedoch einem viel - freundlich formuliert - unbefangenerem Umgang mit Geschriebenem gewichen sei. Bettini selbst schließt sich dieser antiken Tendenz, in Geschriebenem lediglich Spiegelbilder (verzerrte, gefälschte oder realitätsnähere) oder Schatten zu sehen, an und vergleicht die aus der klassischen Tradition in Jahrhunderten entstandenen Texte mit einem riesigen Archiv solcher "Abbilder", in dem unsere Kultur eingehegt sei.

Man muß sich den Thesen und Assoziationen Bettinis nicht unbedingt anschließen, um das Buch würdigen zu können. Es ist alles in allem ein interessantes, sehr ansprechend geschriebenes Werk, das auch über den Kreis der Altertumswissenschaftler hinaus Anregungen geben kann.

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