A. Link: Die Rückkehr zur bürgerlichen Revolution in Paris und Bordeaux

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Titel
Die Rückkehr zur bürgerlichen Revolution in Paris und Bordeaux (1793-794).


Autor(en)
Link, Andrea
Reihe
Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit 59.1-2
Erschienen
Anzahl Seiten
896 S.
Preis
€ 138,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Middell, Global and European Studies Institute, Universität Leipzig

Der Spannungsbogen zwischen den Girondisten und der Bergpartei im Jahr in dem der jakobinisch geprägte Konvent die legislative Gewalt im revolutionären Frankreich inne hatte, fasziniert Historiker seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten. Ordnung in das Dickicht der Deutungen professioneller Historiker und der historischen Analogien zu bringen, die viele spätere (Möchtegern-) Revolutionäre dazu nutzten sich selbst in geschichtliche Gewänder zu kleiden, ist dabei keineswegs einfach. Die schiere Masse der zu berücksichtigenden Quellen und Literatur ist überwältigend, einen unabhängigen Standpunkt zu finden deshalb weit schwieriger als gegenüber vielen anderen Gegenständen.

Diese Mainzer Dissertation aus dem Jahr 2008 greift auf Diskussionen zurück, die vor allem in den 1960er und 1970er Jahren mit großer Heftigkeit ausgefochten wurden, nachdem Albert Sobouls große thèse d‘état zu den Sansculotten in Paris neuen Grund für eine Sozialgeschichte der Revolutionszeit gelegt hatte. Dass die Montagnards des Jahres zwei keine linke Alternative zum Programm der Girondisten darstellten und vielmehr Repräsentanten einer zuweilen so genannten montagnardischen Bourgeoisie gewesen sind, gehört inzwischen zum Allgemeingut der Revolutionsgeschichtsschreibung. Leider wiederholt die Verfasserin aber neben dieser Einschätzung, die auch ein Fazit ihrer ausführlichen Darstellung ist, auch viele Einschätzungen aus den 50 Jahre zurückliegenden Debatten, die inzwischen nuanciert worden sind, von der loi agraire als vermeintlich kommunistischer Landreform bis zu den Sansculotten als Quasi-Proletariern ohne proletarisches Klassenbewusstsein.

Die zentrale These des Buches, wonach die Zäsur zwischen bürgerlichen Revolutionshorizont und weiterreichenden Aspirationen einer sozialen Vertiefung gar nicht erst im Juli 1794 (dem berühmten Thermidor) anzusiedeln sei, sondern im September 1793 mit der Entwaffnung der Sektionsgesellschaften begann und mit dem Gesetz vom 14 Frimaire im Dezember 1793 einen Höhepunkt erlebte, ist überzeugend, mit dem kleinen Schönheitsfehler vielleicht, dass diese These unter anderen schon von Walter Markov Ende der 1960er Jahre in seiner Jacques-Roux-Biographie und von Françoise Brunel in ihrem Buch über den Thermidor von 1989 ausführlich begründet wurde.

Leider kommt die Arbeit erst nach 750 Seiten zu dem interessanten Regionalfall von Bordeaux, der auf rund 65 Seiten abschließend abgehandelt wird. Hier präsentiert die Autorin einige Beobachtungen aus ihren Quellenstudien im Departementalarchiv, die eine Weiterführung durch den Vergleich mit anderen Regionen Frankreichs verdienten. Michel Vovelle hat mit seiner Kartierung des revolutionären Frankreichs dafür Maßstäbe gesetzt . Dass Revolutionen zu ihrem „bürgerlichen“ Pegelstand zurückkehren, wenn die Mobilisierung der Massen gegen das Ancien Régime nicht mehr benötigt wird, zeigt das Beispiel der französischen Revolution ebenso wie man es auch an aktuelleren Fällen ablesen kann. Daran materialreich zu erinnern, wie dieser Prozess im Detail verläuft, gehört zu den Gewinnen, die man aus der Lektüre dieser beiden Bände ziehen kann.

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