M. Fontius (Hg.): Friedrich II. und die europäische Aufklärung

Titel
Friedrich II. und die europäische Aufklärung.


Herausgeber
Fontius, Martin
Reihe
Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Neue Folge. Beihefte 4
Erschienen
Anzahl Seiten
127 S.
Preis
€ 40,00
Arndt Brendecke

"Ich liebe den Krieg um des Ruhmes Willen, aber wenn ich nicht Herrscher wäre, so wäre ich nur Philosoph". Der vorzustellende Band, der auf eine am 4. Februar 1995 abgehaltene Tagung des neu gegründeten Potsdamer Forschungszentrums Europäische Aufklärung zurückgeht, überprüft, wie nahe Friedrich II. seinem Wunsche kam. Er stellt dabei implizit auch die alte Frage 'Was ist Aufklärung?' neu, denn Friedrich II. war gewiss nicht 'Protektor der Aufklärung' schlechthin. Für ein derart großes Thema ist das Bändchen recht schmal; und so will es andererseits vorerst nur einige neue Ansatzpunkte markieren, um der Friedrich-Forschung Impulse zu geben und sie dem Stand der internationalen, vor allem französischen Aufklärungsforschung, wieder anzunähern.

Die Forschung in Deutschland folgt, indem sie seit Theodor Schieders Biographie von 1983 keine größere Synthese mehr vorlegte und sich auf einzelne Felder von Friedrichs Wirken konzentrierte, auf paradoxe Weise einem Wunsch des Königs: "Ich hoffe, die Nachwelt, für die ich schreibe, wird bei mir den Philosophen vom Fürsten und den Ehrenmann vom Politiker zu scheiden wissen." Drei der sechs Beiträge kreisen hier um den 'Philosophen' Friedrich bzw. um die Problematik des 'Roi philosophe'. Es handelt sich zunächst um den Versuch, Friedrich im Spektrum der Aufklärung zu positionieren. Dies gelingt, indem Martin Fontius diejenigen Traditionen nachzeichnet, die Friedrich II. an ältere, teils höfisch-absolutistische Ideale ('siècle de Louis XIV', 'honnête homme', 'république de lettres', das ältere Naturrecht) binden. Diese Bindungen verunmöglichten es ihm, mit der (französischen) Aufklärung Schritt zu halten, Spezialgelehrsamkeit oder etwa das cartesianische 'dubito' zu akzeptieren.

Stefan Lorenz zeigt sodann den Philosophenkönig bei der Arbeit, nämlich als Herausgeber eines Auszugs von Pierre Bayles Dictionnaire. Er erinnert dabei an Hindernisse, die aus der Höhe philosophiehistorischen Fragens leicht übersehen werden, etwa daran, dass der Teilzeitphilosoph Friedrich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse viele Werke nur aus französischen Übersetzungen (Chr. Wolff), Kommentaren und Zusammenfassungen (P. Gassendi) kannte. Lorenz führt des weiteren vor, wie Friedrich mitunter inkompatible Theoriestücke miteinander zu verbinden suchte und neue Entwicklungen (bis hin zu Kant) nicht rezipierte. So adaptiert er den Skeptizismus Pierre Bayles, ohne die Konsequenzen zu ziehen, d. h. etwa dem schon von Sextus Empiricus widerlegten physikotheologischen Gottesbeweis zu misstrauen. Cornelia Buschmanns Beitrag rekonstruiert die Antworten auf die Ende 1799 von der Berliner Akademie der Wissenschaften gestellte Preisfrage nach dem Einfluss Friedrichs II. auf die Aufklärung seines Jahrhunderts.

Sybille Badstübner-Gröger liest schließlich Friedrichs steinerne Hinterlassenschaft. Sie zeigt, in welcher Weise sich sein 'aufgeklärter Absolutismus' in den architektonischen Bildprogrammen der Oper 'Unter den Linden' und des Potsdamer 'Neuen Palais' einschrieb. Diese Spurensuche ist deshalb so spannend, weil sich der König bekanntermaßen zu Lebzeiten keine Denkmäler errichten lassen wollte. Was die Pflege des Nachruhms betreffe, wolle er sich, so schrieb er 1773 an Voltaire, auf die großen Schriftsteller verlassen. Dennoch: Badstübner-Gröger zeigt, wie sich Friedrich II. in Anlehnung an französische Vorbilder vor allem als (Pythischer) Apollo verewigte, als Sieger und als Beschützer der Künste zugleich. Apollo war, das legte Titon du Tillets bereits 1738 dem jungen Thronfolger dar, der mythologische Fluchtpunkt, in dem er sich mit Ludwig XIV. treffen konnte. Die Idee eines Parnaß dürfte dem jungen Preußenkönig ebenfalls aus der französischen Herrscherverehrung geläufig gewesen sein; sie taucht im Giebelprogramm der Oper wieder auf.

Hier, wie auch im Beitrag Peter Webers, geht es also mit ebenso starkem Gewicht auch um die Nähe und Abgrenzung zum Absolutismus. Weber rekonstruiert die Umformungen, die Friedrichs Rechtskodifikation seit seiner Kabinettsordre von 1780 erfuhr: Sie spiegeln sich nicht nur in den Veränderungen ihres Titels wieder, sondern auch in der Pragmatik der daran arbeitenden Gremien. Gerhard Knoll schließlich schildert die Probleme eines Verzeichnisses der bis ca. 1800 gedruckten Werke Friedrichs II. mit persönlichem Engagement und konkreten Zielen. Er mahnt, die von der französischen Forschung erbrachten Ergebnisse zu rezipieren: 41 Briefe, die Voltaire angeblich nach seiner Frankfurter Verhaftung an seine Nichte gesandte habe, wurden nachträglich verfasst. Das literarische Schaffen Friedrichs II. werde auch deshalb unterschätzt, weil es von den frühen Nachlassverwaltern "verschleudert und verbummelt" worden sei. Das neue Potsdamer Forschungszentrum für Europäische Aufklärung solle, wenn es denn mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werde, die literarischen und wissenschaftlichen Werke des Königs erstmals vollständig bearbeiten und herausgeben und bislang unterdrückte persönliche Korrespondenzen veröffentlichen.

Dies ist wünschenswert und überzeugt. Ob Friedrich II. aber, wie es Martin Fontius in seiner knappen Vorbemerkung erwartet, "früher oder später als ein Vertreter jener Spezies interessant werden könnte, nach der man heute vergeblich sucht - den europäischen Intellektuellen" -, bleibt zu bezweifeln. Rousseau gab schon 1758 mit einer Karrikatur des Preußenkönigs seine vernichtende Antwort: Er war "ein Mensch ohne Prinzipien, der jedes Menschenrecht mit Füßen tritt, der nicht an die Tugend glaubt, sondern sie als Köder betrachtet, mit dem man die Dummen täuscht und der seinen Machiavellismus begann, indem er Machiavelli widerlegte". Trotz der Tafelrunde von Sans-Souci, Voltaires Besuchen und des Königs literarischen Werkes: Vorrangig war Friedrichs Streben nach Ruhm. Auf dem Gebiet der Wissenschaft und Philosophie, um von der Poesie nicht erst zu sprechen, dilettierte er. Das zeigen die einzelnen Beiträge auf je eigene, beeindruckende Weise.

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