S. N. Kalyvas: The Logic of Violence in Civil War

Titel
The Logic of Violence in Civil War.


Autor(en)
Kalyvas, Stathis N.
Erschienen
Anzahl Seiten
485 S.
Preis
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Adamantios Skordos, Global and European Studies Institute i. G., Universität Leipzig

Stathis Kalyvas, aus dessen Feder das hier vorzustellende Buch stammt, hat in den letzten Jahren mit seiner Forschung über den griechischen Bürgerkrieg immer wieder für Aufruhr innerhalb der geschichts- und politikwissenschaftlichen Gemeinschaft Griechenlands gesorgt. Insbesondere entfachten sein im Jahr 2000 in Mark Mazowers herausgegebenen Sammelband After the war was over: Reconstructing the family, nation and state 1943-1960 (Princeton: University Press, 2000) erschienener Aufsatz über Red Terror: Leftist violence during the occupation sowie vor allem zwei darauf folgende Presseartikel in der großen Athener Tageszeitung Ta Nea mit den prägnanten Überschriften „Wer hat Angst vor der wissenschaftlichen Untersuchung unserer Geschichte?“ (8.11.2003) und „Neue Ansätze in der Forschung des Bürgerkriegs“ (zusammen mit Nikos Marantzidis, [20.3.2004]) regelrecht einen griechischen „Historikerstreit“. Damit widersetzte sich Kalyvas der seit der politischen Zäsur von 1974 dominierenden Erinnerungskultur über die Besatzungs- und Bürgerkriegsjahre, indem er durch die Hervorhebung der kommunistischen Gewalt nicht nur den manichäistischen Mythos der Metapoliteysi (Übergangsphase zur Demokratie und Konsolidierung letzterer) von „guten Kommunisten/Linken“, die dem „Weißen Terror“ der Rechten ausgesetzt gewesen seien, und „bösen Faschisten/Monarchisten“, die durch die Terrorisierung des demokratischen Lagers die Entfachung eines Bürgerkriegs angestrebt hätten, in Frage stellte; zugleich plädierte der an der Yale-Universität mit der Arnold Wolfers-Professur für politische Studien beauftragte Politikwissenschafter für eine Reihe von „Neuerungen“ in der Untersuchung des griechischen Bürgerkriegs: die Verlegung des Beginns des Bürgerkriegs von dem Jahr 1946 auf die letzte Periode der deutsch-italienisch-bulgarischen Besatzungszeit (1943-4), die Entideologisierung der bürgerkriegsbezogenen Forschung, die Untersuchung von tabuisierten Themen, wie etwa die Ursprünge für die an Zivilisten verübte Gewalt oder die Kollaboration von Griechen mit den Besatzungsmächten, die Kehrtwendung des wissenschaftlichen Interesses von dem „Allgemeinen“ zum „Partiellen“ und „Lokalen“ bzw. die Hervorhebung der Vielseitigkeit des Griechischen Bürgerkriegs mit seinen diversen politischen, sozialen, ethnischen und geographischen Dimensionen, die stärkere Berücksichtung von kultur- und sozialgeschichtlichen Forschungsmethoden und die Einbettung der militärischen Auseinandersetzung zwischen dem kommunistischen und bürgerlichen Lager Griechenlands in theoretische Erklärungsmuster der Bürgerkriegsforschung wie deren Vergleich mit anderen Bürgerkriegen.

Es waren hauptsächlich seine Vorschläge und Thesen zur Ausdehnung der Bürgerkriegsperiode nach „Hinten“ und zur Erforschung einer möglichen Kausalitätsbeziehung zwischen kommunistischer/linker Gewalt und der dadurch erzwungenen Zusammenarbeit eines Teils der (nicht-kommunistischen) Bevölkerung Griechenlands mit den Besatzern sowie der Vorwurf gegenüber bisherigen Arbeiten zum Griechischen Bürgerkrieg, ideologischen Verzerrungen linker Ausrichtung unterworfen zu sein, die Kalyvas und seine Forschung für längere Zeit zur Zielscheibe griechischer Wissenschaftler, Journalisten und Politiker machte. Die Kritik reichte von einer wissenschaftlich gut begründeten Gegenargumentation über hysterische Aufrufe, die vor einem „Neuerwachen“ des Antikommunismus der unmittelbaren Nachkriegszeit warnten, bis hin zu Schlägen, die deutlich unter der „wissenschaftlichen Gürtellinie“ lagen.

Die Kritik wiederum, die sich auf den Kern der Äußerungen Kalyvas’ konzentrierte, hob vor allem hervor, dass dessen Ansichten über den zeitlichen Beginn des Bürgerkriegs in Griechenland sowie die Entstehungsursachen der Kollaboration keineswegs „neue Ansätze“ der griechischen Bürgerkriegsforschung seien, sondern eine Rückkehr zu Positionen, die bis 1974 die „Grundpfeiler“ der antikommunistischen Meistererzählung des siegreichen Bürgertums dargestellt hätten. 1 Außerdem bemängelten seine Kritiker die „Leichfertigkeit“, mit der Kalyvas gewonnene Forschungsergebnisse aus einer einzigen Region Griechenlands (Präfektur Argolida/ Region von Peloponnes) auf das ganze Land übertrug sowie mit zentralen Begriffen für seine Forschungsarbeit umging; wie beispielsweise jenen des „Bürgerkriegs“, dessen sich der Politikwissenschaftler für nahezu jede militärische Auseinandersetzung innerhalb des griechischen Staatsterritoriums bediente. 2

Dieser Rückblick auf die „Intervention“ Kalyvas’ in die griechische Bürgerkriegsforschung mag auf den ersten Blick in Hinsicht auf ein Buch, das sich zum Ziel nicht die besondere Untersuchung des Griechischen Bürgerkriegs, sondern die der exzessiven Anwendung von Gewalt in Bürgerkriegen allgemein gesetzt hat, zunächst irrelevant erscheinen. Sie ist es aber nicht: Erstens, weil ein Fallbeispiel und zwei Kontrollgruppen aus dem Griechischen Bürgerkrieg die empirische Basis der hier zu besprechenden Monographie darstellen. Und zweitens, weil man beim Lesen des Buches mit den oben angesprochen Kritikpunkten immer wieder konfrontiert wird.

Die zentrale These der Studie Kalyvas’ lautet, dass die Gewalt in Bürgerkriegen zum großen Teil auch das Ergebnis des Versuchs der verfeindeten Lager ist, die Kontrolle über Territorium und darauf lebender Bevölkerung zu gewinnen bzw. zu sichern. Dennoch untersucht Kalyvas nicht Bürgerkriegsgewalt im Allgemeinen: Im Mittelpunkt des Interesses seiner Arbeit steht die Gewalt, die ausschließlich gegen „Zivilisten oder Nicht-Kämpfenden“ (noncombatants) vorsätzlich gerichtet ist, wobei der Autor zu den „Nicht-Kämpfenden“ auch jene einbezieht, die temporär an einer bewaffneten Gruppe partizipieren oder mit ihr kollaborieren. Kalyvas grenzt seinen Untersuchungsgegenstand weiterhin ein, indem er aus den verschiedensten Formen von Gewaltanwendung während eines Bürgerkriegs nur auf den „gewalttätigen Tod oder Mord“ (violent death or homicide) fokussiert – eine Entscheidung, die durchaus einleuchtend erscheint, berücksichtigt man die Tatsache, dass im Gegensatz zu anderen schwer messbaren Formen von Gewaltanwendung die Untersuchung von Morden quantitativ aussagekräftige Daten hervorbringt.

Weit weniger einschränkend geht dagegen Kalyvas in seinem Verständnis über Bürgerkrieg vor. Er bezeichnet in seinem ersten Kapitel (Concepts) jeden „innerhalb der Grenzen einer souveränen Einheit zwischen Lagern, die am Anfang der Auseinandersetzung der gleichen Autorität unterliegen, ausgetragenen bewaffneten Kampf“ als Bürgerkrieg (S. 17). Diese „erweiterte“ Bezeichnung führt ihn dazu, neben den „klassischen“ Bürgerkriegen (Spanien, Russland usw.) auch andere militärische Auseinandersetzungen, die „auf den ersten Blick“ nicht „bürgerkriegstauglich“ erscheinen, in die Kategorie einzubeziehen. Vor allem das Kernstück seiner empirischen Basis, anhand dem er seine theoretischen Überlegungen testet, stellt so einen Fall dar: Kalyvas versteht die während des Zweiten Weltkriegs zwischen deutscher Besatzungsmacht und griechischen Partisanen (kommunistischer/linker Ausrichtung) in der peloponnesischen Präfektur von Argolida ausgetragenen Guerillakämpfe als Bürgerkrieg bzw. als die erste Phase des in den Jahren von 1946 bis 1949 zwischen Kommunismus und Bürgertum militärisch ausgetragenen Machtkampfes, bekannt als der Griechische Bürgerkrieg. Leider macht sich der Autor nicht die Mühe zu erklären, wer in diesem Fall die „souveräne Einheit“ sein soll: das besetzte Griechenland, die griechischen Quisling-Regierungen oder die deutschen Okkupationskräfte? Gleichfalls diskussionsbedürftig ist, inwieweit die deutschen Wehrmachtssoldaten und die griechischen Partisanen bei Beginn ihrer Auseinandersetzungen der „gleichen Autorität“ unterlagen. Kalyvas verzichtet darauf, diese Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Die griechischen Kollaborateure der Deutschen, die so genannten Sicherheitsbataillonisten, oder andere nicht-kommunistische Gruppierungen tauchen in der empirischen Untersuchung Kalyvas’ als Gewalttäter nur ganz selten, wenn überhaupt, auf. Angesichts dieser fehlenden bzw. unreichenden Erklärungen hört sich der Anspruch Kalyvas’, mit seiner Untersuchung zum Besatzungsgriechenland „einen empirischen Beitrag zur Inklusion von Okkupationsbürgerkriegen in die Definition [von Bürgerkriegen]“ (S. 254) geleistet zu haben, sicher zu optimistisch an.

Werden vorerst diese Bedenken über die Inkompatibilität von Bürgerkriegsdefinition und angewendeten Beispielen beiseite gelegt, dann bleibt man von dem theoretischen und methodischen Handapparat, den Kalyvas in den Kapiteln zwei bis sieben seines Buches aufstellt, deutlich beeindruckt. Der Verfasser unterscheidet zwischen fünf häufig auftretenden Perspektivverzerrungen, die zu Fehlinterpretationen von Gewaltentstehung führen: Während die so genannte „parteiische Verzerrung“ (partisan bias) für die Erzeugung von polemischer Literatur verantwortlich ist, die Gewaltphänomene für die eine oder andere Bürgerkriegspartei propagandistisch auszuschlachten versucht, macht die entsprechende „politische“ (political bias) die Untersuchung von Bürgerkriegsgewalt deswegen so schwierig, weil sie öfters die Unterscheidung von friedlicher politischer Konkurrenz einerseits und bewaffneten Kampfes andererseits verhindert. Die „städtische Verzerrung“ (urban bias) bewegt wiederum Wissenschaftler, ihr Augenmerk vielmehr auf die Entwicklung des Bürgerkriegs in urbanen Zentren zu konzentrieren, statt Richtung Provinz, wo sich Kalyvas zufolge der Großteil von Gewaltanwendung in derartigen Auseinandersetzungen abspielt. Auf der anderen Seite, hält der Autor fest, verursachen Studien auf der Mikroebene ebenso Probleme für eine adäquate Annäherung von Bürgerkriegsgewalt, da diese aufgrund einer „selektiven Verzerrung“ dazu tendieren, Forschung an einem äußerst gewalttätigen Ort zu betreiben ohne dann ihre aus dem begrenzten Forschungsfeld gewonnenen Erkenntnisse mit entsprechenden aus weniger gewalttätigen zu vergleichen. Schließlich funktioniert laut Kalyvas in der Bürgerkriegsgewaltforschung die Tatsache erschwerend bzw. „perspektivverzerrend“, dass die den Wissenschaftlern zur Verfügung stehenden Indikatoren für politische Gewalt meistens „unzuverlässig und unter den verschiedenen Nationen und Zeitperioden uneinheitlich“ (S. 48) sind sowie unzureichende Informationen über Täter, Ort, Zeitpunkt und Opfer eines Gewaltakts geben – Forschungshindernisse, die der Autor unter der Bezeichnung „overaggregation bias und data problems“ zusammenfasst.

Die Kapitel vier bis sieben stellen dann den eigenen Beitrag Kalyvas’ zum besseren Verständnis von Gewaltentstehung gegen Zivilisten in Bürgerkriegen dar, wobei sich die ersten zwei auf Aspekte des irregulären Kriegs konzentrieren, während die anderen beiden das Phänomen der Gewalt als Kontrollmechanismus unter die Lupe nehmen. Konkret behandelt Kalyvas die essentielle Bedeutung, die für den Ausgang eines nicht konventionellen Krieges (wo in der Regel die Aufteilung von Territorium nicht klar markierte Grenzlinien aufweist, sondern eher einem unordentlichen Flickteppich gleicht) das Ergreifen von Partei seitens der Zivilbevölkerung für das eine oder das andere Lager hat. Dabei stellt er fest, dass politische Akteure in bürgerkriegsbedingten Situationen die „aktive“ bzw. militärische Kollaboration nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung bezwecken, die „passive“ dagegen von vielen, wenn möglich von allen Zivilisten verlangen; letztere soll dann auch exklusiv sein bzw. bleiben, also in keinem Zeitpunkt des Bürgerkriegs die Seiten wechseln.

Dass Kontrolle jetzt und nicht etwa, wie öfters angenommen, politische und soziale Präferenzen aus der Vorkriegskriegszeit der entscheidende Faktor für das Entstehen von Kollaboration ist, zeigt Kalyvas anhand mehreren Beispielen im fünften Kapitel (A theory of irregular war II). In diesem Zusammenhang spricht er die überragende Rolle an, die Gewaltanwendung auf Zivilbevölkerung bei der Herstellung und Etablierung von Kontrolle spielt – gerade dort, wo konventionelle militärische Ressourcen dafür nicht ausreichen. Für Kalyvas ist die Situation eindeutig: Der Wille des „durchschnittlichen“ Zivilisten zu überleben bzw. seine Angst, von der einen oder der anderen Bürgerkriegspartei ermordet zu werden, ist dermaßen groß, dass der Zivilist Ideologie, Kultur, Religion, Patriotismus etc. über Bord werfen und mit dem „Feind“ kooperieren wird, sobald Gewalt zu ihm durchdringt. Hat eine der beiden im Bürgerkrieg beteiligten Parteien, setzt Kalyvas fort, es tatsächlich geschafft, den Zivilisten das Angstgefühl einzujagen, falls sie nicht kooperieren sterben zu müssen, dann ist die Kontrolle über sie gewonnen. Die Frage, die sich daher für die verfeindeten Lager ergibt, ist, wie kann man nun am effizientesten dieses Angstgefühl unter der Zivilbevölkerung verbreiten: Durch eine „blinde“ oder „nicht diskriminierenden“ Gewaltanwendung, wie Kalyvas sie nennt, oder durch vereinzelte Schläge bzw. den Einsatz einer „selektiven Gewalt“?

In den beiden anschließenden Kapiteln (A logic of indiscriminate violence und A theory of selective violence), die das Kernstück der theoretischen Überlegungen Kalyvas’ bilden, untersucht er, unter welchen Bedingungen die eine oder die andere Form von Gewalt in Bürgerkriegen Anwendung findet und wie jede dabei funktioniert. Indem er auf eine große Quellenbasis zurückgreifen kann, dokumentiert Kalyvas die unter politischen und militärischen Akteuren herrschende Ansicht, dass sich in Zuständen eines irregulären Krieges, wo keine eindeutige Machtdominanz für eine der beiden Parteien existiert, selektive Gewaltanwendung sich viel wirksamer als nicht diskriminierende erprobt – vorausgesetzt natürlich das Ziel der Gewaltpraktizierung ist, die Zivilbevölkerung zu kontrollieren und nicht zu eliminieren.

Angesichts der beschriebenen Ineffizienz von nicht diskriminierender Gewalt, erscheint die anschließende Frage Kalyvas’ nach deren häufigen Anwendung völlig berechtigt. Seine gut begründete Antwort weist im Wesentlichen auf zwei Faktoren hin, die politische und militärische Akteure veranlassen, blinde Gewalt gegen Zivilisten anzuwenden, obwohl sie sich ihrer eventuellen kontraproduktiven Wirkung gut bewusst sind: zum einen der logistische und ökonomische Aufwand, der hinter der Errichtung eines zur Praktizierung von selektiver Gewalt nötigen Informationsmechanismus steckt, zum anderen die fehlende Koordination bei verschiedenen militärischen Institutionen und Einheiten. Schließlich stellt Kalyvas in seinen theoretischen Überlegungen hinsichtlich der nicht diskriminierenden Gewalt die These auf, dass politische Akteure in Bürgerkriegen wohl mit letzterer Form von Gewaltanwendung beginnen, dann jedoch im Laufe der militärischen Auseinandersetzung immer mehr auf die effizientere Methode der selektiven Gewalt übergreifen werden. Im nächsten Kapitel seiner Arbeit stellt der Verfasser „eine Theorie über selektive Gewalt“ auf.

Seine Theorie basiert vor allem auf der grundlegenden Erkenntnis, dass die Denunziation unter Zivilisten für das systematische Ausüben von selektiver Gewalt nahezu unentbehrlich ist. In diesem Zusammenhang untersucht Kalyvas, was die Menschen in einer Bürgerkriegssituation dazu treibt, ihren Nachbarn, Bekannten, ja sogar Verwandten den Gewalttätern als „Feind“ oder „Verräter“ auszuhändigen; dabei differenziert er zwischen „ideologischen“ und „bösartigen“ Motiven (z. B. alte Streitigkeiten, Neid, Eifersucht, finanzielle Vorteile usw.). Kalyvas setzt anschließend seine theoretischen Überlegungen fort, indem er die für Gewalttäter aufkommenden Probleme bei der Ausübung von selektiver Gewalt dokumentiert – Probleme, die meistens aus dem Denunzieren von „Unschuldigen“ und der Unfähigkeit der politischen Akteure, dies zu erkennen, resultieren. Auch wenn sie nicht immer die „Richtigen“ trifft, meint Kalyvas resümierend, kann dennoch die selektive Gewalt ihre Abschreckungsfunktion wirksam ausüben. Notwendige Voraussetzung allerdings dafür sei, dass die Zivilbevölkerung die Vorstellung habe, es finde bei der Gewaltanwendung irgendeine Selektion statt.

Insgesamt kann die Studie Kalyvas’ zur „Logik von Gewalt im Bürgerkrieg“ als ein geglückter Versuch bezeichnet werden, phasenweise stellt sie sogar ein theoretisches und methodisches Meisterwerk dar. Vor allem sind die Menge und Diversität der Sekundärliteratur, die Kalyvas zum Aufbau seiner Theorie heranzieht, sowie ihre Ausarbeitung positiv hervorzuheben. Nicht weniger als siebenundsechzig Konflikte – von dem Peloponnesischen Krieg zwischen den alten Athenern und Spartanern vier Jahrhunderte v. Chr. und den amerikanischen Freiheits- und Bürgerkriegen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts bis hin zum Jugoslawienkrieg der 1990er Jahre – werden während seiner theoretischen Überlegungen als unterstützende Beispiele für die eine oder die andere Position, die er einnimmt, aufgegriffen, und dies meistens in einer ebenso überzeugenden wie spannenden Art und Weise.

Die „Grauzonen“ dieser Monographie sind wiederum nicht viele, dennoch schwer zu übersehen. Erstens, sieht man sich in einer Reihe von Kalyvas angegebenen Fallbeispielen immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob es sich hier tatsächlich um Bürgerkrieg handelt. Neben dem bereits besagten Fall des im Besatzungsgriechenland zwischen deutschen Wehrmachtssoldaten und kommunistischen/linken Partisanen ausgetragenen Guerillakriegs, den Kalyvas in einen Bürgerkrieg umtauft, stechen als besonders „fragwürdige“ Bürgerkriegsituationen, die deutsche Okkupation in der sowjetischen Ukraine, der Vietnam-Krieg oder gar die US-amerikanische Besatzung in Afghanistan und Irak heraus. Meines Erachtens wäre ein Ersatz des Begriffs „Bürgerkrieg“ durch „irregulären Krieg“, und zwar sowohl im Titel als auch in den Fragestellungen und Zielsetzungen der Monographie angebracht. Und zweitens, hinterlässt das Buch ein merkwürdiges Gefühl, was die angestrebte Lesergruppe betrifft. Auch als unvoreingenommener Leser kommt man nur schwer vom Eindruck weg, dass die Studie Kalyvas’ (in einer gekürzten Form) auch als Kompendium für (die US-amerikanischen) Militärschulen genutzt werden könnte – möglicherweise unter dem Titel „Besetzung fremden Territoriums: Kontrolle durch selektive Gewaltanwendung sichern“.

Anmerkungen:
1 Nikolakopoulos, Ilias, I „kokkini via“ kai o eksagnismos ton dosilogon, in: Ta Nea, 22.5.2204, http://www.tanea.gr/Article.aspx?d=20041002&nid=43575567556 (12.9.2007).
2 Ebd.; Panourgia, Neni, O „Agios Velouchiotis“ kai oi...amoiroi tagmatasfalites, in: Ta Nea, 2.10.2004, http://www.tanea.gr/Article.aspx?d=20041002&nid=43575567556 (12.9.2007).

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