N. Partner u.a. (Hrsg.): The Sage Handbook of Historical Theory

Cover
Titel
The Sage Handbook of Historical Theory.


Herausgeber
Partner, Nancy; Foot, Sarah
Erschienen
Anzahl Seiten
527 S.
Preis
$ 150.00 / € 120,33
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Haas, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte, Georg-August-Universität Göttingen

Das von Sage in London in ihrer erfolgreichen Handbuchreihe herausgegebene Überblickswerk zur Geschichtstheorie vereint 29 Artikel, die den aktuellen Stand geschichtstheoretischer Reflexion ebenso wie die wichtigsten Stationen ihrer Entwicklung darstellen wollen. Die Beiträge wurden von einem internationalen und hervorragend qualifizierten Autorenteam verfasst. Der Schwerpunkt liegt dabei deutlich in der Gegenwart: Postmoderne als umbrella term gegenwärtiger Debatten wird dabei selbstverständlich vorausgesetzt.

Das Werk ist in drei Teile gegliedert. In einem ersten werden die Rahmentheoreme, Diskurse und Schulen benannt, die die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin ausmachen. Der erste Teilabschnitt mit sechs Artikeln unter der Überschrift „Modernity and History. The professional disciplin“ behandelt den langen Weg der Szientifizierung der Geschichte vom 19. Jahrhundert bis in die 1960/70er-Jahre. Der erste Beitrag behandelt unter dem Untertitel „Historians delivering untheorized Truth“ die Übergangsphase der Entwicklung der Geschichtsschreibung zu einer Wissenschaft (Michael Bentley). Die weiteren Beiträge behandeln die Entstehung des Empirizismus (Lutz Raphael), den Beitrag Collingwoods (Jan van der Dussen), die Reformen der Annales-Schule (Joseph Tendler) sowie die Entwicklungen der Intellectual History (Donald R. Kelley) und der Sozialgeschichte (Brian Lewis).

In einem zweiten Abschnitt des ersten Teils folgen sieben Beiträge, die sich unter der Überschrift „Postmodernism“ dem Linguistic und dem Narrative Turn widmen. Zwei Artikel von Robert Doran und Kalle Pihlainen behandeln Hayden White. Robert M. Stein stellt Derridas Beitrag zur Geschichtstheorie dar, Claire O’Farrell Foucaults diskursanalytischen Ansatz. Ann Rigney und Hans Kellner widmen sich der Narrativitätsdiskussion im Allgemeinen, und Ann Curthoys diskutiert zusammen mit John Docker die Grenzen zwischen Fiktion und wissenschaftlichem Text.

Der zweite Teil widmet sich in zehn Artikeln der Theoriebildung in besonders theorieaffinen Teilbereichen des historiographischen Diskurses. Dabei werden die neusten sozialhistorischen Ansätze (Brian Lewis), die feministische Geschichtswissenschaft (Judith P. Zinsser), die Genderkategorie (Bonnie Smith und Karen Harvey), das Thema Sexualität (Amy Richlin), der Einfluss der Psychoanalyse (Michael Roper), neue nationale Narrative (Kevin Foster), Cultural Studies in ihrem Verhältnis zur Geschichtswissenschaft (Gilbert B. Rodman), die Kategorie Erinnerung (Patrick H. Hutton) sowie der Einfluss der Postkolonialen Theorie auf die Geschichtswissenschaft (Benjamin Zachariah) behandelt.

Ein abschließender dritter Teil gilt der Frage, was nach der Postmoderne zu erwarten sei: John H. Zammito diskutiert den post-positivistischen Realismus und fragt, wie die Kategorie „Repräsentation“, die in einer poststrukturalistisch gegründeten Betrachtungsweise nicht mehr sinnvoll zu thematisieren war, neu gedacht werden kann. Frank Ankersmit behandelt wie schon öfters in seinen Arbeiten die Möglichkeit, historische Erfahrungen jenseits des Linguistic Turn und damit nicht nur als Konstrukte, sondern als reale Erlebnisse zu thematisieren. Judith Keilbach beschäftigt sich mit Photographie. Valerie Johnson und David Thomas behandeln das Digitale als kulturelle Revolution, dessen Auswirkungen auf die Geschichtswissenschaft sie als Paradigmenwechsel beschreiben. David Gary Shaw erörtert die Frage, wie nach der Dekonstruktion dem Individuum noch eine Agency zugeschrieben werden könne, und findet die Antwort in einer Rückkehr zur Aristotelischen Erzähltheorie. Nancy Partner folgt in ihrem den Band abschließenden Beitrag diesem Pfad und thematisiert Aristoteles Erzähltheorie als Ursprung der postmodernen Geschichtswissenschaft.

Der vorliegende Band ist keine Einführung in die Geschichtstheorie im Sinne einer Darstellung der Themen, Denkmethoden, Fragen und Probleme der Disziplin. Insofern setzt er einen informierten Leser bzw. eine Leserin voraus, der bzw. die bereits eine Vorstellung von Geschichtswissenschaft und deren alltäglichen Problemen bei der Wissensgenerierung hat. Damit ist er für Studienanfänger nur bedingt geeignet, was aber auch nicht sein Anspruch ist. Allen anderen bietet er einen hervorragenden Überblick über zentrale Basiskategorien sowie aktuelle Fragestellungen und Diskurse der Geschichtstheorie. Dabei thematisiert er diese nicht als einen randständigen Teilbereich, an dem metatheoretische Fragen besprochen werden, sondern verdeutlicht, wie intensiv heute Fragen der Theoriebildung mit jenen der empirischen Forschung zusammenhängen. Positiverweise hält er sich auch nicht lange damit auf, die Legitimität der Fragestellungen und Diskurse, die die vergangenen zwanzig Jahre geprägt haben, gegen klassische Ansätze zu verteidigen, sondern fokussiert darauf, was nach den Cultural Turns kommen könnte.

Das zweispaltig gedruckte Werk lässt sich leicht lesen. Alle Artikel sind mit Unterüberschriften transparent strukturiert, und umfangreiche Anmerkungsapparate helfen dabei, sich weiterführend mit einer Thematik zu beschäftigen. Ohne einzelne Artikel herausheben zu wollen, haben die Beiträge trotz gewisser Unterschiede eine gleichmäßig hohe Qualität. Sie halten eine Balance zwischen berichtend-einführendem und argumentativ-weiterführendem Reflexionsstil. Die Frage, ob wichtige Teile der internationalen Diskussion fehlen, ob man dem Film einen eigenen Artikel hätte widmen sollen oder die Wissensgeschichte von der Historischen Epistemologie bis zur Akteur-Netzwerk-Theorie hätte berücksichtigen müssen, sind müßig. Mit 500 Seiten erhält man einen umfassenden Überblick und eine sehr gute Einführung in die Thematik, die nicht nur informativ, sondern auch spannend und unterhaltsam zu lesen ist. Ganz sicher darf es international zu den besten Werken zur Einführung in die aktuelle Geschichtstheorie gezählt werden. Das Buch kann allen nachhaltig empfohlen werden, die sich in den aktuellen Stand der Geschichtstheorie einlesen und mit der die empirische Forschung leitenden Theoriebildung beschäftigen wollen.

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