K. Vössing: Das Königreich der Vandalen

Cover
Titel
Das Königreich der Vandalen. Geiserichs Herrschaft und Imperium Romanum


Autor(en)
Vössing, Konrad
Erschienen
Anzahl Seiten
208 S.
Preis
€ 24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Krautschick, Berlin

Mit Beginn des 3. Jahrtausends hat – innerhalb des schon länger anhaltenden Diskurses zu den gentes der ‚Völkerwanderungszeit‘ – ein regelrechter Ansturm auf die vandalische Geschichte eingesetzt.1 Ausgewiesen vornehmlich durch diverse Beiträge insbesondere zu Literaten im afrikanischen Vandalenreich, reiht sich Konrad Vössing mit seinem Buch zum Königreich der Vandalen in die Bemühungen um eine neuere umfassende Darstellung ein.2

Vössing hält sich, ohne sie zu ignorieren, nicht mit Diskussionen um ‚Ethnogenese‘, Sakral- und Heerkönigtum, ‚Integration‘ und die Niederlassungsmodalitäten von Germanen auf römischem Boden auf (ob Abtretung von Steueranteilen oder Enteignung zu erblichem Eigentum) und betont stärker als andere Autoren, was wir nicht wissen. Mehrfach warnt er davor, den König vom Adel zu sehr zu trennen (S. 29 et passim) und verweist auf kontingente Umstände, die die Vandalen mehrmals vor der Vernichtung bewahrten, wählt vereinzelt sogar das Wort ‚Zufall‘. Vössing konzentriert sich auf sein Thema, wie der Untertitel des Buches besagt, das Königtum und die Behauptung des Vandalenreichs im Machtgefüge des Imperium Romanum. Folgerichtig beginnt – nach einem kurzen Rückgriff auf die Vorgeschichte – die Darstellung erst mit dem Rheinübergang von Vandalen, Alanen und Sueben 406; auch die dreijährigen Plünderungszüge der Vandalen in Gallien erfahren keine eingehende Behandlung. Mit dem Pyrenäenübergang, der Überfahrt nach Afrika sowie der Eroberung und Niederlassung in den Kernprovinzen des römischen Nordafrika rücken neben der Ereignisgeschichte dann zunehmend die in den zentralen Kapiteln des Buches behandelte innere Gestaltung des Königreichs sowie seine Beziehungen zu den Kaiserhöfen im Westen und Osten des Römischen Reiches in den Mittelpunkt.

Die Entwicklung zum staatsgründenden und -tragenden Königtum vollzieht sich schrittweise. Ein erster Schritt war die Aufteilung mehrerer Provinzen auf der iberischen Halbinsel zwischen Alanen, Sueben, Hasdingen und den hier erstmals bezeugten Silingen – nach Vössing entsprechend ihrem Stärkeverhältnis und ohne Föderatenvertrag. Der nächste Schritt bestand in der Wirkung der Reaktion der weströmischen Machtzentrale in Ravenna, die nach Überwindung der Schwierigkeiten mit Usurpatoren und den bedrohlicheren Westgoten letztere nach Spanien verwies, die dort Alanen und Silingen nahezu vernichteten, deren Reste sich dem hasdingischen König unterstellten, der sich nun den allerdings erst später überlieferten Titel eines rex Vandalorum et Alanorum beilegte. „Binnen zweier Jahre hatten also die Goten, ohne es zu wollen, mit Gewalt einen vandalisch-alanischen Großstamm geschaffen“ (S. 25). Ein weiterer wesentlicher Punkt während des zwanzigjährigen Spanienaufenthalts war die Annahme des ‚arianischen‘ Christentums durch die Vandalen, auch wenn über die Umstände so gut wie nichts bekannt ist; plötzlich erscheint in den Quellen die Bibel als Schlachtenhelfer, woraus Vössing auf einen Religionswechsel von Königshaus und Oberschicht zu einer Zeit schließt, als die Vandalen erneut militärisch und diesmal wieder unter römischem Befehl bedrängt wurden. Unter diesem Druck seien die Vandalen dann 429, ein Jahr nach Geiserichs Regierungsübernahme, nach Afrika ausgewichen.

Die nächsten Etappen markieren drei Verträge: zwei mit Ravenna im Jahr 435, in dem den Vandalen nach ihrem Zug durch den Maghreb und dem militärischen Patt Siedlungsland in Numidien zugestanden wurde, und im Jahr 442, in dem ihnen nach der Einnahme Karthagos die Kornkammer Roms nebst den großen westlichen Mittelmeerinseln abgetreten werden musste, sowie der dauernde Friedensschluss mit Konstantinopel von 474, mit dem erstmals auf römischem Boden vom Kaiser die staatliche Unabhängigkeit der Vandalen anerkannt werden musste. Die Ansiedlung der Vandalen erfolgte eindeutig nicht nach dem Hospitalitätsgrundsatz, sondern durch Enteignung und Übernahme von Grund, Boden, Haus, Hof und Arbeitskräften in einem geschlossenen Bereich um die Hauptstadt Karthago auf den sortes Vandalorum nach der Vernichtung der römischen Kataster. Die Vandalen wurden dabei, so Vössing, wohl nach den ursprünglich militärischen Verbänden der Tausendschaften angesiedelt, wobei sich eine dreistufige soziale Schichtung erschließen lässt. Diesen Gruppen zuzuordnen wäre auch der ‚arianische‘ Klerus, dessen Förderung unter wiederholter Unterdrückung der katholischen Kirche die Distinktion von Romanen und Imperium verstärkte.

Ebenso bewusst war die noch von Geiserich inaugurierte Politik der Destabilisierung des Westreichs angelegt, deren Zeichen – nicht Ausdruck vandalischer Seemacht – die ständigen Kaperfahrten waren, die im sacco di Roma Geiserichs 455 kulminierten. Diese Politik sicherte dem Vandalenkönig die Einflussnahme auf die Reichspolitik, trug aber wesentlich zum ‚Untergang Roms‘ bei. Der Schilderung der weiteren Entwicklung des Vandalenreichs – mit besonderem Augenmerk auf die reichs- und katholikenfreundlichere Politik Hunerichs und Hilderichs und deren Scheitern – bis zum Untergang schließt sich ein Kapitel über denkbare Perspektiven des Vandalenreichs an, in dem Vössing die zentrale These seines Buches noch einmal zusammenfasst (S. 143): Die Vandalen haben unter Geiserich – kompromissloser und weiter entfernt von ihren Herkunftsgebieten als andere gentes – rücksichtslos ein Königreich auf Reichsboden in scharfer Abgrenzung von der zahlenmäßig weit überlegenen romanischen Bevölkerung ins Leben gerufen; darin lag anfangs ihre Stärke und letztlich ihre Schwäche. Und natürlich „darf abschließend ein kurzer Blick auf das Schicksal der Bezeichnung ‚Vandalen‘ in der Neuzeit nicht fehlen“ (S. 10).

Mehrere Abbildungen – weit überwiegend Karten – veranschaulichen die Ausführungen. Ergänzt wird das Buch durch eine Zeittafel, einen Namens- und Ortsindex, eine Quellenliste mit „Kurzbeschreibung der Autoren“3 sowie ein umfassendes und aktuelles Literaturverzeichnis; Quellen-, Literatur- und häufige Querverweise sowie weitgehend auch Detailerörterungen und Exkurse sind in die kompakten Anmerkungen verwiesen. Leider fallen gerade gegen Ende des Buches einige Kurztitel auf, die im Literaturverzeichnis nicht aufgelöst und wohl nur Fachhistorikern bekannt sind.4

Insgesamt entwirft Vössing bedacht, konsequent und überzeugend ein in sich stimmiges Bild von Geschichte und Königtum der Vandalen. Er scheut sich nicht, Lücken in der Überlieferung argumentativ in Abwägung von Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten zu füllen, erliegt dabei aber nicht der Gefahr, darauf aufbauende weitergehende Spekulationen anzustellen. Dankenswerterweise ist es ihm ebenfalls gelungen, seinen einleitend formulierten Ehrgeiz einzulösen, auch zu begründen, nicht nur festzustellen und auf Quellen- und Forschungsprobleme einzugehen, ohne auf eine lesbare Darstellung zu verzichten. Es bleibt zu wünschen, dass sein Buch Früchte trägt.

Anmerkung:
1 Vgl. die Kolloquien im Jahr 2000 in Tunis und 2001 in Paris, dazu Philipp von Rummel, Zum Stand der afrikanischen Vandalenforschung nach den Kolloquien in Tunis und Paris, in: Antiquité Tardive 11 (2003), S. 13–20 (die Beiträge finden sich in diesem Band der Antiquité Tardive und dem zuvor), und die Ausstellungen im Museum Vandalorum in Värnamo (2001), in Lubin, Zamość, auf Schloss Bevern (2003) sowie in Karlsruhe (2009).
2 Bislang liegt vor: Helmut Castritius, Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Stuttgart 2007; angekündigt sind Darstellungen von Roland Steinacher („Die Vandalen“, Stuttgart 2014) sowie seit langem von Frank M. Clover („Roman Politics and the Vandals“; vgl. A Book in Progress, in: Antiquité Tardive 10, 2002, S. 73f.).
3 Anzumerken ist, dass die Gleichsetzung des Autors Jordanes mit dem gleichnamigen Bischof von Croton (S. 189) keinesfalls Konsens ist.
4 Gemeint sein dürften: S. 185, Anm 17 zu S. 143: Horst Wolfgang Böhme, Migrantenschicksale. Die Integration der Germanen im spätantiken Gallien, in: Theo Kölzer / Rudolf Schieffer (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter, Ostfildern 2009, S. 35–59; S. 185, Anm. 14 zu S. 142: Charles Diehl, L’Afrique byzantine. Histoire de la domination byzantine en Afrique (533–709), Bd. 2, Paris 1896; S. 182, Anm. 77 zu S. 132: James Allan Evans, The Age of Justinian. The Circumstances of Imperial Power, London 1996; S. 181, Anm. 58 zu S. 129: Wolfgang Kaiser, Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze, München 2007; S. 169, Anm. 14 zu S. 78: Walter Pohl (Hrsg.), Kingdoms of the Empire. The Integration of Barbarians in Late Antiquity, Leiden 1997.

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