C. Gastgeber (Hrsg.): Pour l’amour de Byzance – Hommage à Paolo Odorico

Cover
Titel
Pour l'amour de Byzance. Hommage à Paolo Odorico


Herausgeber
Gastgeber, Christian; Messis, Charis; Mureşan, Dan Ioan; Ronconi, Filippo
Reihe
Eastern and Central European Studies 3
Erschienen
Frankfurt am Main 2013: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
250 S.
Preis
€ 46.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Grünbart, Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Der vorliegende Sammelband ist Paolo Odorico, directeur d’études an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) in Paris, zum 60. Geburtstag gewidmet; der Gefeierte hat sich in den letzten Jahren mit bewundernswerter Energie bemüht, Studierende der Byzantinistik und verwandter Fächer aus ganz Europa in Summer Schools an verschiedenen Orten in Griechenland Tendenzen in der byzantinistischen Forschung zu vermitteln. Der hier vorliegende Band scheint aus der letzten, in Thessalonike im Jahre 2012 abgehaltenen Sommerschule erwachsen zu sein. In einem knappen Vorwort wird der Gefeierte gewürdigt (S. 5–8). Die alphabetisch nach Autorinnen und Autoren geordneten Beiträge lassen sich in die Bereiche ‚Literatur‘, ‚Textüberlieferung / Hilfswissenschaften‘, ‚Kulturgeschichte‘ und ‚Politische Geschichte‘ einteilen. Im Folgenden werden die Beiträge dementsprechend gruppiert behandelt (siehe hierzu das Inhaltsverzeichnis).

‚Literatur‘: Kristoffel Demoen, der das Genter Projekt „Book Epigrams from Medieval Greek Manuscripts“ leitet, weist auf die Wichtigkeit der Betrachtung von Texten in margine hin, die oft Aufschlüsse über Autoren und die Genese und Komposition von Handschriften zulassen. Oft können persönliche Dichtungen am Rande von kopierten Texten nachgewiesen werden, wie Demoen dies anhand eines Beispiels aus dem Vat. Reg. Gr. 99 (XV) vorführt. Stephanos Efthymiadis untersucht den Einbau klassischer Reminiszenzen im literarischen Œuvre bei Photios, Kaiser Leon VI. und Arethas von Kaisareia, alles Autoren um das Jahr 900. Es handelt sich dabei – wie schon öfter angedeutet – nicht um bloßes Zitieren und Tradieren, sondern um sorgfältiges Einpassen in ein Textambiente. Rücksicht genommen wird auch auf das Genre, wobei mit den paganen exempla Nuancen von Ironie bis Kritik moduliert werden können. Caroline Macé widmet sich dem Motiv von Alpheus und Arethusa, welches schon bei Pindar auftritt, bei Stobaios zu finden ist und weiter bei Gregor von Nazianz, Nonnos von Panopolis, Skylitzes und Eustathios von Thessalonike belegt ist. Stratis Papaioannou diskutiert die rhetorische Ausgestaltung des Geschichtswerks von Michael Attaleiates. Dieser präsentiert sich als Augenzeuge. Der unterlegene Kaiser Romanos IV. Diogenes (1068–1071) wird märtyrergleich und den hagiographischen Vorbildern entsprechend dargestellt. Papaioannou kann nachweisen, dass bei Attaleiates besonders die sogenannten liturgischen Homilien des Gregor von Nazianz zitiert werden, die ab dem 10. Jahrhundert in einer eigenen Kompilation kursierten und an den hohen Festtagen verlesen wurden. Diether Roderich Reinsch präsentiert Textstellen aus der Alexias der Anna Komnene, an denen sich byzantinischer Humor fassen lässt. Denn auch bei der Tochter Alexios’ I. Komnenos findet man ironische Passagen, die teilweise auch noch den modernen Geschmack treffen, wenn etwa ein zwerghaft kleiner Petschenege einen riesengroßen Normannen gefangen abführt und dem Kaiser zum Amusement präsentiert oder wenn ein lateinischer Priester während des Ersten Kreuzzuges sich an Kampfhandlungen beteiligt und Brote zu werfen beginnt. Anders als Niketas Choniates, der um 1200 sein Geschichtswerk verfasste und sich gesteigert sarkastischer Personenzeichnungen bedient, spart Anna bei der Beschreibung ihres kaiserlichen Vaters (und Protagonisten des Werkes) mit komischen Bemerkungen.

‚Textüberlieferung / Hilfswissenschaften‘: Daniele Bianconi und Paul Canart stellen eine vatikanische Handschrift vor (datiert 1295–1305; möglicherweise 1295/6) und weisen sie dem Kopisten Michael Lulludes zu, der den Hauptteil des Dokuments geschrieben hat (fol. 4r–91v); die Handschrift enthält die griechischen Übersetzungen der Disticha Catonis, der Vita Boethii und De Consolatione philosophiae durch den Gelehrten Maximos Planudes. Inmaculada Pérez Martin beschäftigt sich mit einem griechischen illustrierten Stundenbuch aus der spätbyzantinischen Zeit und behandelt die Vision des Pachomios exemplarisch. Der unlängst verstorbene byzantinische Rechtshistoriker Konstantinos Pitsakis diskutiert ein Bleisiegel (Sofia, Nationalmuseum, Inv. 86) des Ioannes, Bischof von Belebusdion (Küstendil an der Strumitza), allerdings ohne eine Abbildung beizufügen.

‚Kulturgeschichte‘: Béatrice Caseau untersucht Riten im byzantinischen Alltag, die auf Reinheitsvorschriften der Heiligen Schrift fußen. Dies betrifft etwa alltägliche Essensregeln, die auf Bestimmungen des Alten Testaments zurückzuführen sind. So wird bei der Fleischkonsumation der Verzehr von Pferdefleisch als barbarisch angesehen (wie die Petschenegen das täten). Vor allem durch den Kontakt mit den lateinischen Kreuzfahrern werden den Byzantinern im 12. und 13. Jahrhundert kulturelle Unterschiede – begründet auf den Ernährungsgewohnheiten – stärker bewusst (z.B. das Ausbluten-Lassen der geschlachteten Tiere). Jean-Claude Cheynet widmet sich der Frage, wie sich Kaiser und Kirche zur nicht militärischen Konfliktlösung verhielten. Marie Hélène Congourdeau wendet sich einem der wichtigsten Texte zur Finanzgeschichte in Byzanz zu: Nikolaos Kabasilas (ca. 1320 – nach 1391) setzte sich mit dem Zinsnehmen auseinander.

‚Politische Geschichte‘: Mario Gallina interpretiert den Zweiten Kreuzzug hinsichtlich der Begegnungen zwischen lateinischen Kreuzfahrern und byzantinischen Gegenübern.1 Anthony Kaldellis geht der Frage nach, wieso die Mutter Gottes, eine friedfertige Figur, zu einer als Feldherrin verehrten Heiligen mutierte. Kaldellis merkt an, dass gerade in den Zeiten, wo kaiserliche Präsenz in der Hauptstadt fehlte, die Theotokos die konstantinopolitanischen Patriarchen unterstützte und gleichsam die Rolle der Göttin Athene übernahm. Dies war in den Jahren 626 (Patriarch Sergios / Kaiser Herakleios) und 860 (Patriarch Photios / Kaiser Michael III.) der Fall. Allerdings entwickelte sich dieser Habitus weiter, als etwa Kaiser Romanos I. Lakapenos (920–944) bei der Bedrohung durch den Bulgarenherrscher Simeon Reliquien der Mutter Gottes umlegte, um so spirituell gerüstet, dem Feind von außen zu trotzen. Der Kaiser usurpierte gleichsam die dem geistlichen Oberhaupt zustehenden Kompetenzen. Juan Signes Codoñer gibt mit seiner prosopographischen und quellenkritischen Studie zu dem byzantinischen Militär Manuels gleichsam einen Vorgeschmack auf sein demnächst erscheinendes Buch zu Theophilos, dem letzten Kaiser der ikonoklastischen Periode. Christine Angelidi widmet sich dem Eunuchen Basileios Lakapenos, dem mächtigsten Mann am Kaiserhof in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Ioan-Aurel Pop untersucht die Familie des Matthias Corvinus und stützt sich auch auf griechische Quellen. Alexandru Simon steuert eine Notiz zu den Ehen des Vlad III. Drăculea bei – diese beiden Beiträge lassen kaum mehr einen Bezug zu Byzanz erkennen.

Insgesamt liegt mit diesem Sammelband eine satura lanx im besten Sinne des Wortes vor, wobei auf ein Schriftenverzeichnis des Geehrten verzichtet wurde. Auch ein Index, der die Beiträge verbunden hätte, fehlt. Die Beiträge sind zum überwiegenden Teil sorgfältig redigiert, doch bleibt beim Rezipienten ein Bild der Inhomogenität und Beliebigkeit der Zusammenstellung.

Anmerkung:
1 Man vermisst die grundlegende Arbeit von Jan Niederkorn, Die Bündnisverhandlungen König Konrads III. mit Johannes II. Komnenos, in: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 51 (2001), S. 189–198. Ärgerlich ist bei diesem Beitrag der Mangel an sorgfältiger Redaktion: Man entdeckt fast in jeder zweiten Fußnote einen Druckfehler.