H. Hauben u.a. (Hrsg.): The Age of the Successors

Cover
Titel
The Age of the Successors and the Creation of the Hellenistic Kingdoms (323–276 B.C.).


Herausgeber
Hauben, Hans; Meeus, Alexander
Reihe
Studia hellenistica 53
Erschienen
Anzahl Seiten
XVI, 733 S.
Preis
€ 105,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
André Heller, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Der hier anzuzeigende Sammelband publiziert die Vorträge einer vom 25. bis zum 27. September 2008 in Brüssel und Leiden veranstalteten Konferenz zu den Nachfolgern Alexanders des Großen. Trotz der beinahe acht Jahre zwischen Tagung und Veröffentlichung sind die Beiträge hinsichtlich der Forschungsliteratur auf dem neuesten Stand. Die 24 Aufsätze sind in sieben Sektionen unterteilt: „Literary Sources for the History of the Successors“, „Archaeology, Art and Numismatics“, „The Ambitions of the Successors“, „Legitimation, State-Building and the Native Peoples“, „War and the Military“, „Social and Religious Aspects of the Age of the Successors“ und „The Successors and the Cities“. In den letzten Jahrzehnten hat die Zeit der Diadochen und des Hellenismus allgemein verstärkt das Interesse der Forschung gefunden. Dennoch fehlt bis heute eine moderne Gesamtdarstellung zum Seleukidenreich, während es an Monographien zum Ptolemäerreich nicht mangelt. Dieses Übergewicht der Ptolemäer wird auch durch diesen Band eindrücklich bestätigt, in dem sieben Beiträge einen Bezug zu Ägypten oder Ptolemaios I. aufweisen. Im Folgenden werden einige Aufsätze mit ihren Ergebnissen kurz referiert.

Das chronologische Gerüst der Jahrzehnte nach Alexanders Tod ist umstritten1, weil die Hauptquelle, Diodors Bücher 18–20, in mehrerlei Hinsicht problematisch ist. So verwundert es nicht, dass sich gleich drei Beiträge mit diesem Autor beschäftigen: Francesca Landucci Gattinoni („Diodorus XVIII 39.1–7 and Antipatros’ Settlement at Triparadeisos“, S. 34–48) argumentiert gegen die Annahme einer Lücke in den Kapiteln 29–39 des 18. Buches und führt das Fehlen der Ereignisse auf Antigonos’ Marsch von Triparadeisos nach Europa auf eine bewusste Entscheidung Diodors bzw. seiner Quelle zurück. Die genau entgegengesetzte Position nimmt Brian Sheridan („The Strange Case of the Missing Archons“, S. 115–133) ein. Michael Rathmann untersucht in „Diodor und seine Quellen“ (S. 49–113) dessen Arbeitstechnik und versucht, ihm so den Stellenwert als ernstzunehmenden Historiker zu verschaffen, so „dass man die Bibliothéke nicht wie bisher als reinen Materialsteinbruch, sondern als geschlossenes Werk auffassen sollte, das nach einem einheitlichen Gestaltungswillen verfasst wurde“ (S. 94).

Sowohl Hans Hauben („Ptolemy’s Grand Tour“, S. 235–261) als auch Alexander Meeus („The Territorial Ambitions of Ptolemy I“, S. 263–306) bestreiten, dass Ptolemaios I. keine Ambitionen auf das Gesamtreich verfolgt habe. Haubens chronologischer Abriss macht deutlich, dass Ptolemaios’ Bestreben sehr wohl einer territorialen Expansion auf Zypern, in Kleinasien und im Ägäisraum galt; auch die propagierte Befreiung Griechenlands sowie die geplante Hochzeit mit Kleopatra, Schwester Alexanders, sprechen für weitreichende Ziele. Es sei daher verfehlt, von einem „impérialisme défensif“2 zu sprechen oder Ptolemaios nach der Königserhebung von 306 v.Chr. als „champion of the Teilreiche“ zu bezeichnen; vielmehr sei Ptolemaios „the true successor of Alexander the Great“ (S. 259), der jedoch seine Ziele nicht um jeden Preis verfolgt habe. Erst die Niederlage von 306 beendete die ausgreifende Außenpolitik, wenngleich auch Ptolemaios’ Nachfolger immer wieder diese Politik aufnahmen. Auch Meeus lehnt separatistische Tendenzen ab3, muss aber häufig die defektive Quellenlage als Beleg für seine Thesen heranziehen. Ansprüche auf das Gesamtreich sieht er insbesondere in der Prägung von Münzen mit Elefantenexuvie, einem klassischen Motiv seit Alexanders Indienfeldzug, sowie in den Operationen im Ägäisraum und in Kleinasien bezeugt. Rolf Strootman („The Aims of the Diadochs“, S. 307–322) unterstellt allen Diadochen den Anspruch auf das Gesamtreich, nicht nur Antigonos Monophthalmos. Dessen Ambitionen seien von den Quellen deshalb so betont worden, weil sein Scheitern und das seines Sohnes Demetrios im Gegensatz zu Seleukos, der bei der Eroberung des Gesamtreichs beinahe erfolgreich gewesen wäre, als moralisches Beispiel dienen konnten. Die hohen Ziele der Ptolemäer sieht Strootman in Alexandrias Ausrichtung zum Meer und in ihren Expeditionen in der Ägäis bestätigt.

Sehr interessant sind die Überlegungen Ann-Cathrin Harders’ zu den „Königinnen ohne König“ (S. 345–377). Die Witwen Alexanders spielen in der Überlieferung zur Trauer um den König keine Rolle, nur der freiwillige Hungertod der Sisygambis, Mutter Dareios’ III., fand Erwähnung. Dies liege nicht am Desinteresse der Autoren, da andere Witwen (Olympias, Adea oder Kratesipolis) und ihr politisches Handeln für das ausgehende 4. Jahrhundert, wenn auch in kritischem Ton, gut bezeugt seien. Offensichtlich lag den Diadochen nicht daran, ihnen eine aktive Rolle zuzugestehen. Dies widersprach möglicherweise Alexanders Intentionen, da die Eheschließung mit Rhoxane nach makedonischem Ritus vollzogen wurde. Der wohl am Hof Ptolemaios’ I. verfasste Liber de morte dagegen gesteht Rhoxane eine Rolle an Alexanders Totenbett zu. Die Ermordung der Stateira, Dareios’ Tochter, dürfte eher auf Perdikkas’ Geheiß geschehen sein, wenn auch die Quellen Rhoxane als Drahtzieherin nennen. Nur als Mutter Alexanders IV. besaß sie gewisse Bedeutung, aber sie „war als Königin neben dem König Alexander nicht so stark aufgetreten und so unwiderruflich inszeniert worden, so dass ihr nach Alexanders Tod die Rolle und die Möglichkeiten einer Witwe verweigert werden konnten“ (S. 377).

Donata Schäfer untersucht „Nachfolge und Legitimierung in Ägypten“ (S. 442–452). Ein Granitsanktuar aus Karnak zeigt die rituelle Krönung Philipps III. zum Pharao, bei dem die Götter als handelnd abgebildet werden, da er weder Sohn eines legitimen Pharao war, noch einen Sieg errungen hatte. Die Ortswahl lässt sich entweder als Reminiszenz an Alexander oder aus der altägyptischen Kulttopographie erklären. Zeugnisse Alexanders IV. sind kaum vorhanden, was aber auch für Ptolemaios I. nach seiner Königserhebung von 305/04 gilt. Von besonderem Interesse ist die Satrapenstele des Jahres 311. Ptolemaios wird darin namentlich erwähnt, aber die den Namen des Pharao beinhaltenden Kartuschen bleiben leer, obwohl Alexander IV. als legitimer Pharao gelten musste. Auffällig ist vor allem, dass Ptolemaios mit guten und schlechten Pharaonen der Vergangenheit im Stile eines Fürstenspiegels verglichen wird. Selbst wenn den Priestern zugutegehalten werden mag, dass sie im Zweifel waren, ob Alexander IV. noch lebte, muss die Wahl, den Satrapen Ptolemaios statt Alexander IV. zu nennen, doch eine bewusste, von diesem legitimierte Maßnahme gewesen sein.

Wolfgang Orth („Der fromme Diadoche“, S. 559–575) widerspricht der gängigen Annahme, die Zeit der Diadochen sei irreligiös gewesen; Kritik an den teils übertriebenen göttlichen Ehren für Antigonos’ Sohn Demetrios bei Plutarch (Dem. 11–13) müssen in den Kontext eingebettet werden.4 Delphis Bedeutung blieb unverändert, während die Olympias nachließ, und andere Heiligtümer wie Dodona, das Pyrrhos förderte, davon profitierten. Seleukos’ Betonung von Apollon als seinem Schutzgott mehrte dessen Bedeutung.5 Andrew Erskine („Ruler Cult and the Early Hellenistic City“, S. 579–597) betont, dass der Herrscherkult weder rein als politisch opportun noch als Zeichen des religiösen Niedergangs zu deuten sei, sondern als Möglichkeit der Kommunikation zwischen Polis und Herrscher zu begreifen ist. Erstaunlich sei die Zunahme dieser Kulte, obwohl die Diadochen viel geringeres Ansehen als Alexander der Große besessen hätten. „Early Hellenistic ruler cult then is in a curious and somewhat paradoxical relationship with democracy and the polis. It typifies absolutism, yet is the creation of the demos and the ekklesia, the very essence of the polis.“ (S. 597)

Die Jahrzehnte nach dem Tod Alexanders werden die Forschung auch in Zukunft intensiv beschäftigen. Dies liegt nicht nur daran, dass geänderte Perspektiven und Forschungsansätze den literarischen Quellen neue Interpretationen zu entlocken vermögen, sondern auch an bislang kaum ausgewerteten Keilschrifttexten (vgl. dazu Robartus van der Spek „Seleukos, Self-Appointed General of Asia, and the Satrapy of Babylonia“, S. 323–342) oder Ostraka, die chronologische Fragen neu zu deuten helfen oder auch weitere historische Facetten hinzufügen, welche das „Trümmerfeld“ der Überlieferung bisher gar nicht beleuchtet hatte. Die in diesem Tagungsband vorgelegten Aufsätze bieten jedenfalls den Altertumswissenschaften zahlreiche neue Impulse für die weitere Erforschung der Zeit der Diadochen.

Anmerkungen:
1 Grundlegend für alle Fragen der „hohen“ oder „tiefen“ Chronologie Tom Boiy, Between High and Low. A Chronology of the Early Hellenistic Period, Frankfurt am Main 2007, bes. S. 148ff. (Zeittafel).
2 So Édouard Will, Histoire politique du monde hellénistique (323–30 av. J.-C.), Bd. 1, 2. Aufl., Nancy 1979, S. 153–208 (S. 158 zum „defensiven Imperialismus“).
3 So vermutet auch Joseph Roisman („Perdikkas’s Invasion of Egypt“, S. 455–474) mit gutem Grund, dass es nach Perdikkas’ Ermordung wohl gar kein Angebot an Ptolemaios gab, die Vormundschaft über die Könige zu übernehmen (S. 470f.). Dessen Ablehnung wird jedoch von der Forschung einhellig als stärkstes Argument für Ptolemaios’ Separatismus gewertet.
4 Auch Erskine (S. 590–596) interpretiert dies nicht als Kritik an der Praxis, sondern als Diskussion darüber, ob die geehrte Person würdig sei.
5 Den von Strab. 16,1,7 bezeugten Synkretismus Nabû – Apollo sieht Pierre-Alain Beaulieu, Nabû and Apollo: The Two Faces of Seleucid Religious Policy, in: Friedhelm Hoffmann / Karin Stella Schmidt (Hrsg.), Orient und Okzident in hellenistischer Zeit, Vaterstetten 2014, S. 13–30, bes. S. 24–29, im Borsippa-Zylinder gespiegelt, indem zwischen babylonisch apal/aplu, „Sohn“, einem Epitheton Nabûs, und Apollo eine Paronomasie konstruiert wurde. Vielleicht kann man sogar so weit gehen, dass die Erneuerung des Nabû-Tempels Ezida in Borsippa im Jahr 268 durch Seleukos’ Sohn Antiochos I. weniger eine Reverenz an den indigenen Gott war, sondern vor allem Apollo galt.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension