N. Abraham: Die politische Auslandsarbeit der DDR in Schweden

Titel
Die politische Auslandsarbeit der DDR in Schweden. Zur Public Diplomacy der DDR gegenüber Schweden nach der diplomatischen Anerkennung (1972-1989)


Autor(en)
Abraham, Nils
Reihe
Nordische Geschichte Band 6
Erschienen
Münster 2007: LIT Verlag
Anzahl Seiten
554 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mathias Stein, Berlin

Die Forschungen zur Außenpolitik und den zwischenstaatlichen Beziehungen der DDR erleben in jüngster Zeit einen Aufschwung. Einen Aufschwung, der sich jedoch in einer Schwerpunktbildung auf bestimmte Zeitabschnitte und Länder konzentriert. Die nordischen Staaten – vor allem Finnland und Schweden – bilden hier einen ersten Fokus, vor allem aufgrund ihrer exponierten Stellung als neutrale Staaten zwischen den Blöcken und hinsichtlich der direkten Kontakte zu beiden deutschen Staaten.

In diese Richtung geht auch die 2006 an der Universität Greifswald eingereichte Dissertation von Nils Abraham, die – nicht nur als Band 6 der Reihe Nordische Geschichte – frühere Studien zu den Beziehungen zwischen der DDR und Schweden fortsetzt1, sondern zugleich mit dem Betrachtungszeitraum ab 1972 Neuland betritt. Abraham geht davon aus, dass nach der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten Schweden nicht an Wert für die Außenpolitik der DDR verlor. Nachdem das bisherige Ziel der offiziellen Anerkennung erreicht wurde, verschärfte sich vielmehr der Abgrenzungskurs gegenüber der Bundesrepublik. Es wurde verstärkt versucht, ein positives Image der DDR im Ausland zu propagieren. Wichtigstes Feld hierfür war die Public Diplomacy, einerseits zentral gelenkt durch die Strukturen des außenpolitischen Apparates der DDR, z.B. die Liga für Völkerfreundschaft, und andererseits vor Ort umgesetzt, z.B. durch das Kulturzentrum in Stockholm.

Fokus der Arbeit ist dementsprechend der „Verlauf der Public Diplomacy gegenüber Schweden nach 1972 bis zum Fall der Mauer“ (S. 20). In den insgesamt 14 Kapiteln liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf verschiedenen Seiten der ostdeutschen Bemühungen. Hier werden – nach einer Überblicksbetrachtung der sozialistischen Auslandsinformation (Kapitel 2) und der Liga für Völkerfreundschaft (Kapitel 3) – insbesondere das DDR-Kulturzentrum und das Deutschlektorat in Stockholm (Kapitel 4-6) analysiert. Daran anschließend folgt eine Betrachtung der DDR-Tage und -Wochen in Schweden (Kapitel 7), der Freundschaftsgesellschaft Schweden-DDR (Kapitel 8 und 9), der schwedischen Ausgabe der Auslandszeitschrift „DDR-Revue“ (Kapitel 10) sowie eine Reihe von Fallstudien zur Darstellung in der Presse in Schweden und der DDR (Kapitel 11).

An dieser Stelle muss jedoch ein erster Kritikpunkt angemerkt werden. Mit 554 Seiten und einem Inhaltsverzeichnis von allein 7 Seiten ist die Studie zwar mehr als umfangreich, eine Fokussierung und Kürzung hätte sich jedoch günstiger auf die Struktur ausgewirkt. Vor allem, weil im Mittelpunkt der Arbeit „die Analyse der Organisationen und der Aktivitäten dieser Institutionen im Zielland Schweden“ (S. 21) steht. Dies wird noch erweitert durch die Einbindung von Themen wie die Betrachtung der Partner und Adressaten in Schweden, der schwedischen Rezeption sowie der innenpolitischen Funktion der Public Diplomacy für die DDR. Ein bis zwei Themen weniger hätten der Arbeit sicherlich gut getan.

Das vor allem deshalb, weil ein zentraler Aspekt nur am Rande erscheint. Wie Abraham anführt, „wird die auslandsinformatorische Tätigkeit gegenüber Schweden [...] in der vorliegenden Arbeit den drei Parametern der Westpolitik zugeordnet: Der Durchsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz, der Abgrenzung von der Bundesrepublik und der Imagepflege zur Verbesserung des Bildes der DDR“ (S. 63). Die Public Diplomacy und Imagepflege der DDR in Schweden wird zwar umfangreich dargestellt und analysiert, die Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik bleibt aber etwas unterbelichtet. Vor allem deshalb, weil mit dem Goethe-Institut in Stockholm eine direkte Konkurrenz zum DDR-Kulturzentrum bestand. Wie sich beispielsweise die beiden Häuser gegenseitig beeinflussten und unter Umständen die eigenen Arbeits- und Ausstellungsprogramme voneinander abgrenzten, wäre sicherlich von Interesse. Eine vergleichende deutsch-deutsche Perspektive – wie sie z.B. in der Arbeit von Muschik angewandt wurde – wäre möglicherweise einer Überlegung Wert gewesen.

Ein dritter Aspekt, der vorgetragen werden muss, bezieht sich auf die „Konzeptionellen Grundzüge der kulturellen Auslandsbeziehungen und der sozialistischen Auslandsinformation“ (Kapitel 2.1, S. 43-49). Abraham verweist hier in Auszügen auf theoretische Schriften der DDR unter anderem bezüglich des Konzepts der „friedlichen Koexistenz“. Inwieweit jedoch die propagierte Ideologie der DDR einer Analyse der tatsächlichen Außenpolitik des realen Sozialismus dienlich ist, bleibt fragwürdig. Sicherlich wurden die verschiedenen Konzepte und Ideologien immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt; aber stand nicht vielmehr die Sicherung der eigenen Macht im Zentrum der nach außen propagierten „Friedenspolitik“? Hier schließt sich die Frage an, ob die DDR wirklich eine sozialistische Außenpolitik2 verfolgte oder ob nicht unter dem Deckmantel der Ideologie traditionelle Realpolitik betrieben wurde?

Trotz dieser Anmerkungen überzeugt die Arbeit durch eine Reihe von Stärken. Zu nennen ist hier zunächst der Zeitraum der Betrachtung, da bisher die Beziehungen zwischen Schweden und der DDR nach 1972 nur marginal analysiert wurden. Abgesehen davon sind – neben dem vom Autor gesetzten Schwerpunkten – einzelne Aspekte mit Gewinn zu verfolgen. Dies bezieht sich unter anderem auf die Arbeit der DDR-Auslandskader in Schweden und auf die ehemaligen Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft Schweden-DDR. Abraham hat hierfür eine eigene Untersuchung mit Hilfe von Fragebögen unternommen und diese im Rahmen der Arbeit statistisch ausgewertet. Weiterhin verweist die Arbeit an verschiedenen Stellen auf das Ende der Beziehungen und die Umbruchsituation nach 1989. Die Auflösung des DDR-Kulturzentrums und der Freundschaftsgesellschaft wird dabei ebenso betrachtet wie die Nachwirkungen der früheren Kontakte. Wie sich zeigt, bestehen trotz des Endes der staatlich oktroyierten Politik weiterhin gesellschaftliche Beziehungen, die an persönliche Verbindungen anknüpfen und 1990 nicht einfach ausliefen (unter anderem S. 406). Überdies ist positiv anzumerken, dass die Studie auf einer sehr breiten und umfangreichen Quellen- und Literaturarbeit fußt. Zwar erscheint das Literaturverzeichnis etwas konfus und es fehlen bei einer Reihe von Literaturangaben die Seitenzahlen. Die Grundlage der Analyse ist aber sehr solide und sie wird durch einen sehr ausführlichen Anlagenapparat sowie Fotografien und Grafiken ergänzt. Letztlich ist es ein Verdienst der Arbeit, die bisherigen Studien zu den Beziehungen zwischen der DDR und Schweden fortzuführen und in der zeitlichen Perspektive abzurunden.

Anmerkungen:
1 Vgl. u.a. Muschik, Alexander, Die beiden deutschen Staaten und das neutrale Schweden, Eine Dreiecksbeziehung im Schatten der offenen Deutschlandfrage 1949-1972 (Nordische Geschichte 1), Münster 2005.
2 Vgl. u.a. Bruns, Wilhelm, Sozialistische Außenpolitik oder Außenpolitik der DDR? Zu einigen Grundfragen der Außenpolitik der DDR, in: apuz (1977) B 19, S. 3-32.

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