Blutige Romantik – 200 Jahre Befreiungskriege

Blutige Romantik – 200 Jahre Befreiungskriege

Veranstalter
Militärhistorisches Museum Dresden <http://www.mhmbw.de/index.php/sonderausstellungen/blutige-romantik-200-jahre-befreiungskriege>
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.09.2013 - 16.02.2014

Publikation(en)

Cover
Bauer, Gerhard; Pieken, Gorch; Rogg, Matthias (Hrsg.): Blutige Romantik. 200 Jahre Befreiungskriege – Essays und Katalog im Schuber. Dresden 2013 : Sandstein Verlag, ISBN 978-3-95498-037-6 608 S. € 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Querengässer, Leipzig

Sabine Ebert, die Autorin des Romans „1813 – Kriegsfeuer“, nahm für sich in mehreren Vorträgen das Verdienst in Anspruch, einen Medienhype in Fernsehen, Printmedien und Museen losgetreten zu haben, die das Thema „Befreiungskriege“ sonst links liegen gelassen hätten.1

Diesen Vorwurf kann sich das Militärhistorische Museum in Dresden so nicht gefallen lassen, denn die Arbeiten an der Ausstellung „Blutige Romantik“ begannen bereits 2012. Der Titel ist hervorragend gewählt und erweckt zumindest im historisch vorgebildeten Besucher die Hoffnung einer modernen Aufarbeitung der bellizistischen Seite der Romantik, einer Epoche, die eher mit den Novellen Schlegels, Novalis’ oder Eichendorffs oder den Naturstücken Caspar David Friedrichs verbunden wird. Aber die während der napoleonischen Epoche in Deutschland aufkeimende Verklärung der Natur und der eigenen goldenen Vergangenheit im Mittelalter brachte neben zarten Oden an die Weiblichkeit auch bluttriefende Kriegserklärungen gegen den neuerklärten Erbfeind hervor: Frankreich. Die Romantiker wollten der „Grande Nation“ ein „deutsches Volk“ entgegensetzen. Ihre aggressivsten Polemiker, wie der junge Dresdner Theodor Körner, der Deutschnationalist Joseph Görres oder der rückwärtsgewandte Ludwig Arndt wollten dem französischen Feind im Kampf den gnadenlosen Todesstoß versetzen, oder stellten gar bereits dem Sozialdarwinismus vorausgreifende Rassenvergleiche an, von denen sich erschreckend leicht historisierende Linien in die NS-Zeit ziehen ließen.

In der Realität der Napoleonischen Zeit in Deutschland konnten sich diese Polemiker zwar Gehör verschaffen, die wirkliche Politik wurde jedoch in allen Ländern von nüchternen Pragmatikern bestimmt, die sich neue Ideen bestenfalls nutzbar machten und sie in den wenigsten Fällen umsetzten.

Möchte man sich umfassend mit den Befreiungskriegen beschäftigen, so muss eine wohl ausgewogene Darstellung zwischen der Ideengeschichte französischer Revolutionäre und deutscher Romantiker auf der einen sowie dem tatsächlichen militärischen und politischen Geschehen auf der anderen Seite erfolgen. Ein schwieriges Unterfangen also.

Die Ausstellung im neugestalteten Museum in Dresden empfängt den Besucher mit einer Vielzahl interessanter Exponate. Gleich im Eingangsbereich ist eine großformatige Reproduktion von Kerstings „Die Kranzwinderin“ zu sehen, die auf das Thema einstimmen soll. Die Wandflächen im Allgemeinen sind den klassischen Schlachtstücken zu den Befreiungskriegen vorbehalten. Hier kommen vor allem für die sächsische Regionalgeschichte bekannte Maler wie Rudolf Trache und Leopold Schubauer zur Geltung, aber auch die bekanntesten Werke des Franzosen Edouard Detaille.

Im Zentrum des Raumes befinden sich mehrere große Vitrinen, denen die dreidimensionalen Objekte vorbehalten sind. Das Museum scheut sich nicht davor, eine größere Anzahl von Waffen, Fahnen, Uniformen und Uniformteilen aus verschiedensten Sammlungen in ganz Europa zu zeigen. Sie bilden mit Soldatenbriefen, Proklamationen, zeitgenössischen Drucken oder Einquartierungsscheinen den Hintergrund für die Darstellung der Befreiungskriege.

Den militärischen Verlauf des von 1813 bis 1815 dauernden Konflikts kann der Besucher durch multimediale Präsentationen an den Wänden nachvollziehen. Die Vitrinen beschäftigen sich mit der Geschichte der wichtigsten Großmächte sowie deren Militär und Militärs in dieser Zeit. Die hinteren Vitrinen präsentieren Hinterlassenschaften einer zweihundertjährigen Erinnerungskultur und zeigen dabei Gedenkmünzen, Schützenscheiben, Schlachtfeldfunde, Kinoplakate und in großer Breite Reenactmentuniformen.

Der historisch vorgebildete Besucher wird an dieser sehr exponatlastigen Ausstellung viel Freude haben, zumal die Informationstexte kurz, aber dabei sehr prägnant formuliert sind. Schade ist, dass Blickfänger, wie Fahnen, an die Vitrinendecken geheftet wurden und dort nicht so gut zu sehen sind, wie die vielfach gezeigten Münzen oder Veteranenkrüge. Prinzipiell bestechen aber Quantität und Qualität der Exponate.

Beim genaueren Hinsehen fällt jedoch auch auf, dass der Ausstellung im gewissen Sinne ein roter Faden fehlt, zumindest einer, der weniger gut in dieser Zeit bewanderten Besuchern einen Aha-Effekt mit auf den Heimweg gibt, was mit „Blutiger Romantik“ eigentlich gemeint ist. Die vielen Bilder, die multimedialen Darstellungen zum Kriegsverlauf, die auf dem Besucherpfad niedergeschriebenen Schlachten mit ihren Opferzahlen und auch die vielen Ansätze, Erinnerungskultur zu zeigen, die Flut an präzise ausgearbeiteten Fakten – sie alle lassen die Masse der Besucher letzten Endes allein. Die "FAZ" und die "Zeit" urteilten sogar, dass das Museum seinem so klug gewählten Ausstellungsthema ausweiche.2 Es ist zwar ein erklärtes Ziel des Museums, Geschichte nicht konsumfertig zu präsentieren, sondern zum Denken anzuregen, aber auch hierfür muss dem Betrachter ein besserer Leitfaden oder präziserer Denkanstoß gegeben werden, als es in diesem Teil der Ausstellung erfolgt.

Positiv wiederum ist, dass das Museum, obwohl es sich nach eigener Ansicht von der musealen Nutzung von Zinnfigurendioramen abgewandt hat, diesen als einem sehr alten Mittel der Erinnerungskultur den kompletten zweiten Ausstellungsteil gewidmet hat (unter dem Titel: „Zinnfiguren bluten nicht“). In einem großen Raum, der einem der Stabszelte Napoleons nachempfunden ist, werden mit Hilfe von Dioramen nicht nur noch einmal visuell ansprechend einzelne Gefechte der Napoleonischen Kriege dargestellt, sondern es wurde auch die Tradition der „Miniatursoldaten“, ob aus Papier, Zinn oder Plastik gezeigt.

Zur Ausstellung liegt auch eine umfangreiche Begleitpublikation vor. Diese besteht zum einen aus dem Katalog, in dem leider nicht alle Objekte auch bildlich wiedergegeben sind, und einem Essayband. Einigen der Beiträge, wie etwa Gerhard Bauers „Napoleon war kein Romantiker“, oder Christoph Jürgensens „Poetische Mobilmachung“ gelingt es wesentlich besser, die „Blutige Romantik“ herauszuarbeiten, als der Ausstellung. Viele Beiträge, wie etwa die vier Essays von Pierre Juhel, bleiben jedoch sehr an der Oberfläche und sind zudem auch inhaltlich nicht immer korrekt. Gerade Juhel gibt viele der Ereignisse des Herbstfeldzuges 1813 nur mit Hilfe französischer Quellen und englisch/amerikanischer Literatur wieder, wodurch ein verzerrtes Bild vom Einsatz der Rheinbundtruppen entsteht. Sicherlich können Essays, die sich an die breite Masse der Ausstellungsbesucher richten, nicht immer die wissenschaftliche Tiefe eines Aufsatzes erreichen, trotzdem transportiert etwa ein Drittel der Beiträge auch einen etwas überkommenen Wissensstand.3

Obwohl die Befreiungskriege 1813 letztendlich doch präsenter in deutschen Museen waren, als zunächst anzunehmen, wurde die Thematik oftmals mit stiefmütterlicher Oberflächlichkeit abgehandelt. „Helden nach Maß“ im Stadtmuseum Leipzig widmete sich fast ausschließlich der Erinnerungskultur um die Völkerschlacht und klammerte das eigentliche Ereignis aus. Selbst das Deutsche Historische Museum lieferte in der Ausstellung „1813 auf dem Schlachtfeld von Leipzig“ zwar viele schöne Exponate, aber wenig Inhalt. Im Vergleich dazu sticht „Blutige Romantik“ als eine faktensichere, informative Ausstellung mit interessanten Exponaten positiv heraus. Insofern heißt es sicherlich auf hohem Niveau jammern, wenn man letzten Endes trotzdem festhalten muss, dass bei aller Qualität der Bezug zu dem gut gewählten Ausstellungstitel nicht präzise genug herausgearbeitet wurde. Aber ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

Anmerkungen:
1 U.a. in dem Vortrag „Von der ‚vergessenen Schlacht‘ zum Medienhype – sich ändernde Wahrnehmungen und Streit um Erinnerungskultur zur Völkerschlacht“ am 11. Oktober 2013 auf der Festung Torgau (Sachsen).
2 Vgl. Christian Staas, „Ich will den Haß“, in: Die Zeit, 12.10.2013; Andreas Kilb, „Morgen in der Schlacht vergiss die Pfeife nicht“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.9.2013, S. 36.
3 Überhaupt erschienen zum Jahr 1813 des Befreiungskrieges keine wirklich ansprechenden Neuveröffentlichungen.

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