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Titel
Die Dresdner Bank 1945-1957. Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes


Autor(en)
Ahrens, Ralf; unter Mitarbeit von Köhler, Ingo; Wixforth, Harald; Ziegler, Dieter
Erschienen
München 2007: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
VIII, 505 S., 22 SW-Abb.
Preis
€ 49,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gerd Hardach, Philipps-Universität Marburg

Die vorliegende Arbeit von Ralf Ahrens zur Geschichte der Dresdner Bank in den Jahren 1945 bis 1957 schließt thematisch an die vierbändige Geschichte der Dresdner Bank von 1933 bis 1945 an.1 Sie gehört aber nicht mehr im engeren Sinne zu diesem Projekt, sondern ist das Ergebnis eines eigenständigen Vorhabens, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde. Der Text stammt im Wesentlichen von Ralf Ahrens; einzelne Abschnitte wurden von Ingo Köhler, Harald Wixforth und Dieter Ziegler verfasst.

Ahrens charakterisiert das Buch als eine „politische Unternehmensgeschichte“ (S. 3). Gemeint ist damit, dass ein großer Teil der Arbeit den politischen Entscheidungen gewidmet ist, mit denen von 1945 bis 1957 die Folgen von Diktatur und Krieg aufgearbeitet wurden. Dazu gehörten die alliierte und deutsche Politik zur Neugestaltung des Bankwesens, die rechtlichen Sanktionen gegen leitende Mitarbeiter der Bank im Kontext von Entnazifizierung und Strafverfolgung sowie schließlich die finanzielle Wiedergutmachung der Verluste, die während der nationalsozialistischen Diktatur den deutschen Juden zugefügt wurden. In einem gemeinsam mit Harald Wixforth verfassten Kapitel wird auch die Abwicklung der Aktivitäten der Dresdner Bank in den besetzten Gebieten behandelt.

Die Jahre von 1945 bis 1957 waren für die Dresdner Bank mit wichtigen Zäsuren verbunden. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde die Bank schon im Juli 1945 enteignet und stillgelegt; sie konnte in Ostdeutschland erst nach der Wiedervereinigung wieder auftreten. In den Westzonen wurde die Bank 1947/48 in elf regionale Nachfolgeinstitute aufgeteilt. 1952 wurde eine partielle Rekonzentration in drei regionale Nachfolgebanken zugelassen: die norddeutsche Hamburger Kreditbank, die westdeutsche Rhein-Ruhr-Bank und die süddeutsche Rhein-Main-Bank sowie als gemeinsame Tochtergesellschaft die Bank für Handel und Industrie in Berlin. 1957 schließlich wurde die Wiederherstellung der Dresdner Bank AG erlaubt, was intern auch als „Wiedervereinigung“ bezeichnet wurde (S. 241-257).

Nicht nur die institutionelle, sondern auch die wirtschaftliche Kontinuität der Bank war zeitweilig bedroht. Als Folge von Diktatur und Krieg bestanden die Aktiva der Nachfolgeinstitute zu fast zwei Dritteln aus Forderungen an das Reich (S. 179). Diese Forderungen wurden ebenso wie einige andere Aktiva, die mit der Rüstungsfinanzierung im Zusammenhang standen, zunächst eingefroren und in der Währungsreform 1948 komplett annulliert. Um die Zahlungsfähigkeit des Bankensystems zu wahren, erhielten die Banken Ausgleichsforderungen an die Länder. Diese Ausgleichsforderungen wurden nicht wie andere Geldvermögen als Quote in Relation zu dem Volumen an Reichstiteln berechnet, sondern für jede Bank so festgesetzt, dass die Verbindlichkeiten und das notwendige Eigenkapital gedeckt waren (S. 205ff.).

Es war ursprünglich ein gemeinsames Ziel der Alliierten, Unternehmer zu verfolgen und zu bestrafen, die sich einer engen Zusammenarbeit mit der nationalsozialistischen Diktatur schuldig gemacht hatten. Dieser Grundsatz hatte aber sehr unterschiedliche Konsequenzen. In der Sowjetischen Zone und danach in der Deutschen Demokratischen Republik führten in einigen Fällen willkürliche Vorwürfe zu einer strengen Bestrafung. Die westlichen Alliierten kritisierten zwar die enge Kooperation der Dresdner Bank und anderer Banken mit der Diktatur, die Ausnutzung der Notlage von Deutschen jüdischer Abstammung und die Bereicherung in den besetzten Gebieten, fanden es aber schwierig, einzelnen Managern nach rechtsstaatlichen Prinzipien ein strafwürdiges Verhalten nachzuweisen. Als einziger prominenter Banker wurde in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen schließlich der frühere Vorstandssprecher der Dresdner Bank Karl Rasche angeklagt und 1949 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er wurde bereits 1950 vorzeitig entlassen, kehrte aber nicht in die Dresdner Bank zurück. Von wenigen Ausnahme abgesehen, gab es im Management der Dresdner Bank, wie in vielen anderen Unternehmen, eine erhebliche Kontinuität auf dem Weg vom Nationalsozialismus zur Bundesrepublik Deutschland (S. 73-130).

Breiten Raum nimmt die Darstellung der Wiedergutmachung ein. Es ging dabei um die Entschädigung jüdischer Angestellter und Betriebsrentner, die Dieter Ziegler in einem eigenen Kapitel darstellt, um die Rückerstattung entzogener Privatvermögen und um die Rückerstattung von Unternehmen oder Unternehmensteilen, die von der Dresdner Bank unter dem politischen Druck der „Arisierung“ erworben worden waren. Als prominente Fälle stellt Ingo Köhler das Bankhaus Gebrüder Arnhold dar (S. 356-368) und Dieter Ziegler den Brauereikonzern Engelhardt (S. 369-381). Da die Ausgleichsforderungen nach dem Vermögensstatus der Banken berechnet wurden, waren auch die Länder und später die Bundesrepublik Deutschland in die Restitutionsverhandlungen einbezogen. Das Verhalten der Dresdner Bank in der Wiedergutmachungsfrage war im Rückblick wenig konziliant. Die Bank war bestrebt, die unter den politischen Repressionen des Nationalsozialismus durchgeführten Geschäfte als marktübliche Transaktionen darzustellen, und es bedurfte oft zäher Verhandlungen, bis die jüdischen Eigentümer oder ihre Erben ihre Restitutionsansprüche durchsetzen konnten. Wiedergutmachungsforderungen konnten zunächst nur in Westdeutschland geltend gemacht werden. Für die Vermögensverluste in Ostdeutschland setzte erst nach der Wiedervereinigung eine verspätete Wiedergutmachung ein.2

Über die „politische Unternehmensgeschichte“ hinaus zeigt Ahrens auch die wirtschaftliche Entwicklung der Dresdner Bank in der Wiederaufbauphase und am Beginn des langen wirtschaftlichen Wachstumsprozesses in Westdeutschland. Das Bankgeschäft war im Übergang vom Krieg zum Frieden zwar stark reduziert, aber es wurde im Unterschied zu vielen Industriebetrieben nicht völlig unterbrochen. In den erhalten gebliebenen Geschäftsräumen oder in Ausweichquartieren wurden Einzahlungen angenommen, Auszahlungen getätigt und bargeldlose Zahlungen geleistet. Als im Juli 1945 die Filialen in der Sowjetischen Zone geschlossen wurden, nahm die Bank in den Westzonen schon wieder die ersten Kreditgeschäfte auf. Das Geschäftsvolumen stieg an; allerdings wurde die Entwicklung bis zur Währungsreform durch die allgemeine wirtschaftliche Lage und durch die ungeklärte rechtliche Situation der Bank behindert. Auf die Währungsreform folgte dann ein „Wachstumsschub“ im Bilanzvolumen und in der Rentabilität der Bank (S. 222-239). Zwischen 1952 und 1957 verzeichneten die regionalen Nachfolgeinstitute der Dresdner Bank durch das kurzfristige Kreditgeschäft, die Investitionsfinanzierung, den Einstieg in das Massengeschäft mit Privatkunden und die Außenhandelsfinanzierung eine beträchtliche Expansion. Der Verfasser ergänzt den Text durch Statistiken und durch Illustrationen, die mit dem Kontrast von Ruinen und Neubauten den Wandel der Zeiten anschaulich dokumentieren. Bei der Rekonzentration von 1957 war die Dresdner Bank „in der Realität einer westdeutschen Wohlstandsgesellschaft angekommen, die von ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit wenig wissen wollte“ (S. 273).

Die interessante und gründliche Arbeit von Ralf Ahrens ist ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte sowie insbesondere zur Bankengeschichte.

Anmerkungen:
1 Henke, Klaus-Dietmar (Hrsg.), Die Dresdner Bank im Dritten Reich, 4 Bde., München 2006 (siehe dazu meine Rezension: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-2-173>).
2 Siehe neuerdings Lillteicher, Jürgen, Raub, Recht und Restitution. Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in der frühen Bundesrepublik, Göttingen 2007, und Spannuth, Jan Philipp, Rückerstattung Ost. Der Umgang der DDR mit dem „arisierten“ und enteigneten Eigentum der Juden und die Gestaltung der Rückerstattung im wiedervereinigten Deutschland, Essen 2007, sowie dazu die Sammelrezension von Berthold Unfried: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-4-066>.

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