M. Bietak u.a. (Hrsg.): The Synchronisation of Civilisations III

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Titel
The Synchronisation of Civilisations in the Eastern Mediterranean in the Second Millennium B.C. III. Proceedings of the SCIEM 2000 / 2nd EuroConference, Vienna, 28th of May – 1st of June 2003


Herausgeber
Bietak, Manfred; Czerny, Ernst
Reihe
Contributions to the Chronology of the Eastern Mediterranean 9
Anzahl Seiten
629 S.
Preis
€ 143,20
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Ahrens, Eberhard-Karls-Universität Tübingen/Ludwig-Maximilians-Universität München

Der mittlerweile bereits dritte Konferenzband des Spezialforschungsbereiches „The Synchronisation of Civilisations in the Eastern Mediterranean in the Second Millennium B.C.“ (SCIEM 2000) unter der Leitung des Wiener Ägyptologen Manfred Bietak und der Schirmherrschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften umfasst die Ergebnisse einer im Jahre 2003 gehaltenen Forschungstagung, die zum Ziel hatte, wichtige chronologische und historische Aspekte einzelner Kulturen und spezifischer Regionen des östlichen Mittelmeerraumes im 2. Jahrtausend v.Chr. zu beleuchten und diese miteinander in Beziehung zu setzen.1 Bei über 600 Seiten und insgesamt 46 Einzelbeiträgen ist es kaum möglich, auf alle im Tagungsband vertretenen Artikel in gleicher Weise einzugehen. So muss daher angesichts der Fülle an Themen und regionalen Schwerpunkten eine unverbindliche Auswahl getroffen werden, die versucht, eine möglichst umfassende Darstellung des gesamten Spektrums der vertretenen Forschungsbereiche zu bieten. Insgesamt ist der Band in fünf größere Themenbereiche unterteilt, ein besonderer Schwerpunkt wird dabei – der generellen Ausrichtung des Spezialforschungsbereiches folgend – auf Untersuchungen zur Chronologie gelegt.

Nach einem einleitenden Artikel durch Manfred Bietak und Felix Höflmayer („Introduction: High and Low Chronology, S. 13–24), in dem die grundlegenden historischen Probleme und wissenschaftlichen Schwierigkeiten in der gegenwärtigen Chronologiediskussion thematisiert und diskutiert werden, widmet sich der erste Themenbereich eingehend naturwissenschaftlichen Untersuchungen und Ergebnissen einzelner Aspekte der Chronologie des östlichen Mittelmeerraumes („Science and Chronology“, S. 25–162).2 Hervorzuheben ist hier besonders der Beitrag von Malcolm H. Wiener („Times Change: The Current State of the Debate in Old World Chronology“, S. 25–47), der in sehr prägnanter und anschaulicher Weise die zahlreichen archäologischen, historischen und naturwissenschaftlichen Erträge der aktuellen Forschung zur Chronologie zusammenführt und analysiert. Ebenso offensichtlich wird durch seine Präsentation der bisher gemachten Ergebnisse der unterschiedlichen Forschungsbereiche – und den immer noch bestehenden Schwierigkeiten der Interpretation und Auswertung – aber auch, dass eine Zusammenführung dieser Teilgebiete weiterhin betrieben werden muss und Kernziel der zukünftigen Forschung sein sollte.3

Der zweite Themenbereich widmet sich chronologischen und archäologischen Studien zu Ägypten („Chronological and Archaeological Statements: Egypt“, S. 163–336). Neben zahlreichen Untersuchungen zur historischen Chronologie Ägyptens und zu wichtigen chronologischen Implikationen von spezifischen Keramikgattungen, werden hier auch die Wandmalereien von Tell el-Dab'a behandelt 4, die von Manfred Bietak einer chronologischen und umfassenden kulturhistorischen Analyse unterzogen werden („Bronze Age Paintings in the Levant: Chronological and Cultural Considerations“, S. 269–300). Zudem betrachtet Bietak alle in der Levante bislang gefundenen (Wand-)Malereien und erstellt für diese eine chronologische Abfolge, die sich nicht zuletzt auch auf die archäologische Evidenz der jeweiligen Fundkontexte und der mit diesen assoziierten Materialgruppen stützen kann.

Im dritten Themenbereich werden anschließend die Levante und Syrien eingehender behandelt („Chronological and Archaeological Statements: The Levant and Syria, S. 337–438). Auch in diesem Abschnitt ist eine sehr breite thematische und inhaltliche Fächerung der einzelnen Beiträge zu bemerken, die von der Präsentation aktueller archäologischer Forschungsergebnisse bis hin zu allgemeinen historischen Untersuchungen zur Chronologie der Levante reicht. Frans van Koppen rekonstruiert in seinem Beitrag, basierend auf der Evidenz der inschriftlichen Belege, die politische Rolle und Bedeutung der Stadt Hazor während der Mittelbronzezeit („Syrian Trade Routes and MB II Hazor“, S. 367–374), die eine Schlüsselrolle im Warenverkehr zwischen Syrien und der südlichen Levante innegehabt zu haben scheint und eng an die politischen Zentren Syriens gebunden gewesen ist; zeitweise gehörte Hazor sogar zum politischen Einflussgebiet des Königreichs von Qatna in Mittelsyrien. Einen „chronologischen Rahmen“ für die Entstehung des Reichs der Mittani präsentiert Mirko Novák („Mittani Empire and the Question of Absolute Chronology: Some Archaeological Considerations“, S. 389–401). Novák erarbeitet auf der Basis archäologischer und stratigrafischer Beobachtungen und Vergleiche an mehreren Orten Vorderasiens eine zeitliche Abfolge und Einordnung für die Entstehung Mittanis.5

Studien zur Archäologie und Chronologie der Ägäis, Zyperns und benachbarter Regionen werden im vierten Themenbereich präsentiert („Chronological and Archaeological Statements: The Aegean, Cyprus and Adjacent Areas“, S. 439–500), der vor allem archäologische Studien zur Chronologie der behandelten Regionen bietet. Jacke Phillips unterzieht die in Mykene gefundenen Fayenceplatten Amenophis’ III. einer eingehenden historischen, chronologischen und archäologischen Untersuchung („The Amenhotep III ‚Plaques‘ from Mycenae: Comparison, Contrast and a Question of Chronology“, S. 479–493). Trotz der sehr detaillierten archäologischen Analyse und einer äußerst differenzierten Deutung bezüglich der Nutzung und des Zeitpunkts der Verbringung nach Mykene kann auch Phillips letztendlich eine sichere Herkunft dieser Objekte nicht erweisen. Phillips zeigt damit jedoch auch anschaulich, dass eine allzu einfache historische Deutung und chronologische Zuweisung importierter ägyptischer Objekte außerhalb Ägyptens bei näherer Hinsicht häufig nicht möglich ist.6

Der letzte Themenbereich des Forschungsbandes beinhaltet schließlich archäologische, historische und chronologische Forschungen zu verschiedenen Aspekten mykenischer und philistäischer Hinterlassenschaften in der Levante („Section: Mycenaeans and Philistines in the Levant“, S. 501–629). Einen thematischen Schwerpunkt dieses Abschnitts bildet die in letzter Zeit erneut populär gewordene Diskussion zur Chronologie der sogenannten „Landnahme“ der Philister (bzw. der sogenannten „Seevölker“).7 Allerdings scheint in den Artikeln zumindest teilweise eher parteiisch als differenziert argumentiert zu werden. So gelingt es erst Assaf Yasur-Landau („Let’s do the Time Warp again: Migration Processes and the Absolute Chronology of the Philistine Settlement“, S. 609–620), das „chronologische Problem“ am Plausibelsten zu erklären: Er sieht die Sesshaftwerdung der Philister als Teil vielschichtiger und komplexer Migrations- und Akkulturationsprozesse, die eine verallgemeinernde und definitive Antwort bezüglich der chronologischen Einordnung nahezu unmöglich machen. Vielmehr seien für unterschiedliche Regionen und Ortschaften auch unterschiedliche Parameter anzuwenden und somit durchaus auch stark voneinander divergierende Ergebnisse wahrscheinlich. Beobachtungen in der nördlichen Levante bestätigen zudem, dass insgesamt mit einer Vielzahl von kulturellen Einflüssen im östlichen Mittelmeerraum zu rechnen ist, wie Reinhard Jung („Tell Kazel and the Mycenaean Contacts with Amurru [Syria]“, S. 551–570) anhand der mykenischen Keramik von Tell Kazel (Syrien) belegen kann.

Insgesamt stellen die Beiträge des Tagungsbandes ein eindrucksvolles Zeugnis der interdisziplinären Arbeit des Spezialforschungsbereiches SCIEM 2000 dar. Neben den im Band präsentierten Ergebnissen werden darüber hinaus auch die noch offen stehenden Fragen und Desiderate für weitere Forschungen deutlich gemacht. Natürlich ist es immer schwierig, eine zusammenfassende Gesamtdarstellung über Forschungsfelder zu geben, die sich stetig verändern und weiterentwickeln. Dass sich die Fragestellungen teilweise letztlich den Antworten zu spezifischen Fragen und Problemen der Chronologie nur annähern konnten, liegt in der Natur der Sache begründet, schmälert den wissenschaftlichen Wert jedoch in keiner Weise. Es bleibt zu hoffen, dass der durch das SCIEM 2000-Projekt eingeschlagene Weg auch in Zukunft weiterhin begangen werden wird.

Anmerkungen:
1 Zu den allgemeinen Zielsetzungen des Spezialforschungsbereiches SCIEM 2000 und den Ergebnissen früherer Konferenzen siehe bereits Bietak, Manfred (Hrsg.), The Synchronisation of Civilisations in the Eastern Mediterranean in the Second Millennium B.C., Proceedings of an International Symposium at Schloß Haindorf, 15th–17th of November 1996 and at the Austrian Academy, Vienna, 11th–12th of May 1998, Wien 2000; ders. (Hrsg.), The Synchronisation of Civilisations in the Eastern Mediterranean in the Second Millennium B.C. II, Proceedings of the SCIEM 2000 EuroConference, Haindorf, 2nd of May – 7th of May 2001, Wien 2003.
2 Einen thematischen Schwerpunkt innerhalb der einzelnen Beiträge bilden hierbei Ergebnisse der Radiokarbonanalyse (14C-Analyse), allerdings werden auch andere wissenschaftliche Bereiche, wie z.B. astronomische Untersuchungen zur mesopotamischen Chronologie, angeführt. Wichtig für die sehr kontrovers geführte Diskussion bezüglich der sogenannte „Thera-Aschen“ dürfte darüber hinaus auch der Artikel von N. J. G. Pearce et al. sein („Reinterpretation of Greenland Ice-core Data Recognises the Presence of the Late Holocene Aniakchak Tephra (Alaska), not the Minoan Tephra (Santorini), at 1645 BC“, S. 139–147), der aufzeigt, dass Ablagerungen in Eisbohrkernen aus Grönland, die bislang dem Ausbruch des Thera-Vulkans zugewiesen wurden, wohl wahrscheinlicher dem Aniakchak-Vulkan in Alaska zuzuweisen sind.
3 Von Interesse dürfte in dieser Hinsicht ebenso der Beitrag Sturt W. Mannings sein („Clarifying the ‚High‘ v. ‚Low‘ Aegean/Cypriot Chronology for the Mid Second Millennium BC: Assessing the Evidence, Interpretative Frameworks, and Current State of the Debate”, S. 101–137), der teilweise eine gänzlich andere Herangehens- und Interpretationsweise vertritt.
4 Zu den in Tell el-Dab'a gefundenen Wandmalereien siehe jetzt auch Bietak, Manfred; Marinatos, Nannó; Palivou, Clairy (with a Contribution by Ann Brysbaert), Taureador Scenes in Tell el-Dab'a (Avaris) and Knossos, Wien 2007.
5 Novák kommt dabei zum Schluß, dass zwischen dem Ende der Altbabylonischen Zeit und dem Beginn des Mittani-Reichs maximal 100 Jahre gelegen haben können. Diese Evidenz spräche, so Novák, wahrscheinlicher für die Anwendung der kurzen bzw. ultra-kurzen Chronologie als Zeitraster (d.h. Zerstörung Babylons durch Mursili I. um 1530 bzw. 1499 v.Chr.).
6 So postuliert Wolfgang Helck die Existenz eines „ägyptischen Zimmers“, das als Geschenk Amenophis’ III. nach Mykene verschickt worden sei; siehe Helck, Wolfgang, Die Beziehungen Ägyptens und Vorderasiens zur Ägäis bis ins 7. Jahrhundert v. Chr (von Rosemarie Drenkhahn durchgesehene und bearbeitete Neuauflage), Darmstadt 1995, S. 80.
7 Schwierigkeiten bereitet u.a. die Klärung der Frage, ob die Bevölkerungskontingente der „Philister“ erst nach der Aufgabe Südpalästinas durch die Ägypter politisch autark agieren und eine eigene materielle Kultur entwickeln konnten oder ob dies bereits früher, d.h. parallel zu einer ägyptischen Hegemonie, möglich gewesen ist. Zur Herkunft dieser Gruppen dürfte jedoch kaum ein Zweifel bestehen, vgl. dazu auch Moore Cross, Frank; Stager, Lawrence E., Cypro-Minoan Inscriptions Found in Ashkelon, in: Israel Exploration Journal 56/2 (2006), S. 129–159.

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