Macht und Freundschaft

Veranstalter
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Gazprom Germania GmbH Unterstützt durch Dussmann AG & Co. KGaA, DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement, Wall AG, Kuhn & Bülow Versicherungsmakler GmbH und Gothaer Versicherungen Medienpartner rbb Fernsehen, rbb Inforadio, rbb Kulturradio, Der Tagesspiegel, tip Berlin, Landau Media (10467)
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10467
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.03.2008 - 26.05.2008

Publikation(en)

Cover
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Macht und Freundschaft. 1800-1860. Berlin 2008 : Koehler & Amelang, ISBN 978-3-7338-0363-6 336 S. € 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kristiane Janeke, Berlin

„Am Anfang war Napoleon.“ Mit diesen Worten beginnt der Einleitungstext der sehenswerten Ausstellung über die preußisch-russischen Kulturbeziehungen zwischen 1800 und 1860. Thomas Nipperdey, dessen „Geschichte des 19. Jahrhunderts“ der Satz entnommen ist, sieht in Napoleon die zentrale Figur des frühen 19. Jahrhunderts. Dem schließen sich die Kuratoren der Ausstellung, Ada Raev und Jürgen Luh, für das preußisch-russische Verhältnis dieser Epoche an. Die Waffenbrüderschaft gegen den französischen Kaiser zieht sich als eine von zwei Verbindungslinien zwischen Preußen und Russen durch die Ausstellung. Die andere Linie ist die Ehe zwischen der ältesten Tochter Friedrich Wilhelms III., Prinzessin Charlotte, und dem Bruder des russischen Zaren Alexander I., dem späteren Zaren Nikolaus I., die zwischen 1817 bis zum Tode des Zaren im Jahre 1855 bestand. Charlotte starb 1860. Der Stabilität und Harmonie dieser Verbindung verdanken die Beziehungen beider Länder einen reichen künstlerischen und kulturellen Austausch.

Dieser bildet den Schwerpunkt der zwischen Kunst- und Kulturgeschichte verorteten Ausstellung. Angesichts der vornehm zurückhaltenden Gestaltung, die gänzlich auf Inszenierungen verzichtet, überrascht die Ausstellung mit klug platzierten und informativen Texten, die die Exponate in einen übergeordneten Zusammenhang stellen. In den zwölf thematisch geordneten Räumen erwarten den Besucher wunderbare Objekte, persönliche Einblicke in die dynastischen Beziehungen sowie erstaunliche Geschichten höfischen Lebens. Dabei geben die Exponate fast immer Auskunft auf mehreren Ebenen: Viele sind Geschenke, also selbst Gegenstand des Austauschs, und bilden diesen zugleich ab. Besonders eindrucksvolle Beispiele hierfür sind die Prunkvasen und bildlichen Darstellungen im Zusammenhang höfischer Feste. Von intimem Charakter dagegen sind die Aquarelle höfischer Interieurs, die den fernen Verwandten einen Eindruck des Privatlebens vermittelten. Hier ist eines von vielen Details der Ausstellung hervorzuheben. Ein Aquarell von Luigi Premazzi zeigt die Bibliothek von Nikolaus und Charlotte, in der auch ein Portrait der preußischen Prinzessin zu sehen ist. Dieses wiederum kann der Ausstellungsbesucher im selben Raum im Original betrachten. Auch die zahlreich ausgestellten Herrscherportraits sind ein Produkt interkulturellen Austauschs, nämlich der in Russland üblichen Praxis, Herrscherportraits bei ausländischen Künstlern in Auftrag zu geben, darunter auch bei dem preußischen Hofmaler Franz Krüger. Zur Übersicht über die vielfältigen verwandtschaftlichen Beziehungen geben Ahnentafeln im Katalog Auskunft, die man sich auch in der Ausstellung gewünscht hätte.

Inhaltlich dicht präsentiert sich der Raum zur Verwandtschaft der Potsdamer und Petersburger Kulturlandschaften. Grundrisse, Entwürfe und Zeichnungen zeugen von einer gegenseitigen Beeinflussung sowohl im Ausbau der Hauptstädte als auch bei der Landschaftsgestaltung der Sommerresidenzen. Während bei Berlin das Blockhaus Nikolskoe und die Kolonie Alexandrowka in russischem Stil entstanden, erhielt Peterhof Bauten nach dem Vorbild der Römischen Bäder in Potsdam. Ebenfalls für Peterhof entwarf Friedrich Schinkel eine gotische Kapelle, deren Innenraum dem orthodoxen Gottesdienst dienen sollte. Hier wird der architektonische Austausch besonders deutlich, aber auch der innere Zwiespalt der Prinzessin Charlotte, die in ihrem neuen russischen Umfeld einer westeuropäischen Ästhetik verhaftet blieb.

Die dynastischen Beziehungen werden in der Ausstellung mit solcher Pracht präsentiert, dass es blendet. Im Schatten dagegen bleiben die politischen Differenzen, die es jenseits der höfischen Geschenke und dem geistig-wissenschaftlichen Austausch durchaus gab. Bemüht man noch einmal den Bezug zu Thomas Nipperdey, so fehlt, was der Untertitel seines Werkes benennt: „Bürgerwelt und starker Staat“. Von beidem kommt in der Ausstellung nur wenig vor. Ein schmales Band historischer Bezüge durchläuft die Ausstellung, seine minimalistische Darstellung entspricht der Gewichtung der Ausstellung zugunsten der Kunst. Hier schafft der empfehlenswerte Katalog eine Kompensation. Für den historischen Kontext ist der Beitrag von Martin Schulze Wessel hervorzuheben, der die preußisch-russischen Beziehungen in ihrer Ambivalenz reflektiert.

Erstaunlich zurückgenommen präsentiert die Ausstellung das zentrale politische Dokument der Epoche, den Text der Heiligen Allianz, was um so mehr verwundert, als es sich um ein eindrucksvolles Exponat handelt. Die Präsentation der Vereinbarung zwischen Preußen, Russland und Österreich aus dem Jahre 1815 allerdings entspricht ihrer politischen Wirksamkeit, die wiederum im Gegensatz zu ihrer militärischen Präsenz stand. Hiervon zeugte das preußisch-russische Manöver bei Kalisch 1835, das der Welt die nach wie vor enge Bindung beider Staaten demonstrieren sollte. Festgehalten wurde das Spektakel, an dem fast 60.000 Soldaten teilnahmen, unter anderem auf Prunkvasen, die darüber hinaus weit mehr über die deutsch-russische Militärgeschichte aussagen. 1945 wurden sie als so genannte Beutekunst von sowjetischen Trophäenbrigaden aus Charlottenburg in die Sowjetunion verbracht und von dort zusammen mit vielen anderen Kulturschätzen 1958 an die DDR restituiert. Durch den Krieg und die Transporte teilweise stark beschädigt, lagerten die Überreste im Kunstgewerbemuseum in Köpenick. Einige der Vasen wurden nun für die Ausstellung restauriert.

Ein weiterer historischer Bezugspunkt ist der erfolglose Aufstand der Dekabristen (von russisch dekabr’ für Dezember), bei dem anlässlich des Regierungswechsels im Dezember 1825 Angehörige von drei Garderegimentern politische Reformen forderten. Dieses, für die weitere Entwicklung antiautoritären Gedankenguts in Russland bedeutsame Ereignis, wird in der Ausstellung mit einem Gemälde von Georg Wilhelm Timm gewürdigt, aber nicht weiter vertieft. Dasselbe gilt für die Darstellung des polnischen Freiheitskampfes 1830/31 durch das Gemälde „Finis Poloniae“ von Dietrich Monten. Dabei handelt es sich um ein in Aufbau und Farbgebung symbolträchtiges Bild, dessen weitgehend unkommentierte Präsentation jedoch sicher nicht allen Besuchern verständlich ist. Es wird wohl den wenigsten Besuchern deutlich werden, dass es gerade Polen bzw. dessen vollständige Aufteilung war, das die Länder der Heiligen Allianz auf unheilvolle Weise verband. Unerwähnt bleibt auch, dass in Folge der Verschärfung von Repression und Zensur in den Ländern der Heiligen Allianz nach 1830/31 Russland von einer breiten bürgerlichen Öffentlichkeit in Europa zu einem Gegenbild einer freiheitlich-demokratischen Ordnung aufgebaut wurde - ein Fremdbild, das bis heute nachwirkt, wie jüngst die in Charlottenburg gezeigte Ausstellung „Unsere Russen – Unsere Deutschen. Bilder vom Anderen 1800-2000“ gezeigt hat.1

Ebenso pointiert, jedoch klarer ist die Darstellung der Revolution von 1848. Hier stehen sich ein Gemälde von Joseph Karl Stieler und eines von Adolph Menzel gegenüber. Während Stieler den siegreichen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. in majestätischer Pose überlebensgroß zeigt, stehen bei dem kleinen Werk von Menzel die Toten der Märzrevolution im Mittelpunkt. Eine Vertiefung der Folgen der Revolution für die Konsolidierung politischer Gegensätze, wie sie gerade die Entwicklungen in Deutschland und Russland beeinflusst haben, vermisst man freilich auch in diesem Raum.

Den historischen Schlusspunkt der Ausstellung bildet der Krimkrieg. Von der Grausamkeit dieses ersten Stellungskrieges mit einer bis dahin ungekannten Medienberichterstattung zeugen die ersten Fotos von einem Kriegsschauplatz. Das provozierende Vorgehen Russlands ohne Rücksprache mit den anderen europäischen Mächten brachte auch eine Abkühlung zwischen Berlin und St. Petersburg. Die Nachkriegsordnung im Zeichen Frankreichs als wieder aufsteigender europäischer Zentralmacht bedeutete auch das Ende der Heiligen Allianz. Eines der letzten Exponate ist ein Portrait Napoleons III. In der gemeinsamen Gegnerschaft zu Napoleon Bonaparte hatte die preußisch-russische Liaison begonnen, im Schatten seines Neffen endete sie.

Eine Verbindung von Kunst und Geschichte stiften die Rossebändiger von Pjotr Clodt von Jürgensburg, die die Ausstellung wirkungsvoll im Lichthof des Gropius-Bau präsentiert. Sie wirken über die preußisch-russischen Beziehungen des 19. Jahrhunderts hinaus. Die Erstabgüsse, seit 1841 auf der Anitschkow-Brücke in Petersburg aufgestellt, mussten 1941 vor dem Angriff der Wehrmacht in Sicherheit gebracht werden. Vor den Bombenangriffen auf Berlin und der Eroberung der Stadt durch die Rote Armee ereilte die Kopien, die als Geschenk Nikolaus I. an seinen Schwager Friedrich Wilhelm IV. seit 1844 vor dem Berliner Schloss standen, dasselbe Schicksal. Sie wurden ausgelagert und später im Kleistpark aufgestellt. Nach dem Wiederaufbau des Schlosses könnten sie nach ihrer Restaurierung wieder am Lustgartenflügel aufgestellt werden, wie es ein Aquarell um 1850 in der Ausstellung zeigt.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Wir haben es mit einer wahrhaft schönen Ausstellung zu tun, die einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der deutsch-russischen Kulturbeziehungen leistet. Ihre Schwächen im historischen Bereich werden kompensiert durch das Verdienst, einen Teil der Beziehungsgeschichte zu beleuchten, der nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts in den Hintergrund geraten ist. Von diesen zeugen die Rossebändiger, die mit ihrer wechselvollen Geschichte eine Brücke in die Gegenwart schlagen. Hinter diese Erfahrungen können wir nicht zurück und so bleiben in den deutsch-russischen Beziehungen noch viele offene Fragen, deren gemeinsame Bearbeitung zu einer dauerhaften Stabilität beitragen wird.

Anmerkung:
1 Vgl. Jan C. Behrends: Ausstellungs-Rezension zu: Unsere Russen - Unsere Deutschen. 08.12.2007-02.03.2008, Schloss Charlottenburg. In: H-Soz-u-Kult, 26.04.2008, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=64&type=rezausstellungenngen>.

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