Bibliographie zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des deutschen Südwestens 1750-1919 – online

Cover
Titel
Bibliographie zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des deutschen Südwestens 1750-1919 - online.
Herausgeber
Hippel, Wolfgang von (Universität Mannheim)
Veröffentlicht durch
MATEO - Universität Mannheim: Mannheim, DE <http://www.uni-mannheim.de/mateo/index.html>; Seminar für Neuere Geschichte - Universität Mannheim: Mannheim, DE <http://www.phil.uni-mannheim.de/fakul/phil/hisng/welcome.htm>
Enthalten in
Von
Stefanie van de Kerkhof, Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften, FernUniversität in Hagen,

Bei der „Bibliographie zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des deutschen Südwestens 1750-1919 – online“ handelt es sich um eine online-Datenbank, die wichtige regionale Literatur für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte erschließt. Sie ist aus einem langjährigen Gemeinschaftsprojekt von der Robert Bosch Stiftung GmbH, MATEO und dem Seminar für Neuere Geschichte (beide Universität Mannheim) hervorgegangen. MATEO (= MAnnheimer TExte Online) publiziert als Arbeitsgemeinschaft der Universität seit Anfang 1996 wissenschaftliche Arbeiten und Primärquellen im www. Das Projekt wurde am Seminar für Neuere Geschichte von Prof. Dr. Wolfgang von Hippel geleitet und von Stephan Riediger M.A. als Projektmitarbeiter betreut. Die Veröffentlichung basiert auf Daten, die über einen längeren Zeitraum unter Leitung von Prof. Dr. Gert Kollmer-von Oheimb-Loup (Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg) und Prof. Dr. Rolf Walter (jetzt Universität Jena) aufgenommen wurden. Beteiligte Mitarbeiter waren Dr. Ulrike Findeisen, Helena Korneck-Heck M.A. und Winfried Mönch M.A. Die online-Version in MATEO erstellten Riediger und der Diplom-Geograph Frank Swiaczny.

Laut Robert Bosch Stiftung ist dies „ein Werk ..., das zum ersten Mal Original- und Sekundärquellen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Südwestdeutschlands im Zeitalter der Industrialisierung in umfassender Weise vereint.“ Es ist entstanden im Rahmen des Stipendienprogramms der Stiftung, das rund 45 wirtschafts- und sozialhistorische Forschungsprojekte förderte. Während deren Entstehung regte die Stiftung an, die Ergebnisse von Literaturrecherchen im WWW zu veröffentlichen. Zunächst sollte die Bibliographie in gedruckter Form erscheinen, doch in den 1990er Jahren konnte durch die fortschreitende technische Entwicklung ein Internet-Angebot realisiert werden. Dadurch soll auf die Daten schneller zugegriffen werden können und eine schnellere Aktualisierung möglich sein. Ein wesentliches Ziel der Stiftung ist es, über die Bibliographie hinaus der Erforschung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des deutschen Südwestens „neue Impulse“ zu geben.
Dass die Spezialbibliographie als erste systematische wissenschaftliche Literaturdatenbank zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Südwestdeutschlands während der Phase der Früh- und Hochindustrialisierung dieses vermag, kann nur bestätigt werden. Allerdings ist einschränkend zu bemerken, dass es sich um eine Bibliographie und nicht um eine Sammlung von Original- und Sekundärquellen handelt.

Umfang, Inhalt und Auswahlkriterien
Die Bibliographie stellt online 10.000 Datensätze aus mehreren, systematisch durchgesehenen und ausgewerteten Quellen bereit. Ausgewertete Bibliographien sind die Bibliographie der Württembergischen Geschichte von Heyd, die Bibliographie der Badischen Geschichte von Lautenschläger, die Bibliographie der Hohenzollerischen Geschichte von Bernhardt-Seigel, die
Landesbibliographie von Baden-Württemberg und schließlich die im Projekt erstellte Spezialbibliographie „Die wirtschaftliche Entwicklung im südwestdeutschen Raum 1750-1919“.
Schwerpunktmäßig ausgewertete Periodika sind die Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte, die Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, die Württembergischen Jahrbücher für Statistik und Landeskunde bzw. deren Nachfolger, Schwäbische Heimat, Badische Heimat, das Ellwanger Jahrbuch und die Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte. Insgesamt wurden Beiträge aus etwa 230 Periodika aufgenommen. Die Zeitschriften und Jahrbücher sind in einer abrufbaren Liste quantitativ nachgewiesen, aber nicht mit der Datenbank verlinkt. Daneben wurden die Kataloge der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart zu Württembergischem Recht und Gewerbekunde durchgesehen. Das Projekt ist laut Angabe der AutorInnen inzwischen abgeschlossen. Zur Aktualisierung der bibliographischen Hinweise wird auf die Landesbibliographie Baden-Württemberg verwiesen (für Veröffentlichungen ab 1986 online verfügbar), auf die Landesbibliographie Baden-Württemberg und die Rheinland-Pfalz Bibliographie (im www über die Rheinische Landesbibliothek Koblenz). Leider ist keine Angabe zu finden, ab welchem Jahr diese Bibliographien heranzuziehen sind. Denn es wird nicht deutlich, wann die Bibliographie abgeschlossen wurde. Da für die Jahre nach 1990 nur wenig mehr als 10 Titel aufgenommen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass nur bis ca. 1990 Vollständigkeit erreicht wurde. Neuere und neueste Literatur ist hier also nicht recherchierbar. Problematischer und unbefriedigend ist allerdings, dass nicht erklärt oder definiert wird, was die AutorInnen unter „Südwesten“ verstehen. Hier wünscht sich der wissenschaftliche User eine genauere Angabe, auf welche (staatlichen oder wirtschaftlichen) Grenzen sich die Bibliographie bezieht. Auch die selbst entwickelte Systematik wird leider nicht näher erläutert.

Handhabung/Benutzungshinweise
Einstieg
Der erste Einstieg ist aber relativ komfortabel, Titel und Inhalt sind direkt angegeben, und es finden sich weitere hilfreiche Links auf der Startseite. So gibt es Links zu MATEO <http://www.uni-mannheim.de/mateo/programm.html> (Universität Mannheim) und ein veralteter zum Seminar für Neuere Geschichte <http://www.phil.uni-mannheim.de/geschichte/neuzeit/> (link ist umgezogen) (Universität Mannheim). Außerdem gelangt man von hieraus zu Informationen über Umfang und Inhalt <http://www.uni-mannheim.de/mateo/hist/umfang_neu.htm>, Aktualisierungsstand <http://www.uni-mannheim.de/mateo/hist/aktual_neu.htm>, Projektbeteiligte und Autoren <http://www.uni-mannheim.de/mateo/hist/autor_neu.htm der online-Bibliographie sowie zum Vorwort der Robert Bosch Stiftung <http://www.uni-mannheim.de/mateo/hist/rbsg.htm>, zum Dankeswort des Aufnahmeteams http://www.uni-mannheim.de/mateo/hist/bearbeit.htm und zur Einleitung zum Zeitabschnitt 1750 - 1849 von Prof. Dr. R. Walter <http://www.uni-mannheim.de/mateo/hist/walter.htm>bzw. zur Einleitung zum Zeitabschnitt 1850 - 1919 von Prof. Dr. Kollmer-v. Oheimb-Loup <http://www.uni-mannheim.de/mateo/hist/kollmer.htm>. Über einen zusätzlichen Button erreicht man schnell die Vollversion der Datenbank.
Während die Angaben zu Umfang, Inhalt und Aktualisierungsstand noch ergänzungsbedürftig sind, enthalten die anderen Links sehr ausführliche Informationen. Die Suche kann über die Vollversion zudem schnell beginnen.

Suche/Suchbegriffe
Die Bewertung der Suchfunktionen fällt ambivalent aus. Durch eine eingeschränkte Suchmöglichkeit unter den vier Kategorien „Schlagworte“, „Titel“, „Autor“ und „alle Felder“ ist die Suche einerseits sehr schnell. Andererseits ist durch die stark eingeschränkte Suchsyntax die Suche sehr unkomfortabel. So kann der User bzw. die Userin nur ein Suchwort bzw. einen Nachnamen mit Vornamen eingeben, und eine Verknüpfung der vier Kategorien untereinander ist ebenfalls nicht möglich. Nach dem Schlagwort „Erster Weltkrieg“, „Eisen- und Stahlindustrie“ oder „Land- und Forstwirtschaft“ kann man aufgrund der unkomfortablen Anlage der Datenbank also nicht suchen. Unter dem Begriff „Stahlindustrie“ finden sich ebenfalls keine Treffer. Das Gegenteil davon geschieht, wenn man nach Begriffen sucht, die in anderen Worten als Präfix oder Suffix vorkommen. Bei einer Suche nach dem Rohstoff „Erz“ findet sich beispielsweise die Erzeugung, die Erziehung und anderes mehr. Eine Erweiterung der Suchsyntax, vor allem zu einer Suchfunktion mit mehreren Stichworten und mehreren Namen von Autorinnen, erscheint also sehr sinnvoll zu sein. Bisher ist die Suchmaschine dazu zu begrenzt.
Problematisch ist auch eine Suche über die Systematik, denn hier sind fast alle mit Umlaut geschriebenen Suchbegriffe nur über Umwege erreichbar. Dies gilt beispielsweise für alle Titel zum Bürgertum oder zum Militär.
Erst bei der Suche wird einem außerdem deutlich, dass wohl nicht nur Bücher, Aufsätze und andere publizierte Materialien aufgenommen wurden, sondern auch Bestände des Wirtschaftsarchivs Baden-Württemberg. Dies wird weder auf der Site erwähnt, noch dem Benutzer erklärt. So lautet z.B. einer der gefundenen Titel „Bestand B 26“. Mit solchen Funden wird wohl nur der Spezialist etwas anfangen können.
Auffällig bei der Suche ist außerdem, dass die Ergebnisliste und das Einzelergebnis nicht optimal verknüpft sind, im Einzelergebnis fehlt zudem die in der Liste zuvor angegebene Werknummer. Der Weg zurück von der Suchfunktion zur Startseite ist umständlich, denn es gibt hier keine Verlinkung.
Insgesamt kann man trotz der genannten Mängel über die online-Suche im Vergleich zu herkömmlichen Bibliographien sehr schnell die umfassende Titelaufnahme abfragen. Wer über die Wirtschafts- und Sozialgeschichte Südwestdeutschlands arbeiten möchte, wird hier bibliographisch also gut bedient. Die zusätzlichen Informationen wie Abstracts (hier zumeist Inhaltshinweise) sind hilfreich, allerdings nicht sehr umfassend. Sie bieten zumeist nur wenig mehr als 5 Stichworte zum recherchierten Titeleintrag.

Links/Retrieval
Bei den Suchmaschinen wie z.B. Google ist die Bibliographie nur unter ihrem genauen Titel schnell auffindbar. Sucht man dagegen nach „Bibliographie“ und „Baden-Württemberg“ oder nach „Südwesten“ und „Bibliographie“, so wird man erst spät fündig. Dies ist aber leicht zu beheben. Ähnliche kurzfristig realisierbare Verbesserungen sind mit den veralteten oder unbrauchbaren Links zum Historischen Seminar der Universität Mannheim und der Rheinischen Landesbibliothek Koblenz zu erwarten. Auch könnte die Bibliographie auf der Startseite von MATEO noch prominenter platziert werden.

Design/Präsentation
Das Design ist schlicht und eher unauffällig, aber funktional. Auf der Startseite könnte das Logo von MATEO und die Überschrift verkleinert oder am Rand platziert werden, damit man nicht immer scrollen muss, um auf den relevanten Seiteninhalt zu kommen.

Besonderheiten
Schon erwähnte Besonderheiten des online-Angebots sind zwei fundierte und umfassende Einführungen in den Forschungsstand zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Südwestdeutschlands. Hier zeichnete Rolf Walter für den Zeitraum 1750 bis 1849 und Kollmer-von Oheimb-Loup für den Abschnitt von 1850 bis 1919 verantwortlich.
Es handelt sich dabei jeweils um einen hervorragenden langfristigen Forschungsüberblick sowie eine Einordnung in die wirtschafts- und sozialhistorische Forschungslandschaft insgesamt. Dabei werden wesentliche Desiderate mit großer Kenntnis der Materie aufgezeigt und hilfreiche Hinweise für die weitere Bearbeitung freigiebig zur Verfügung gestellt.
Walter beginnt seinen Überblick mit den aus dem Forschungsprogramm hervorgegangenen Arbeiten, wobei er konzediert, dass „das 18. Jahrhundert sich bisher keiner besonders großen Aufmerksamkeit erfreute“. Akribisch listet er auf, welche zeitgenössischen Beschreibungen und Informationsquellen und welche wissenschaftliche und heimatkundliche Literatur zu den einzelnen Sektoren und Branchen trotzdem zu finden ist. Auch auf die Literaturbasis zu den Veränderungen der Sozialstrukturen durch die Industrialisierung, den Wechselwirkungen zwischen dem Entstehen neuer Fabriken und der Land-Stadt-Wanderung sowie den Zusammenhängen zwischen Auswanderung und Konjunkturverläufen geht er ausführlich ein. Wirtschaftspolitik, Gesellschaft, der Unternehmer und die Geschichte einzelner Unternehmen, die Kreditwirtschaft, das Versicherungswesen, der Handel, Werbung und die gesamte Sozialgeschichte werden ebenfalls eingehend abgehandelt. Desiderate der Forschung macht Walter insbesondere bei quantitativen und konjunkturhistorischen Arbeiten (mit dem Ziel einer historischen Statistik Südwestdeutschlands) aus, aber auch die historische Marktforschung, die Metrologie, die erweiterte Agrargeschichte und eine systematische Unternehmensgeschichtsforschung sollten durch weitere Studien ergänzt werden. Dies würde auch neue Möglichkeiten des Vergleichs eröffnen.
In der Einführung von Kollmer-von Oheimb-Loup werden diese Desiderate aufgrund der besseren Forschungslage nur am Rande erwähnt. Hier wird aber wie bei Walters Einführung ein ausführliches und von tiefgehender Kenntnis zeugendes Panorama der wirtschafts- und sozialhistorischen Forschung zum deutschen Südwesten entfaltet. Dabei geht er noch intensiver als Walter auf die einzelnen Branchen ein und behandelt zusätzlich die Rechtsentwicklung, Wissenschaft, Kunst, Bildung, Ausbildung und Religion bzw. Weltanschauung.
Insgesamt sind beide Einführungen für die weitere Erforschung des „Südwestens“ äußerst hilfreich. Einzige Wermutstropfen sind auch hier das Fehlen einer umfassenderen Diskussion über den behandelten Raum, eines Publikationsdatums und einer umfassenderen Verlinkung.

Bewertung/Einordnung
Ähnliche Regionalbibliographien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte liegen bereits für Schleswig-Holstein und zur Wirtschaft Ostwestfalen-Lippes seit 1815 vor. Die 1997 in Buchform erschienene und für die Publikation von Martin Rheinheimer bearbeitete schleswig-holsteinische Bibliographie ist aus einem ähnlich umfassenden Projekt hervorgegangen. Sie umfasst auf über 1100 Seiten fast 12.000 Titel. Die im Jahr 2000 von Werner Abelshauser herausgegebene und von Olaf Breker bearbeitete Bibliographie ist kleinräumiger angelegt und publiziert in gedruckter Form immerhin einen Bestand von ca. 3000 Titeln auf beinahe 200 Seiten.
Ebenso wie diese Bibliographien wird die wirtschafts- und sozialhistorische Forschung sicherlich auch die neue umfassende online-Bibliographie eifrig nutzen können. Der Robert Bosch Stiftung ist dafür zu danken, dass sie dieses außergewöhnliche Internet-Angebot möglich gemacht hat. Die Vorteile des schnelleren Zugriffs auf das online-Angebot und der besseren Recherchemöglichkeiten im Vergleich zur gedruckten Form sind dabei eindeutig. Die bekannten Nachteile abgeschlossener Spezialbibliographien (hoher Arbeitsaufwand, möglicherweise schnelle Veraltung) können allerdings auch bei einem online-Angebot nicht gänzlich aufgehoben werden. Um diese Nachteile zu beheben und einen langfristigen Nutzen zu erreichen, sollte eine beständige Aktualisierung des Angebotes dringend angestrebt werden.