A. Demandt u.a. (Hrsg.): Konstantin der Große

Cover
Titel
Konstantin der Große.


Herausgeber
Demandt, Alexander; Engemann, Josef
Erschienen
Mainz am Rhein 2007: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
520 S. mit CD-Rom
Preis
€ 44,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Historisches Institut, Universität Bern

Konstantin, dessen Regierungsantritt sich 2006 zum 1700. Mal jährte, erfreut sich seit einigen Jahren in Forschungs- und populärwissenschaftlicher Literatur großer Beliebtheit. Auch die Ausstellung in Trier im Jahre 2007 kann auf ein Jubiläum verwiesen: Die Ankunft Konstantins in Trier 307 n.Chr. und seine Erhebung in den Rang eines Augustus. Gleich in drei Trierer Museen werden unterschiedliche Themenkreise rund um Konstantin ausgestellt: „Der Herrscher des römischen Imperiums“ im Rheinischen Landesmuseum, „Der Kaiser und die Christen“ im Dom- und Diözesanmuseum, „Tradition und Mythos“ des ersten christlichen Kaisers schließlich im Städtischen Museum Simeonstift. Zu diesen Ausstellungen ist ein umfangreicher Katalog erschienen, der neben einer Fülle von Bildern und dem gesamten Ausstellungsmaterial auf CD-Rom auch zahlreiche Aufsätze zu den unterschiedlichsten Themen rund um Konstantin enthält. Viele Autorinnen und Autoren der verschiedenen Beiträge sind in den letzten Jahren durch einschlägige Publikationen zu Konstantin und seiner Zeit hervorgetreten.1

Das erste Kapitel zeigt den historischen Hintergrund des 3. Jahrhunderts n.Chr. auf (S. 44–71). Der kurze Beitrag von Bruno Bleckmann über die Reichskrise (S. 46–47) schildert die Symptome der Krise, geht aber bedauerlicherweise nicht auf die umstrittene Frage nach deren Ursachen ein. Sehr viel gelungener in seiner Verständlichkeit ist der Beitrag von Klaus-Peter Johne (S. 48–50) über das gallische Sonderreich, das zu Recht als Vorläufer von Diokletians späterer Verwaltungsteilung interpretiert wird. Einen soliden Überblick über die historische Entwicklung in der Tetrarchenzeit erhält der Leser im Beitrag von Wolfgang Kuhoff (S. 51–57), während es Marianne Bergmann gut gelingt, einem breiteren Publikum die künstlerischen Veränderungen des frühen 4. Jahrhunderts zu erläutern (S. 58–71).

Der zweite Abschnitt widmet sich Konstantin und seiner Dynastie (S. 72–137). Klar und gut verständlich schildert Demandt das Leben Konstantins (S. 74–84).2 Kurz geht Josef Engemann auf den Konstantinsbogen ein (S. 85–89), wobei auch die verschiedenen Interpretationen in der Forschung zu den Ursachen für die Spolienverwendung vorgestellt werden. Sehr gelungen ist die knappe Übersicht von Hartwin Brandt über das weitere Schicksal der Dynastie bis zu ihrem Ende mit dem Tod Julians 363 (S. 90–95). Niels Hannestad betrachtet sorgfältig die Porträtskulptur in konstantinischer Zeit, wobei er dabei auch den Wandel des Herrschaftsverständnisses erschließt (S. 96–116). Freilich hätte ihm die Lektüre des Aufsatzes von Claudio Parisi Presicce über die Kolossalstatue (S. 117–131) gezeigt, dass sich unter den Fragmenten dieser Statue nicht „unerklärlicherweise zwei rechte Hände“ finden (S. 101): Parisi Presicce erläutert, dass die eine Hand nicht von der Kolossalstatue stammt, sondern ihr aufgrund einer Verwechslung zugeschrieben wurde (S. 121f.). Überhaupt verbindet Parisi Presicces Beitrag überzeugend die Überlieferungsgeschichte der Fragmente mit einer originellen Rekonstruktion. Das Kapitel über das Heer (S. 138–159) vereinigt Beiträge von Demandt allgemein zum Heer (S. 140–146), von Michael Schmauder zur Bewaffnung (S. 147–154) und von Engemann zur Grenzsicherung (S. 155–159).

Im Abschnitt über Verwaltung und Repräsentation (S. 160–207) sticht der Beitrag von Franz Alto Bauer über Konstantinopel heraus (S. 165–172), der kritisch die Formulierung „neue Hauptstadt“ hinterfragt und aufzeigt, dass erst nach Konstantins Tod die Neugründung am Bosporus zunehmend zur Zentrale des Römischen Reiches wurde. Der Aufsatz von Elisabeth Herrmann-Otto (S. 183-189) verdeutlicht, dass das Bild einer starren spätantiken Gesellschaft falsch ist und sich vielmehr verschiedene Formen von Mobilität feststellen lassen. Detlef Liebs korrigiert in seinem Beitrag über Recht und Gesetzgebung (S. 190–196) im Einklang mit der neueren Forschung den Begriff „Toleranzedikt“ von Mailand dahingehend, dass es sich zum einen nicht um ein Edikt, sondern um ein Schreiben an die Provinzstatthalter handelte, zum anderen die christliche Religion nicht toleriert (das war bereits einige Jahre früher erfolgt), sondern den übrigen Religionen gleichgestellt wurde (vgl. auch den Beitrag von Girardet, S. 237). Liebs zeigt im Übrigen klar das neue Rechtsverständnis von Konstantin auf, das zu einem starken Eingreifen in die juristische Wissenschaft führte, wie auch den Wandel der Rechtsprechung in Form und Stil: So erließ Konstantin als erster Kaiser leges, was bisher der Volksversammlung vorbehalten gewesen war, während seine Vorgänger vorsichtiger von constitutiones, „Festsetzungen“, gesprochen hatten. Mit den Münzreformen und der herrscherlichen Selbstdarstellung in den Prägungen befassen sich Karl-Josef Gilles (S. 197–199) und Engemann (S. 200–207).

Ein umfangreiches Kapitel ist den Religionen gewidmet (S. 208–301). Während Manfred Clauss (S. 210–219) die zunächst ungebrochene Vielfalt der alten Kulte und die Faszination des Sonnenkultes gerade auch für Konstantin aufzeigt, fokussiert Marcello Ghetta (S. 220–227) auf heidnische Funde in der Trierer Umgebung. Besonders hervorzuheben ist der Beitrag von Klaus Martin Girardet (S. 232–243), der einen guten Überblick über die religiöse Entwicklung Konstantins unter Einbezug der verschiedenen in der Forschung umstrittenen Aspekte gibt. Laut Girardet spielte wohl der Einfluss von Lactantius und des Trierer Bischofs auf Konstantin bei dessen Hinwendung zum Christengott eine Rolle; aber auch das „Toleranzedikt“ des Galerius von 311 sei als „Eingeständnis der Wirkungslosigkeit der paganen Götter“ interpretiert worden (S. 234). Eine breite Analyse der frühchristlichen Kirchenbauten unter Verwendung sowohl von literarischen Quellen wie von archäologischen Zeugnissen liefern Barbara Weber-Dellacroce und Winfried Weber (S. 244–257). Dabei wird deutlich, dass Konstantins Suche nach den heiligen Orten der mit Christus verbundenen Ereignisse stärker in heidnischer als in kirchlicher Tradition stand. Ein weiterer Beitrag von Engemann (S. 281–294) zeigt auf, wie christliche und pagane Ikonographie nebeneinander und miteinander in der Kunst des 4. Jahrhunderts auftauchen. Derselbe Forscher befasst sich auch mit den Zeugnissen heidnischer und christlicher Magie (S. 295–301). Ein eigenes Kapitel ist der Stadt Trier im 4. Jahrhundert gewidmet (S. 302–341). Aus den Beiträgen zu Alltag und Luxus (S. 342–417) ragt der Aufsatz von Robert Loscheider zu Handel und Verkehr (S. 368–375) heraus, der sorgfältig die Verkehrswege und Transportmöglichkeiten wie auch den cursus publicus erläutert; allerdings wäre hier eine Karte sehr hilfreich gewesen.

Der letzte Abschnitt, der sich mit Tradition und Mythos Konstantins beschäftigt (S. 418–511), ist von besonderem Interesse, da dieses Thema einer breiteren Öffentlichkeit weniger bekannt sein dürfte. Eine Reihe von konzis formulierten Beiträgen von Gudrun Schmalzbauer und Urs Peschlow zeigt die Quellenlage zur Überlieferung des Konstantinbilds in der orthodoxen Kirche (S. 420–424) sowie zur Kreuzeslegende (S. 425–430) auf. Unbekanntes Neuland sind auch die Einblicke in das Nachleben Konstantins im zeitgenössischen Brauchtum in Griechenland von Gudrun Schmalzbauer (S. 431) und in Sardinien von Lukas Clemens (S. 432–433). Zentrale Bedeutung kommt der Silvesterlegende und der Fälschung der konstantinischen Schenkung zu; Rolf Quednaus Aufsatz (S. 434–443) verbindet die Nachzeichnung des Diskurses um die Schenkung und die angebliche Taufe Konstantins in Rom mit ihren kunsthistorischen Zeugnissen. Konstantins Funktion als Vorbild für Monarchen in West- wie in Osteuropa wird in zwei Beiträgen von Quednau (S. 454–466) bzw. Peschlow und Schmalzbauer (S. 450–453) aufgezeigt. Gesondert wird von Jan Werquet auf die Bedeutung Konstantins für die Hohenzollernmonarchen, besonders für Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm II., eingegangen (S. 467–469).

Anstelle eines Fazits gibt Heinrich Schlange-Schöningen einen (etwas allzu) kurzen Überblick über die Forschungsmeinungen zu Konstantin seit dem 18. Jahrhundert (S. 509–511) und zeigt damit auf, wie umstritten die „Sphinx an der Schwelle der byzantinischen Geschichte“ (Ernst Gerland, zitiert von Schlange-Schöningen S. 511) bis heute geblieben ist. Ein Glossar (S. 512–514) und eine Literaturauswahl (S. 515, ausführlicher auf der beigelegten CD-Rom) schließen das Werk ab.

Trotz der opulenten Ausstattung des Bandes findet sich ein Reihe von Mängeln: Zum einen werden so viele Themen angesprochen, dass eine Vertiefung im Einzelnen nicht mehr möglich ist – zahlreiche Beiträge sind nur ein bis zwei Seiten lang, so dass mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. Eine Konzentrierung auf weniger, dafür vertiefter behandelte Themen hätte den Erkenntnisgewinn sicherlich gesteigert. Zum anderen ergibt sich das Problem, dass die Themen durch die Vergabe von Beiträgen an möglichst viele Verfasserinnen und Verfasser stark fragmentiert werden: Welchen Nutzen hat es, wenn die Verwaltung unter Konstantin von insgesamt sieben Forschern und einer Forscherin behandelt wird? Ein übergeordnetes Konzept jenseits des bloßen Titels „Verwaltung und Repräsentation“ fehlt. Wäre das Kapitel nur von einem Verfasser bzw. einer Verfasserin geschrieben worden, hätte dies der Stringenz und Nachvollziehbarkeit der Darstellung zweifellos genützt. Wie so häufig bei Publikationen dieser Art stellt sich schließlich das Problem, dass nur ein Teil der Beiträge Rücksicht darauf nimmt, dass ein breiteres Publikum als Leserschaft erreicht werden soll, während sich daneben oft Begriffe finden, die nur für Fachleute in vollem Umfang verständlich sind (und auch im Glossar nicht hinreichend erklärt werden). So werden im einleitenden Beitrag zur imperialen Idee (S. 34–43). zwar staatsrechtliche Begriffe wie Caesar, Augustus und imperium sorgfältig erläutert. Welche Funktion hatten jedoch Consuln und Praetoren in spätrepublikanischer Zeit (S. 34)? Was ist das erweiterte Amt des dictator (S. 36)? Abgesehen von diesen fundamentaleren Problemen gibt es auch beträchtliche formale Mängel: Bedauerlich sind die zahlreichen inhaltlichen, Druck- und Flüchtigkeitsfehler, die bei einem so opulent gestalteten Band umso unangenehmer auffallen.3

Für eine ausgewogene und gut lesbare Einführung in Konstantins Leben wendet man sich also mit größerem Gewinn an eine der einschlägigen Biographien als an diesen Katalog. In jeder Hinsicht überzeugend ist hingegen das reiche und hervorragende Bildmaterial, das sich so kompakt zusammengefasst wohl nur hier findet.

Anmerkungen:
1 Beispielhaft seien folgende Monographien genannt: Bleckmann, Bruno, Konstantin der Große, 2. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2003; Brandt, Hartwin, Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser. Eine Biographie, München 2006; Clauss, Manfred, Konstantin der Große und seine Zeit, München 1996; Girardet, Klaus Martin, Die Konstantinische Wende. Voraussetzungen und geistige Grundlage der Religionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 2006; Hermann-Otto, Elisabeth, Konstantin der Große, Darmstadt 2007.
2 Störend ist allerdings das Fehlen des Nachweises der Quelle (Eutrop) auf S. 84: „‚Viele Gesetze erließ er‘, so lesen wir, ‚manche waren gut und gerecht, die meisten aber überflüssig, einige allzu streng.‘“
3 Es seien lediglich zwei Beispiele genannt, S. 189, Abb. 20: Es handelt sich nicht um den Grabstein für den Syrer Eustasius (wie die Bildunterschrift behauptet), sondern für Macedonia (so zumindest richtig im Text); S. 354: Augustinus lebte natürlich nicht in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts, sondern 354 bis 430 n.Chr.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension