T. Lorenz: Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!

Cover
Titel
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!. Der Versailler Vertrag in Diskurs und Zeitgeist der Weimarer Republik


Autor(en)
Lorenz, Thomas
Erschienen
Frankfurt am Main 2008: Campus Verlag
Anzahl Seiten
489 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Boris Barth, Jacobs-University Bremen

Die vorliegende Dissertation erhebt den Anspruch, am Beispiel des Diskurses um den Versailler Vertrag den „Zeitgeist“ der Weimarer Republik fassen zu können. Um das Fazit vorwegzuschicken: Das Buch enthält einerseits eine Reihe von ausgezeichneten und gehaltvollen Kapiteln zu einzelnen Problemkreisen der Weimarer Republik, erschließt in einigen Bereichen quellenmäßiges Neuland und öffnet in einigen weiteren Kapiteln durchaus neue Forschungsperspektiven.

Andererseits ist der konzeptionelle Rahmen des „Zeitgeistes“ aber zu diffus, um wirklich klare Fragestellungen bzw. einen „roten Faden“ zu stricken, der das überaus umfangreiche und heterogene Material strukturieren würde. Auch wird trotz einiger theoretischer Reflexionen in der praktischen Durchführung nicht immer deutlich, was eigentlich mit dem schillernden und viel strapazierten Begriff des „Diskurses“ gemeint ist. Häufig steht dieser einfach als Synonym für „Debatte“ oder „Kontroverse“, an anderen Stellen wird er hingegen als wirkliches theoretisches Konstrukt verwendet. Als Folge dieser konzeptionellen Schwächen zerfällt das Buch in mehr oder weniger zusammenhanglos aufeinander folgende Kapitel, denen nur gemeinsam ist, dass sie sich in irgendeiner Weise mit der Rezeption des Versailler Vertrages im Deutschen Reich befassen. Die Summe aller dieser Versatzstücke soll dann den so genannten „Zeitgeist“ ergeben, der offenbar als eine Art von Königsweg in eine übergreifende und alles umfassende Gesamtgeschichtsschreibung betrachtet wird. Der Rezensent bezweifelt aber, dass auf diese Weise grundlegend neue theoretische Erkenntnisse gewonnen werden können.

Diese konzeptionellen Mängel sind bedauerlich, weil einige Kapitel über wirkliche Stärken verfügen und auch gut lesbar geschrieben sind. Ausgezeichnet ist die Quellenanalyse zu der Ausstellung „Deutschland und der Friedensvertrag“, die in der deutschen Öffentlichkeit eine erhebliche Wirkung entfaltete. Die hier verwendeten und sauber interpretierten zum Teil unpublizierten Bestände waren bisher in der Forschung weitgehend unbekannt. Ebenso gelungen ist die Darstellung von Versailles im Schulunterricht – ein bisher häufig unterschätzter Aspekt der innenpolitischen Mobilmachung, der bisher noch nicht erschöpfend behandelt wurde. Auch die politischen Debatten um die Annahme oder Ablehnung des Versailler Vertrages werden meist aus den Parlamentsprotokollen kenntnisreich entwickelt. Schwächer sind die Kapitel zum Versailler Vertrag in der Romanliteratur, weil hier meist nur in epischer Breite die Inhalte leicht greifbarer Bücher nacherzählt werden und die Synthese auf der Strecke bleibt.

Das Buch bietet somit eine Mischung aus gelungenen und weniger gelungenen Kapiteln, die in unterschiedlichem Maße weitere Forschungen nach sich ziehen werden. Das Gesamtkonzept des „Zeitgeistes“ hingegen ist zu unbestimmt, als dass es zur Nachahmung empfohlen werden könnte.

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